Das Märchen vom sonnigen Süden oder wie zwei Schiffe fast jeden schönen Ort versauen können


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May 31st 2019
Published: June 1st 2019
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Nach den entspannten und größtenteils einsamen Tagen in Bosnien sind wir wieder bereit für etwas Massentourismus und wollen uns Dubrovnik ansehen, wohlwissend, dass wir nicht die einzigen Touristen sein werden, dass man sich vermutlich durch die Gassen schieben lassen muss und innerhalb der Altstadtmauern vermutlich kein Plätzchen für sich alleine haben wird. Aber zunächst brauchen wir noch ein Weilchen, bis wir unseren Campingplatz, übrigens auch der teuerste und schlechteste der bisherigen Reise, bei Dubrovnik erreichen. Denn wenn man von Mostar kommend die Hauptstrecke in Richtung Dubrovnik fährt, reist man zunächst aus Bosnien aus und nach Kroatien ein, und zwar so richtig mit allem was dazu gehört, denn man reist ja aus einem Nicht-EU-Land in die EU ein. Allerdings ist die Grenze hier recht wenig frequentiert. Dann fährt man allerdings auf der Küstenstraße, die alle Touristen nehmen müssen in Richtung Dubrovnik und fährt dabei nochmal durch den zwanzig Kilometer langen Streifen Adria, der zu Bosnien gehört, das heißt, man reist noch einmal aus Kroatien aus und nach Bosnien ein um dann zwanzig Kilometer später noch einmal zwei Grenzposten zu passieren. Das ganze Prozedere kostet uns locker eine Stunde Wartezeit in den diversen Autoschlangen, und dass obwohl die Dame an der kroatischen Grenze Nummer zwei ihren Job nicht sonderlich wichtig nimmt und uns einfach durchwinkt ohne unsere Pässe zu kontrollieren. Da das Inland hier sehr bergig ist, gibt es allerdings keine akzeptable Alternative zu dieser Strecke, so grotesk es auch erscheint. Mit übertreten der Grenze nach Kroatien fängt es übrigens an, wie aus Eimern zu regnen, aber auch das wussten wir leider schon vorher, denn die Prognosen für die nächsten Tage waren rund herum bescheiden. Wir verbringen also unseren Nachmittag auf dem Campingplatz mit Wäsche waschen und anderem notwendigen Kram und ein bisschen Regenpause gibt es auch für eine Runde auf dem Spielplatz. Auch am nächsten Morgen sieht es leider nicht besser aus und regnet immer noch in Strömen, sodass wir uns erst gegen Mittag in die Stadt aufmachen. Schon im Bus gibt es einen leisen Vorgeschmack auf die Menschenmassen die uns erwarten und als wir dann noch am Hafen vorbeifahren, in dem zwei große Kreuzfahrtschiffe ankern, versuchen wir uns schon mal mental vorzubereiten. Als wir schließlich die nur ca. 300x400 m kleine Altstadt von Dubrovnik durch das mächtige Pile-Tor betreten, sind wir dennoch etwas geschockt. Ich weiß es ist irgendwie eine seltsame Doppelmoral, sich an einem Ort, an dem man selbst Tourist ist über Touristen zu beschweren, schließlich hat ja jeder das Recht diesen schönen Ort zu besichtigen, aber Dubrovniks Altstadt schluckt wirklich mehr Menschen, als sie verdauen kann. Dazu kommt, dass insbesondere die Kreuzfahrttouristen ja nicht tröpfchenweise sondern flutartig kommen, sehr dominant sind und alles überrollen, was nicht bei drei auf einem Baum sitzt. Und Bäume gibt es leider sehr wenige in dieser wunderschönen Stadt. Einst haben 6000 Einwohner die Altstadt bewohnt, heute sind es gerade mal noch 900, die hier ausharren, und ich kann alle verstehen, die es nicht mehr ausgehalten haben. Unvorstellbar, wie man durch diese Massen seine täglichen Einkäufe tragen oder sein Kind zum Kindergarten bringen soll, wie man außerhalb der autofreien Altstadt einen Parkplatz für sein Auto finden soll. Wie traurig das aber für eine Stadt ist, wenn sie nur noch für Besucher und nicht mehr für ihre Einwohner lebt, wenn sie nur noch als Postkartenkulisse und nicht mehr als Kulisse des Echten Lebens dient. Wir traurig das ist für das einst so stolze und mächtige Ragusa. Wir flüchten erst mal vor den Massen und dem gerade wieder einsetzenden Regen in eine kleine Gasse, wo wir eine recht gute Pizza, allerdings natürlich zu Dubrovnik-Preisen, essen. Dann wagen wir uns raus und bewundern diese Stadt gebührend, das Ensemble aus blankpolierten Kalksteinstraßen, den prächtigen alten Gebäuden und Kirchen und den roten Dächern ist wirklich einzigartig schön. Nur der graue Himmel passt nicht ins perfekte Postkartenbild, aber wer mag schon Perfektion. Wir schlendern durch die Stadt und finden tatsächlich ab und zu eine Gasse, in der wir ganz für uns sind. Um den Massen zu entkommen, wollen wir die Stadt auf der 2 km langen Stadtmauer einmal umrunden. Als wir einen der Aufgänge zur Mauer gefunden haben, müssen wir aber feststellen, dass man auch hier nicht alleine ist und sich die Massen auch auf der Mauer entlang schieben, allerdings mit etwas mehr Luft dazwischen, da es teilweise steil bergauf geht. Und das obwohl man ziemlich unverschämte 200 Kuna (29 Euro) „Eintritt“ zur Stadtmauer bezahlt und die Stadt dafür genau einmal umrunden darf, was auch strengstens kontrolliert wird. Ich gehe davon aus, damit die Tickets nicht weiter verkauft werden und dann jemand anderes nochmal eine Runde dreht. Bei diesen Preisen wäre das allerdings auch allzu verführerisch. Wie auch immer, es soll sich wirklich lohnen, also beißen wir in den sauren Apfel, bezahlen den Preis und reihen uns ein in die Schlange, die sich entlang der Altstadtmauer treppauf, treppab schiebt. Marlene verschläft die schöne Aussicht auf Dennis‘ Rücken in der Kraxe, was das ganze etwas entspannter aber natürlich für den Träger auch um einiges anstrengender macht. Es ist wirklich schön hier oben aber inzwischen trotz Wolkendecke drückend warm und so kommen wir ganz schön ins Schwitzen. Neben der tollen Aussicht über die Dächer Dubrovniks bis aufs Meer und auf die vielen Türme der Stadt, bekommt man ab und zu auch einen intimen Einblick in einen kleinen grünen Garten oder auf eine Sonnenterrasse, auf der die Wäsche im Wind flattert. Wie toll die Anwohner selbst das finden, dass täglich tausende Fremde ihren Alltag begaffen können, sei mal dahin gestellt. Am Ende gönnen wir uns noch ein Erfrischungsgetränk in einem Café auf der Mauer und wagen es den Kellner zu fragen, ob dies ein ganz normaler Tag in Dubrovnik sei. Ja schon, sagt er nur schulterzuckend, heute wären aber ja nur zwei Schiffe da. Im Sommer wären es manchmal bis zu fünf. Gegen 17 Uhr reicht es uns auch wenn jetzt die Sonne etwas raus kommt und es vermutlich langsam leerer würde in der Stadt. Alle sagen dir ja, dass man Orte wie diesen abends besuchen soll, wenn die Tagetouristen weg sind. Aber erstens soll es heute Abend wieder in Strömen regnen, und zweitens ist das mit einem Kleinkind, das sich den ganzen Tag an der frischen Luft ausgepowert hat, halt auch nicht so ein riesen Spaß für alle Beteiligten. Wir haben aber auch genug gesehen und verbringen den Abend (natürlich regnet es wie vorhergesagt) lieber gemütlich im Camper.

Am nächsten Tag starten wir – wie soll es anders sein bei strömendem Regen- nach Montenegro. Unsere ursprüngliche Planung, von Sarajevo über die Grenzen in die Berge und den wunderschönen Durmitor-Nationalpark und dann von dort nach Kotor an die Küste Montenegros und nach Dubrovnik zu fahren hatten wir vor ein paar Tagen verworfen, da das Wetter dort so kalt und regnerisch gemeldet war, dass wir jegliche Lust verloren hatten, uns draußen in einem Hochgebirge aufzuhalten. Aber so ganz kann ich doch nicht darauf verzichten, denn Montenegro mit seiner wilden und unberührten Natur und der spektakulären Tara-Schlucht war mein heimlicher Favorit der Reise gewesen. Also dann wenigstens Kotor und der Fjord, auch wenn es dort ebenso regnerisch wie hier sein soll. Die Küstenstraße von Dubrovnik in Richtung Süden ist wunderschön und da man ständig eine Ortschaft durchquert, kann man eh nicht so schnell fahren und auch der Fahrer kann die Aussicht genießen. Hoch oben über dem Meer fährt man entlang der kurvenreichen Steilküste mit Blick auf kleine Inseln und an den Hang geschmiegte Siedlungen. An der leider ziemlich mies organisierten kroatisch-montenegrinischen Grenze müssen wir zum ersten Mal unsere grüne Versicherungskarte und den Fahrzeugschein vorlegen und Marlene bekommt tatsächlich endlich den ersten Stempel in ihren Kinderreisepass. Weder in Kanada noch zuletzt in Bosnien gab es einen, was ich fast ein bisschen enttäuschend fand, denn ich bin ja spätestens seit meiner Pilgerwanderung in Japan ein passionierter Stempelsammler. Dann geht es nochmal eine Stunde an der wunderschönen Bucht von Kotor entlang in die kleine Stadt Kotor. Trotz Regen eine schöne Fahrt, bei der sich die Straße fast durchgehend direkt am Wasser entlang schlängelt. Als wir uns dem Ort Kotor nähern sehen wir sie aber schon von weitem in der Bucht liegen: zwei riesige Kreuzfahrtschiffe. Und nachdem wir dann nach einer halben Stunde im Verkehrschaos endlich einen (dank vorheriger Recherche wenigstens kostenlosen und zentrumsnahen) Parkplatz gefunden haben, machen wir uns mit knurrendem Magen auf in die Stadt. Ein grober Fehler denn alle kleinen Lokale auf dem Weg in die Altstadt, die uns zugesagt hätten, sind rappelvoll und so landen wir auf einmal schon mitten im Getümmel innerhalb der Stadtmauern und da es dann auch mal wieder anfängt zu regnen im erstbesten Restaurant. Und natürlich ist es eine ziemliche Touristenfalle. Hohe Preise bei relativ mittelmäßigem Essen und katastrophalem Service. Die Pizza, die Dennis und Marlene essen ist noch in Ordnung aber ich bestelle ein schwarzes Risotto, das eine Spezialität der Region sein soll und bin ziemlich enttäuscht. Der Reis ist viel zu hart und das Risotto schmeckt nach überhaupt gar nichts. Als der Kellner dann noch fragt, ob mir etwas fehlt und ich zum Beispiel gerne „Essig und Öl“ zu meinem Risotto möchte hätte ich am liebsten gesagt, dass „ALLES“ an diesem Gericht fehlt und „NEIN“. Immerhin bringt er dann etwas Zitrone aber eine Offenbarung wird das Essen dadurch auch nicht. Schon während wir sitzen sehen wir etliche Reisegruppen, zu unterscheiden nur an den andersfarbigen Regenschirmen oder anders nummerierten Kellen, die der jeweilige Guide in die Luft hält, durch die Altstadt marschieren. Leider ist Kotor nochmal ein ganzes Stück kleiner als Dubrovnik und so stapft man sich hier in der historischen Altstadt, die ebenfalls noch von einer komplett intakten Stadtmauer
Kotor (11)Kotor (11)Kotor (11)

St.-Lukas-Kirche
eingefasst ist, fast noch mehr auf den Füßen herum. Aber man kann es nicht leugnen, selbst bei Regen ist es hier wunderschön. Die verwinkelten mittelalterlichen Gassen und Plätze mit kleinen und größeren teils jahrhundertealten Kirchen sind zwar auch schon mit Coffeeshops, Souvenirläden und Eisdielen besetzt aber irgendwie kommt es mir trotzdem (noch?) nicht ganz so kommerzialisiert vor, wie in Dubrovnik. Das einem andauernd jemand vor die Füße und ins Bild läuft, damit hatten wir ja schon gerechnet. Die Stadtmauer, die sich hier ebenfalls (und für den Preis von lediglich zwei Euro) besteigen lässt, schraubt sich spektakulär 4 km lang den unwegsamen und wahnsinnig steilen Hausberg Pestingrad hinauf und wäre mit Sicherheit ein Ort gewesen, um vor den Massen zu flüchten und ohne ein 11-kg-schweres Kind in der Kraxe und bei besserem Wetter hätten wir diese Herausforderung mit Sicherheit angenommen aber so lassen wir das aus, auch wenn es schwerfällt. Als wir nach etwa drei Stunden wieder an unser Auto kommen regnet es sich gerade wieder ein und dichter Nebel zieht über die Bucht. Wir sind mehr als gefrustet, da wir auf dem Rückweg eigentlich noch ein paar kleine, weniger rummelige Orte an der Bucht besuchen wollten. Nachdem Marlene allerdings kurz nach Fahrtbeginn auch noch tief und fest einschläft beschließen wir durchzufahren so weit wir kommen und den Rest von Montenegro nochmal auf die „Liste für irgendwann“ zu schreiben. Um uns den Krampf mit den etlichen Grenzübergängen und den dichten Verkehr auf der Küstenstraße über Dubrovniok auf unserem Heimweg zu sparen, fahren wir durch die Berge und noch einmal durch Bosnien, auch, da wir Land und Leute wirklich sehr lieb gewonnen haben auf dieser Reise. Zunächst schraubt sich die Straße dabei von der Küstenstraße am Fjord von Kotor hoch auf ein wunderschönes karges Hochplateau auf dem es sich völlig entspannt und beinahe ohne Verkehr fahren lässt. Es klart hier oben auch etwas auf und so sehen wir wenigstens noch ein bisschen vom montenegrinischen Hinterland, das so ganz anders ist als die Adriaküste. Die Bosnische Grenze ist nicht viel mehr als ein Vordach mitten im Nirgendwo, unter dem ein paar Beamte stehen aber dennoch wird hier eine umfassendere Einreise-Prozedur vollzogen als „unten“ im Flachland. Der nette Beamte weist uns unter anderem darauf hin, dass es in Bosnien verboten ist, dass Marlene in ihrem Kindersitz vorne sitzt und dass das 200 Euro Strafe kostet. Wir sind ziemlich verwundert, reisen wir in diesem Urlaubja
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Uhrturm
schließlich schon zum dritten Mal nach Bosnien ein, und Marlene saß immer vorne, da sich das in Verbindung mit den Zauber-Globuli als beste Prävention gegen die Kotzerei beim Autofahren herausgestellt hat. Wir versichern dem Beamten, dass wir bei nächster Haltegelegenheit, das Kind nach hinten setzen werden, sind uns aber nur wenige hundert Meter nach der Grenze einig, dass wir das auf keinen Fall tun werden und lieber 200 Euro zahlen werden als unser seit Tag 2 der Reise kotzfreies Kind wieder nach hinten zu setzen. Zumal wir schon etliche bosnische Verkehrskontrollen und Polizeiautos passiert haben, ohne dass wir wegen des Kindersitzes behelligt wurden. Und tatsächlich steht schon im nächsten Ort wieder eine Polizeistreife mit Laserpistole am Wegesrand und interessiert sich kein bisschen für unser vorne sitzendes Kind. Leider sind mit dem Grenzübertritt die Straßen auch wieder schlechter geworden aber die Umgebung bleibt wunderschön. Nur dass wir jetzt statt durch montenegrinisches Karstgebirge eben wieder durch Bosnisches kurven. Inzwischen sind wir fast vier Stunden unterwegs und es wird langsam dunkel, sodass wir uns mal nach einem Autokamp umsehen sollten, allerdings sind wir nicht gerade in dicht besiedeltem Gebiet geschweige denn in einem Gebiet mit touristischer Infrastruktur. Aber unsere Navigationsapp zeigt uns tatsächlich
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die atemberaubende Stadtmauer von Kotor (die wir nicht erklommen haben)
in 45 Kilometern Entfernung ein Restaurant an, das sich bei näherer Betrachtung als Road-Stop mit Autokamp entpuppt. Auch hier stehen wir wieder auf einer Wiese mitten am Fluss zwischen Gemüsebeeten und mit Blick in die wunderschönen (wenn auch regenwolkenverhangenen) Berge. Am nächsten Morgen gehen wir noch einkaufen und füllen den Tank mit günstigem bosnischem Benzin auf und dann geht es zurück nach Kroatien an die Küste und hoffentlich in die Sonne. In Split sollen es derzeit 20 Grad und Sonnenschein sein-aber unsere Wetter-App hat uns ja in diesem Urlaub schon ein paar Mal reingelegt…


Additional photos below
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Dubrovnik (42)Dubrovnik (42)
Dubrovnik (42)

Die Festung Lovrijenac vor den Toren der Altstadt
Dubrovnik (45)Dubrovnik (45)
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Rektorenpalast
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St.-Tryphon-Kathedrale
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St.-Lukas-Kirche


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