Die Fähre


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Africa » Tunisia » Tunis
April 5th 2013
Published: April 10th 2013
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Tunis



Der check-in platzt aus allen Nähten

Die Fähre



Es ist uns noch nicht ganz klar, wie wir alle Eindrücke von unserer Überfahrt in so einen „kleinen“ Blogeintrag einschmelzen könnten. Aber mal sehen...
Der Start war jedenfalls schon mit ein paar Hindernissen versehen. Das größte davon konnten wir spätestens am Morgen auch vor uns selbst nicht mehr verheimlichen: Wir wissen nicht wo unsere Fähre abfährt und wir wissen nicht, ob wir überhaupt gültige Tickets besitzen (nur Internetausdrucke). Auf diesen Ausdrucken stand lediglich, dass wir uns um 10 Uhr an einem Terminal 4 am Fähr- und Frachthafen La Joliette im Norden der Stadt einfinden sollten. Da auf keiner unserer Karten ein Terminal 4 verzeichnet war, rekonstruierten wir den Zielpunkt grob aus der immerhin angehängten Beschreibung für Autofahrer. Und so fuhren wir mit der Metro bis Bougainville (wie die Pflanze), erfuhren dort, dass wir zwei Stationen früher hätten aussteigen sollen, um dann mit dem Bus Nr. 35 weiter zu fahren, taten genau dies, verpassten den Bus Nr. 35, warteten auf den nächsten Bus Nr. 35, beobachteten geduldig wie der Motor jenes Busses für rund 10 Minuten nicht mehr ansprang und fuhren dann letztlich doch in Richtung Fähre. Oder nicht? Wir waren offensichtlich die einzigen Touristen im relativ leeren Bus.

Auf in den Schlund!
Die Zeit zum Check in war sowieso auch schon wieder überschritten. Und wir wussten eigentlich immer noch nicht, wo wir überhaupt genau hin müssen. Passend dazu zogen auch noch dunkle Wolken auf...


Der gute Matrose



Als wir den Bus verlassen hatten und über die nicht für Fußgänger gemachte Auto- und LKW-Zufahrt in Richtung Hafen trotteten, sprach uns ein hoch gewachsener Tunesier mit feinen und doch faltigen Zügen und nur mäßig gegelten, halblangen Locken an. Es stellte sich heraus, dass er auf unserer Fähre arbeitet und bestätigte, dass wir auf dem richtigen Weg waren. Und tatsächlich- schon konnte man hinter den Hafenbaracken den knallroten Schornstein erkennen! Der Matrose wies uns den Weg zum Eingang für Fußgänger und verschwand wieder. In der „Wartehalle“ (eine völlig leere Hafenbaracke mit 4 Sitzbänken) saßen gerade mal 3 andere Menschen, und eine Uniformierte an einer Absperrung informierte uns, dass es noch ein paar Minuten dauern wird.
Wie sich dann heraus stellte, warteten die Offiziellen am Einlass noch auf den Spezialbus für Fußgänger, mit dem auch wir von Anfang an hätten fahren können, wenn wir davon gewusst hätten. Der Bus hielt wenig später direkt am Eingang, spuckte aber auch nur rund 30 Personen aus.

Au revoir Marseille!
Mit diesen kamen wir auch mit unseren Ausdrucken durch die Kontrollen und liefen dann aus Mangel an anderen Boarding-Möglichkeiten einfach mit den Autos in den Frachtbereich der Fähre. Spätestens dort wird einem auch klar, welche Hauptzielgruppe lieber 21 Stunden mit der Fähre als ein paar Minuten mit dem Flugzeug reist: Tunesier mit Autos, die ein bisschen so aussehen wie Pilze mit einem riesigen Schirm aus zusammengeschnürten Gepäck auf vier winzigen Rädern irgendwo unten.
Bei dem Versuch, unsere Fauteuils comfort supérieur zu finden, konnten wir gleich die innere Weite und Leere der Fähre abschreiten. 11 Stockwerke, hunderte Kabinchen, mit Flauschteppich ausgekleidete Gänge, die rechtwinklig auf andere Gänge stoßen (obwohl das Schiff ja eigentlich länglich sein sollte), mehrere Cafes und Restaurants, die alle irgendwie gleich aussehen, ein „Night Club“, eine Moschee, ein Shopping Center, ein überschaubarer Außenbereich am Heck mit abgelassenem Pool und schließlich, auf Deck 7, ein großer Raum mit mehreren hundert Sitzplätzen (von denen letztlich nur ca. 40 besetzt waren). Unsere Heimstatt für die nächsten 21 Stunden war an Gemütlichkeit etwa vergleichbar mit einem Kino mit verstellbaren Rückenlehnen, auch da im Raum insgesamt 8 riesige Flachbildschirme und zahlreiche Boxen verteilt waren, die tatsächlich während der gesamten Fahrt auf hoher Lautstärke

Hoffentlich bleibt das Essen drin...
liefen. Unsere tunesischen Zimmergenossen, fast ausschließlich Männer mittleren Alters, legten sich zumeist gleich mit Decken und Laken am Boden schlafen und standen nur zum Essen auf. In kürzester Zeit war die Luft von Schnarchen und würzig intensivem Fußgeruch erfüllt. Grund genug für uns, unsere Sachen schnellstens in zwei Schließfächern zu verstauen und an Deck zu flüchten.


Durch das Auge



Recht bald nachdem wir theatralisch abgelegt hatten, wurde leider das Oberdeck gesperrt. Tatsächlich wurde die See immer rauer und der stark auffrischende Wind machte zusammen mit dem einsetzenden Regen jeden Schritt in die Nähe der Reling zu einem Roulette zwischen Oberschenkelhalsbruch und Mann über Bord. So trieben wir uns den Rest des Tages in den verschiedenen Räumlichkeiten unseres stählernen Walfischs herum und versuchten nach Kräften, den Fußgeruchsaal zu meiden. Die erste Tunesische Mahlzeit im Selbstbedienungsrestaurant entpuppte sich bereits als vorgeschobene Verdauungsprüfung. Nicht wegen der Bekömmlichkeit, sondern wegen des immer stärker werdenden Seegangs, der unter den Passagieren bereits erste schwitzende und am Boden kauernde Opfer forderte. Vor den Augen von völligen Landkrabben wie uns, rollten „riesige“ Wellen mal um mal auf das Schiff zu. Bei den noch riesigeren ging jedes mal ein Knallen und Wackeln durch die Fähre und

Fauteuils confort supérieur und unter einem Laken schlafende Tunesier
das aufgepeitschte Meer spritzte bis an unser Fenster auf dem siebten Deck. Auf den erwähnten Flachbildschirmen konnten wir verfolgen, wie wir genau durch einen nach Südeuropa hetzenden Tiefdruckwirbel kreuzten. Immerhin legte der Zyklon zum Abendessen eine Pause ein.
Da wir sicherheitshalber Halbpension gebucht hatten, durften wir uns jetzt keinen Couscous im Selbstbedienungsrestaurant holen, sondern mussten ein mehrgängiges Menü über unsere flauen Mägen ergehen lassen. Die drei älteren männlichen Südfranzosen an unserem Tisch konnten uns mit ihrem neokolonialen Charme, plattesten Witzen und den Geschichten aus ihrer Armeezeit in Deutschland leider auch nicht erheitern.


Der schlechte Matrose



Zurück im Schlafraum mussten wir uns nun der Wahrheit stellen: Hier werden wir schlafen. An Fußgeruch und Schnarchen hatten wir uns zwar bald gewöhnt, aber die brüllenden Fernseher und die zum Schlafen letztlich doch nicht so geeigneten Fauteuils hielten uns noch eine ganze Weile vom Schlafen ab. Zudem mussten wir uns der ersten unlauteren Annäherung verwehren. Ausgerechnet einer der Matrosen (nicht der gute, der sich auch an Bord um uns gekümmert hat) wollte uns nach einem ausnehmend freundlichen Gespräch seine in Frankreich gekaufte Nespresso-Maschine mitsamt Jahresvorrat an Kaffeekapseln aufschwatzen, auf dass wir sie für ihn durch den Zoll schmuggeln mögen. Dabei ist

Tunis La Goulette
das doch Reiseregel Nr. 1 (es nicht zu tun)! Sein Tip, wir sollten doch sagen, dass wir auch auf Reisen nicht auf unseren Nespresso verzichten wollten, erschien uns nicht plausibel genug; zumal wir offensichtlich als Backpacker unterwegs sind... Immerhin beendete er unkompliziert jeden Kontakt, nachdem wir abgelehnt hatten.


Land in Sicht



Nach einer kurzen Nacht, während der der Seegang wieder heftiger wurde und unsere Wachträume immer stärker mit dem Fernsehprogramm verschmolzen, wurden wir mit mehreren guten Nachrichten geweckt. Die Sonne geht auf (Blick aus dem Fenster), Allah hält seine schützende Hand über Tunesien (Nationalhymne und Gebetssendung im TV) und Land ist in Sicht (Blick aus dem anderen Fenster). Auch beim Frühstück bereuten wir die Halbpension, da es im Restaurant für Normalsterbliche sogar eine größere Auswahl gab und die Plätze gemütlicher waren. Nächstes Mal wissen wir´s. Viel Zeit blieb aber ohnehin nicht mehr, denn jetzt galt es schnell wieder an Deck zu klettern und bei immerhin noch sehr starkem Wind die Einfahrt in die Bucht von Tunis zu genießen. Grandios!

Julika und Viktor

PS: Fotos gibts spaeter... uploadprobleme


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Land in Sicht!


Die Badelandschaft am Heck



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