My Eurovision: Workaway in Europa - Step 21b: Amsterdam


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August 29th 2017
Published: September 1st 2017
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Freedam Tour
Tag 342 – Amsterdam: So läuft das in Holland

Am nächsten Morgen stand ich um acht auf, packte meine Sachen und checkte aus. Frühstück gab es hier leider nicht. So kaufte ich mir bloß eine Dose Kakao und fuhr dann mit der Straßenbahn in die Innenstadt. Dort gab ich mein Gepäck in einem Storage-Shop ab (hier musste ich zwar was bezahlen, aber dafür war es in Gehdistanz vom Bahnhof und ich würde später nicht mehr zurück zum Hostel müssen). Dann ging ich zur Touristeninformation am Bahnhof, um mir einen Stadtplan zu besorgen. Den gab es hier leider mal nicht umsonst, sondern man musste ihn an einem Automaten ziehen. So, nun musste ich mich aber erst mal hinsetzten, meinen Kakao trinken und die beiden Peanutbuttersandwiches essen, die ich noch hatte. Daraufhin nahm ich den Stadtplan zur Hand und lief ein bisschen durch die Stadt.

Um elf startete bei der Oude Kerk meine Yellow Umbrella Freedamtour. Ich ging mit einer netten Holländerin namens Coos mit. Sie machte die Führung sehr interessant, unterhaltsam und verständlich, und ich bekam nun wirklich einen guten Rundumschlag über Amsterdam und Holland.
Als erstes zeigte sie uns eine Karte. „Wo befinden wir uns jetzt, in Holland oder in den Niederlanden?“, wollte sie von der Gruppe wissen. „Ehm, beides“, dachten die meisten. Und damit lagen wir sogar richtig. Allerdings nicht mit dem zweiten Teil der Antwort, „Das ist doch das Gleiche“. War es nämlich nicht. Auf der Karte konnte man den Teil des Landes sehen, der unter dem Meeresspiegel lag. Das war Holland. Hier hatte man keinen durchgehenden Grund, sondern Gegenden mit Wasser und Landflecken, die, um sie bewohnbar zu machen, befestigt wurden. Dieses Gebiet war also eigentlich voller Löcher, und so war es zu dem Namen Holl-Land, also Löcher-Land, gekommen. Interessant, dass hatte ich auch noch nicht gewusst, aber mich schon immer gewundert, dass es zwei Namen für das Land gab…

Nun standen wir ja an der Oude Kerk - früher war das eine kleine Holzkirche auf einem Schlammhügel gewesen, heute dagegen handelte es sich um ein prunkvolles Bauwerk. Wie war es dazu gekommen?
Es hatte früher zwei unterschiedliche Teile der Stadt gegeben: Im Osten lebten die sehr religiösen, reicheren Leute, und im Westen die ärmeren Fischer. Die Fischer waren auf See sehr einsam, und wenn sie wieder in die Stadt kamen, wollten sie sich amüsieren – mit Bars und Prostitution. Da die Fischer ein gefährliches Leben hatten und immer fürchten mussten, auf See zu sterben, war es ihnen natürlich wichtig, im Falle des Falles trotzdem in den Himmel zu kommen. Durch ihr Verhalten begangen sie viele Sünden, doch die katholische Kirche konnte Abhilfe schaffen: Die Fischer konnten in der Kirche ihre Sünden beichten und Ablassbriefe kaufen, um wieder sündenfrei zu sein. Aufgrund des großen Andrangs ging das nicht nur nach der Messe am Sonntag, sondern auch an allen anderen Wochentagen. Außerdem wurde schließlich die vorbeugende Beichte eingeführt. So gingen die Fischer zu Beichte, erzählten von ihren Plänen fürs Wochenende, bezahlten und konnten dann unbekümmert Spaß haben. Win-Win-Situation: Die Fischer waren glücklich, die Kirche verdiente sich eine goldene Nase und konnte damit auch ein prunkvolles Gebäude erbauen, und die östliche Bevölkerung war auch ganz zufrieden, da die Fischer dank der Prostitution keine Gefahr für ihre Töchter waren.

Als nächstes liefen wir durch den Red Light District und vertieften das Thema Prostitution ein wenig mehr. Die Niederlande hatten Prostitution legalisiert – um die Frauen zu schützen. Nun gab es Gesetzte, sie mussten 21 sein, europäische Papiere haben und konnten auch nur eine gewissen Stundenzahl arbeiten. Zudem waren überall in den Straßen Kameras und die Prostituierten hatten Notfallknöpfe, mit denen sie um Hilfe rufen konnten.

Daraufhin gingen wir durch „Chinatown“, in der Straße waren sogar die Straßenschilder in chinesischen Schriftzeichen. Hier sprach Coos dann das Thema Drogen an – für die meisten Touristen eines der interessantesten. Wieso unterschieden sich die Niederlande in diesem Aspekt vom Rest Europas?
In den 60ern und 70ern waren viele Hippies in Amsterdam gewesen. Sie brachten Drogen in die Stadt, und es wurden immer mehr und mehr, und in den Jahren darauf war die ganze Stadt voller Heroin-Abhängigen. Heroin, Kokain, Marihuana – warum behandelte man alle Dealer und Konsumenten gleich, wenn doch die Folgen unterschiedlich schwer waren, fragte man sich. So beschloss die Regierung, Marihuana zu „legalisieren“, um somit den Gebrauch und Handel von harten Drogen wie Heroin zu bekämpfen. Und der Plan ging tatsächlich auf. Die Zahl der Heroinabhängigen ging stark zurück, und heute gibt es in den Niederlanden die wenigsten in ganz Europa. Nun ist da aber trotzdem noch eine Sache mit dem Marihuana. Offiziell ist das Ganze irgendwie schon illegal, aber es wird toleriert. Das hört sich jetzt erst mal widersprüchlich an, ist es auch ein bisschen. Man darf vier Pflanzen zum Eigengebrauch besitzen und sogenannte „Coffee-Shops“ dürfen 500g zum Verkauf auf Lager haben. Schon in der Zeit davor hatten viele Cafés Marihuana unter der Theke verkauft, und nun hatten sie die offizielle Erlaubnis. Allerdings müssen sie dafür extra Steuern bezahlen. Diese Gelder werden dafür verwendet, um Anti-Drogen-Programme durchzuführen. Die Läden dürfen allerdings jedem Kunden nur 5g verkaufen, und der „Verbraucher“ kann zwar zu mehreren Coffee-Shops gehen, aber auch nur eine gewisse Grammzahl bei sich tragen. Jetzt gibt es aber immer noch einen Haken bei der ganzen Sache – das Anbauen von Cannabis ist in den Niederlanden verboten. Wo kommt also das ganze Marihuana her? Nun, die Regierung ist „unwissend“. Keiner weiß es genau, aber es handelt sich vermutlich um viele Gangs.
Auf meiner zweiten Free Walking Tour bekamen wir dazu noch eine Info. Die Polizei ging nämlich aktiv gegen Drogenproduzenten vor (wie es ja auch ihre Pflicht sein sollte) und im Winter hatten sie wohl mal auf Facebook gepostet, dass man doch bitte schauen sollte, ob auf irgendeinem Hausdach kein Schnee liege, und ihnen das melden solle. So konnte man nämlich die Produzenten aufdecken: Wenn sie mehrere Pflanzen besaßen, verbrauchten sie im Winter sehr viel Energie für die Lampen. So konnte einerseits der Stromanbieter auf den überdurchschnittlichen Verbrauch aufmerksam werden, und andererseits konnte man von außen sehen, dass auf dem Dach der Schnee taute. Wir bekamen auch ein Foto von so einem Haus gezeigt. So wurden im Winter viele Marihuana-Produzenten ausfindig gemacht.
Wir bekamen auch von einem Rechtsfall zu hören. Es gab keine Gefängnisstrafe, sondern ursprünglich war eine Geldstrafe von 100000€ angesetzt gewesen. Der Anwalt bekam es auf 25000€ reduziert. Da die Person so viele Pflanzen hatte, dass sie alle drei Monate 60000€ erwirtschaftete, war das so gut wie nichts im Verhältnis. So lief das hier in den Niederlanden. Aber die Regierung verdiente ja auch eine Menge am Drogen-Business.
Coos gab uns drei goldene Regeln des Landes: Sei diskret. Misch dich nicht in die Sachen anderer ein. Wenn du etwas nicht so Gutes machst, lass uns wenigstens daran verdienen. Ja, so in etwa hörte sich das Ganze an. ^^

Nachdem wir nun diese Themen abgehakt hatten, gingen wir mal zu etwas Ernsterem über: die Judenverfolgung im zweiten Weltkrieg. Einst waren etwa 20% der Bevölkerung hier jüdisch gewesen, und sie waren sehr gut integriert – keine Spur von Antisemitismus. Als der Zweite Weltkrieg begann, hatten die Niederlande wie auch schon in den vorangegangenen Kriegen neutral bleiben wollen. Doch das funktionierte nur solange, bis die Nazis einmarschierten und das Land okkupierten. Die Niederlande kapitulierten und kooperierten schnell – das war der beste Eigenschutz, und außerdem brachten die Soldaten auch eine Menge Geld in die Stadt – wieder durch Bars und Prostitution. Die Nazis hatten versprochen, die hiesigen Juden in Frieden zu lassen. Sie wollten bloß eine Karte, auf der zu sehen war, wo die Juden lebten. Da das Land sehr organisiert war, übergaben sie eine detaillierte Karte. Daraufhin brachten die Nazis alle Juden um oder deportierten sie in Konzentrationslager. Miese Schweine!
Der folgende Winter war sehr kalt und die Bevölkerung sägte nachts nach und nach alle Bäume in der Stadt ab – bis auf die vor dem Nazi-Gebäude. Irgendwann war ganz Amsterdam abgeholzt – deshalb gab es heute auch keine alten Bäume in der Stadt; alle wurden nach dem Krieg neu angepflanzt. Als es nun kein Feuerholz mehr in der Stadt war, wusste sich die Bevölkerung nicht anders zu helfen, als heimlich in die verlassenen Häuser der Juden zu gehen und alles, was hölzern war, abzusägen und zu verfeuern – Betten, Türen, Tische, alles. Als Kanada die Niederlande später befreite, dachten sie, das Viertel sei bebombt worden, so, wie es aussah.

Coos schloss ihre Ausführungen mit einer etwas erfreulicheren Geschichte: Irgendwann wurde beschlossen, eine Autobahn quer durch Amsterdam zu bauen. Wochenlang gingen die Leute auf die Straße und demonstrierten – und gewannen schließlich. Keine Autobahn. Wäre ja auch schade gewesen um die hübsche Stadt. Übrigens war der Boden total schlammig, weshalb die Häuser auf Holzpfähle gebaut wurden – einige davon stammten noch aus dem 17. Jahrhundert. Da das Holz natürlich auch mal verrottete, neigten sich viele Häuser zur Seite. Manche Häuser waren aber auch mit Absicht schief – die neigten sich etwas nach vorne. Es gab ja früher Steuern auf die Größe der Fassade, weshalb die Häuser alle so schmal waren, und so hatte man auch noch etwas mehr Platz im oberen Bereich. Der Hauptgrund war aber, dass man Lasten nicht so gut durch das enge Haus nach oben transportieren konnte, sondern sie stattdessen außen nach oben zog und durchs Fenster hinein holte (wir sahen sogar jemanden etwas draußen hochziehen, ein Sofa oder so). Wenn das Haus etwas nach vorne geneigt war, war das Hochziehen einfacher.

Ein weiteres Wahrzeichen von Amsterdam waren die Fahrräder. Alle fuhren Fahrrad, das war ein super Verkehrsmittel, denn die engen Straßen waren nicht auf Stadtverkehr ausgelegt, doch es gab einen Haken: Fahrräder wurden geklaut, die ganze Zeit. Ein Bekannter von Coos hatte in 8 Jahren wohl 15 Fahrräder gehabt. Unglaublich, er hatte es ja auch abgeschlossen. Das half anscheinend nichts, stattdessen bemalten manche Leute ihre Räder sehr auffällig, damit sie Wiedererkennungswert hatten. Nun waren Fahrräder natürlich recht teuer, mehrere hundert Euro, und das zweite Fahrrad ersetzte man vielleicht noch gleichwertig, aber nach einer Weile ging das wirklich ins Geld. Das konnte sich keiner leisten. Deshalb kaufte sich so ziemlich jeder spätestens das vierte Fahrrad auf dem Schwarzmarkt. Hier, wo wir gerade standen, wurden jede Nacht gegen zwei Uhr gestohlene Fahrräder verkauft – für etwa zwanzig Euro pro Stück. Manchmal kam es wohl auch vor, dass man sein eigenes Fahrrad wieder angedreht bekam – aber wollte man sich mit einem Junkie anlegen? Lieber nicht. „Du bekommst es für die Hälfte“ hörte man vielleicht. Naja, neues Fahrrad für mehrere hundert Euro, oder zehn Euro fürs eigene Rad bezahlen? Da musste man wohl nicht lange überlegen. Wenn man schon mehrere Fahrräder verloren und somit in dieses System hineingegeben hatte, hatte man nicht so ein schlechtes Gewissen, ein gestohlenes Rad zu kaufen – es machte auch einfach jeder so. Aber das erhielt natürlich dieses System – ein Teufelskreis.
Komisch war auch, dass jährlich etwa 30000 Fahrräder von einem Boot aus den Kanälen gefischt wurden. Wie die dort bloß hinkamen? Nun, jedenfalls war es keine gute Idee, nachts nach dem Pub in den Kanal zu springen – große Verletzungsgefahr! ^^

Wir gingen auch kurz zur Universität und sprachen über das Goldene Zeitalter der Niederlande. Nachdem Portugal so erfolgreich im Handel mit Indien gewesen war, wollten die Niederlande das auch versuchen. Sie hatten allerdings keine Ahnung, wo Indien war. Zu dieser Zeit kamen eine Menge jüdischer Flüchtlinge aus Portugal ins Land, und so machten sie einen Deal aus: Sie bekamen Asyl, wenn einige von ihnen zurückgingen, um eine Karte zu stehlen. Das machten sie, und so wurden kurze Zeit später drei Boote nach Indien geschickt. Das Ganze wurde jedoch eine große Pleite – sie verloren ein Schiff, 75% der Crew und kamen bloß mit zwei Säcken Pfeffer nach Hause – daher stammte auch die niederländische Redewendung „Das ist so teuer wie Pfeffer“.
Die Niederländer lernten aus ihren Fehlern, und nachdem
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National Monument
sie die VOC gegründet und so genügend Geld gesammelt hatten, sandten sie hundert kleine Boote aus – da war der Verlust von einem nicht weiter schlimm. Mit dieser Taktik wurden sie sehr erfolgreich und Amsterdam war kurze Zeit die reichste Handelsstadt. Coos meinte, dass Apple als reichstes Unternehmen 8 Billionen wert war. Was die Niederlande damals erwirtschaftet hatte, war 7 Trillionen wert! Eine seither nie wieder erreichte Summe.

Außerdem sahen wir Bijenkorf – es handelte sich um eine Art Kloster, jedoch waren die Bewohnerinnen keine Nonnen. Alle mussten jedoch weiblich und über 50 sein, und es war sehr schwierig, in die Gemeinschaft hineinzukommen. Ein wirklich netter Innenhof mit zwei Kapellen.
Wir hatten auch noch etwas Interessantes über die Kirche erfahren: Die Niederlande waren einst katholisch gewesen, doch dann reformiert worden, und bei Gesetz wurde das ganze Land evangelisch; Katholizismus wurde verboten. Die Katholiken trafen sich aber weiterhin zu gemeinsamen Gottesdiensten, in versteckten Kirchen in irgendeinem Obergeschoss eines Hauses. Es gab verschiedene Eingänge, so dass das Treffen nicht so auffällig war, aber natürlich bekamen die Einwohner aufgrund der Gesänge trotzdem von den Gottesdiensten mit. Einige riefen auch die Polizei, doch die war beauftragt worden, das Ganze zu tolerieren. So sagten sie, es sei Sonntag, und da hätten sie frei; sie würden dem Ganzen jedoch am Montag nachgehen. Doch da war natürlich kein Gottesdienst. Und so wurden die Katholiken in Frieden gelassen.

Wir endeten die Tour am Royal Palace. Die Niederlanden waren eine konstitutionelle Monarchie, doch das waren sie noch nicht immer gewesen. Irgendwann hatten die Franzosen ihnen ihren ersten König Louis geschickt - der sich bei seiner ersten Rede am Niederländischen versuchte und statt „Ich bin euer König“ fälschlicherweise „Ich bin eurer Hase“ sagte. Als die Niederlande später wieder selbstverwaltend waren, gab es eine Abstimmung, und sie wollten eine Monarchie bleiben. So wurde eine der reichsten Familien, die Familie Orange, zur Königsfamilie erklärt, und das sind sie auch noch heute. 2010 heiratete der Prinz eine nette Argentinierin, und sie fuhren mit ihrer goldenen Kutsche durch die Stadt. Aufgrund des königlichen Familiennamens trägt die Niederlande bei Sportwettbewerben übrigens immer Orange – das hatte ich ja auch noch nicht gewusst, aber gewundert hatte es mich schon immer, weil die Farbe in der Flagge ja gar nicht vorkam.

Um halb zwei sollte die Tour zu Ende sein, und um halb zwei begann auch meine zweite Tour, allerdings diesmal bei einem anderen Unternehmen. Dort musste man auch zehn Minuten eher da sein, doch zum Glück waren wir etwas eher fertig gewesen. Ich war dann sogar die erste, die da war. Als nächstes kamen drei Deutsche – sie waren aus Osnabrück und gerade auf Texel gewesen, was für ein Zufall. Diese Tour hieß „Alternative Tour“, und ich hatte sie gebucht, da ich es für eine gute Ergänzung zu der anderen Tour gehalten hatte (ich hatte sie mir etwas geschichtlicher vorgestellt, aber egal, Coos hatte uns wirklich einen guten Eindruck von der Stadt vermittelt).
Ich bekam nun ähnliche Geschichten über die Touri-Top-Themen Drogen, Prostitution und Fahrräder zu hören und wir gingen auch in ein ganz anderes Viertel der Stadt, in den „Jordaan“. Der Name stammte vom eingeniederländischten französischen Wort für Garten, „jardin“. Es hatte hier nämlich mal ziemlich viele Gärten in den Innenhöfen gegeben, und auch noch heute. Einen davon konnten wir uns auch ansehen, der Rest war privat und abgeriegelt. Das heute sehr „hippe“ Viertel war einst die schlechteste Nachbarschaft der Stadt gewesen. So gab es wohl auch eine Menge Streetart.

Ein neues Streetart schauten wir uns an. Es war auf eine der unter
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Die Souvenirläden haben auch fast nur Sachen zum Thema Marihuana
Denkmalschutz gestellten Hausfassaden am Kanalufer gemalt, und zwar von zwei Streetart-Künstlern aus England, die nach Amsterdam gezogen waren und sich hier einen Namen machen wollten. So hatten sie den Besitzer des Hauses ausfindig gemacht, ihn um Erlaubnis gefragt und sich sogar eine Einverständniserklärung von ihm unterschreiben lassen. Nun, das half ihnen aber wenig, als die Polizei kam – der Eigentümer hatte da nämlich überhaupt keine Entscheidungen zu treffen, Denkmalschutz war Denkmalschutz, und das hatte dieser natürlich auch gewusst. Die Streetart-Künstler waren jedoch beharrlich – sie wollten ihr Werk zu Ende bringen. Dafür mussten sie zum Rathaus gehen, und das würde ihnen normalerweise auch nichts bringen. Sie waren aber so ausdauernd, dass sie schließlich eine Skizze einreichten und es durchgeboxt bekamen – einzige Bedingung: Sie mussten sich an die Skizze halten, was sie jedoch dann doch nicht ganz tun wollten. So bauten sie einen kleinen Hinweis für den Betrachter ein: Ein Pinsel, der das Haus bemalte – noch war das letzte Detail nicht ganz fertig. So waren sie sich selbst treu geblieben.

Danach gingen wir in einen Käseladen über dem Käsemuseum – fünf Minuten lang konnten wir so viel wir wollten umsonst probieren. Überall waren Probeschälchen mit Kostproben, bestimmt dreißig verschiedene Käsesorten – genialer Laden, und leckerer Käse. :p
Daraufhin gingen wir am Anne Frank Haus vorbei – so eine lange Schlange hatte ich noch nie zuvor gesehen, offenbar stand man hier etwa vier Stunden an – und kamen dann zum Homosexuellen-Denkmal. Es handelte sich um ein rosa Dreieck aus Stein im Kanal – das Symbol, das die Homosexuellen im Konzentrationslager hatten tragen mussten. Es gab drei der Denkmäler, und alle wiesen in eine bestimmte Richtung, das eine zum Beispiel in Richtung des früheren Nazi-Hauptquartiers. Hier erzählte unser Guide auch, dass es in den Niederländen die erste kirchliche Schwulenhochzeit gegeben hatte. Die Bräutigame hatten sich ihre Ringe auf den Finger tätowieren lassen – schließlich sollte ihre Liebe für immer halten. Allerdings hatte sie sich wohl vor ein paar Jahren wieder scheiden lassen, aber naja, gleiches Recht für alle. Trotzdem sind die beiden sehr berühmt und beliebt, schließlich haben sie so einigen Paaren den Weg geebnet.

Als letztes redeten wir über die Squatters. Es hatte wohl einst eine Menge Menschen gegeben, die Wohnungen als Kapitalanlagen besaßen aber sie leer stehen ließen und somit vom Markt nahmen, um die Preise hochzutreiben. Das war natürlich nicht gerne
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Freedam Tour
gesehen. Wenn die Häuser sehr lange leer standen, nisteten sich dort irgendwann sogenannte Squatters ein – sie brachen ein und bezogen das Haus. Das war natürlich illegal. Die Polizei versuchte dagegen vorzugehen, doch immer, wenn sie anrückten, riefen sich die Squatters gegenseitig an und traten der Polizei vereint gegenüber – da hatten sie keine Chance.
Schließlich beschloss man, das Ganze zu legalisieren – schon wieder so ein schräges Gesetz. Wenn man sich in so einem Haus niederließ, konnte man nur die ersten 24 h für Einbruch bestraft werden. Stand das Haus bereits zwei Jahre leer und die Squatters, die nun dort hausten, zeigten der Regierung, dass sie dort wirklich lebten (hatten einen Briefkasten, persönliche Sachen im Haus, bezahlten Rechnungen) durften sie dort umsonst wohnen. Durch diese Regelung wurde die Anzahl an leer stehenden Wohnungen drastisch reduziert. Im Jahr 2010 verbot man „Squatters“ allerdings wieder, und es dauerte ein paar Jahre, bis man alle vertrieben und die Häuser renoviert hatte – wir sahen ein Foto, alle Fassaden waren voller Graffiti gewesen, und ein Haus hatte man sogar niederreißen müssen, da irgendwelche Leute so viel gegen die Wand uriniert hatten, dass diese sich aufgelöst hatte und zerbröckelt war. Nun, heute sah
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Das war die Tür, wo die Sünigen zur Beichte anklopften
die Spuistraat aber wieder wie eine ganz normale Straße aus.

Als die Tour vorbei war, ging ich die Fußgängerzone entlang bis zum Munttoren, einem Turm, und dem Bloemenmarkt. Von dort aus lief ich bis zu einem Platz mit einer Rembrandtstatue und holte mit auf dem Weg einen Vitaaltje - Coos hatte gesagt, dass mit Fleisch gefüllte Kroketten eine holländische Spezialität waren, und das war eine vegetarische Variante mit Gemüsebrei gefüllt. Ich setzte mich kurz zum Essen hin und hörte einem Straßenmusiker zu und ging danach runter bis zu einem Kanal, wo sieben Brücken hintereinander waren. Daraufhin kam ich zur Amstel und sah die Walter Süskindbrug, eine Holzbrücke, sowie die prunkvolle Blauwbrug neben der Nationale Opera & Ballet. Ich ging ein Stück weiter bis zu einem Museumsgebäude, und entdeckte so den Waterloopleinmarkt. Hier verkauften sie (bestimmt auch gestohlene, in jedem Fall aber gebrauchte) Fahrräder, Antiquitäten und es lagen auch riesige Kleiderhaufen auf dem Boden – jedes Stück ein Euro, ob die wohl aus der Altkleidersammlung waren? Ich holte mir einen Smoothie zur Erfrischung.
Anschließend lief ich die Staalstraat entlang und kaufte in einem Souvenirshop meine Andenken- Postkarte. Außerdem kam ich durch eine sehr schöne Wohngegend neben der Universität – es schien, als sei hier die Zeit stehengeblieben, und es gab auch einen kleinen Bücherflohmarkt dort.

Schließlich ging ich nochmal durch den Begijnhof und dann die Fußgängerzone zurück über den großen Platz bis zum Gepäck-Depot. Ich hatte zwar noch Zeit, aber wollte lieber zeitig da sein. Ich setzte mich dann erst mal auf den Boden, um meinen Tagesrucksack aufzulösen – zwei Gepäckstücke waren doch schon deutlich einfacher.
Ich war dann eine dreiviertel Stunde zu früh am Bahnhof, und beschloss spontan, einen früheren Zug nach Den Helder zu nehmen. Dort wartete ich noch ein bisschen, aß mein Sandwich und fuhr dann mit dem Shuttlebus zur Fähre. Bis Texel war es nur eine 20-minütige Überfahrt, und kurz vor neun war ich da.
Anne und Piet holten mich ab und fuhren mit mir zu ihrem Bed&Breakfast. Ich saß noch eine Weile im großen Aufenthaltsraum und unterhielt mich mit Anne und einem der Gäste. Diese Nacht schlief ich im Camper bei Kelly (30), einer australischen Workawayerin. Im Caravan wohnten derzeit noch zwei Freundinnen mit Sohn, doch sie würden am
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Chinesisches Schild
nächsten Tag abreisen.


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