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Published: September 28th 2009
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Die Chinesen sagen, wer einmal den Huang Shan gesehen hat, der möchte keinen anderen Berg mehr sehen. Bisher dachte ich, das beziehe sich auf die unbeschreibliche Schönheit des Gelben Berges. Mittlerweile war ich mir aber sicher, dass jeder, der einmal die zahllosen Steinstufen bis zu der 1600-1800m hohen Gipfelregion hinter sich gebracht hat, keine Lust verspürt, jemals wieder auch nur den niedrigsten Stadthügel zu erklimmen.
Morgens nach dem Frühstück fuhr mich Hr. Hu zu den Neun-Drachen-Wasserfällen, die ein wenig unterhalb des Haupeingangs zum Huang Shan liegen. Auf diese Weise würde sich zwar der Aufstieg um weitere zwei Stunden verlängern, aber wenn schon, wollte ich es richig machen. Dieser Abschnitt führt an einem Wildbach entlang zu einem großen Wasserfall. Im oberen Stück ist es schon ziemlich steil und ich war einer der wenigen, die den Aufstieg auf sich nahmen, anstelle am oberen Ende der Straße einfach nur hinunter zu gehen. Ich war schon ziemlich verschwitzt, als ich oben am Haupteingang ankam, wo es dann etwas voller wurde. Viele Touristen fahren mit dem Bus direkt zum Haupteingang und hier war es dann auch, wo wieder die zahllosen chinesischen Gruppen zu sehen waren, die alle von einer Frau mit farbigem Fähnchen und Megaphon
angeführt wurden.
Ich steuerte auf den Haupteingang zu, bestätigte mehrfach die Frage der Ticketverkäuferin, ob ich wirklich zu Fuß den Berg besteigen wolle, anstatt die bequeme Seilbahn zu verwenden und machte mich nach dem Bezahlen von ca. 23 € (!) Eintritt an den Aufstieg. Da die meisten Chinesen die Seilbahn nahmen, war es zunächst wieder eher einsam. Tatsächlich kamen mir zwar viele entgegen, aber die einzigen anderen, die ich unterwegs ebenfalls habe aufsteigen sehen, waren drei westliche Touristen. Und natürlich die unzähligen Träger, die ich immer wieder passierte.
Die kleinen, aber muskulösen Männer trugen unterstützt durch einen breiten Wanderstab quer über ihren Schultern eine hölzerne Trage, an deren beiden Enden schwere Kisten mit sämtlichen Waren hingen, die auf dem Berg so benötigt wurden, von einfacher Nahrung, wie Obst, Gemüse und Wasser bis zur Hoteleinrichtung wie Fernsehapparaten, eine Last, die die meisten Normalbürger nicht einmal in der Ebene, geschweige denn auf einen 1800m hohen Berg tragen könnten. Die Männer blieben zwischendurch immer wieder stehen, um sich kurz mit einem Handtuch den Schweiß vom Körper zu wischen und die Touristen durch zu lassen. Gegen Ende des Aufstiegs war ich kaum schneller als die Träger.
Als ich endlich das obere
Ende der Seilbahn erreichte, musste ich feststellen, dass es immer noch weiter bergauf ging. Irgendwann teilte sich der Weg und ich wusste nicht, in welcher Richtung mein Hotel, das Beihai, lag. Unsicher stand ich vor dem Wegweiser, der einmal in Richtung North Sea und einmal in Richtung Bright Summit zeigte. Ich wollte schon zum Bright Summit gehen, da mir ein heller Gipfel mehr zusagte als ein Nordmeer, da erinnerte ich mich daran, dass Beijing "Nördliche Hauptstadt" bedeutet. Wenn also "Bei" "Norden" bedeutet, war es nicht unwahrscheinlich, dass "Hai" "das Meer" ist. Logisch, schließlich kommen Haie ja auch überwiegend im Meer vor.
Als ich am "Nordmeer", einer kesselartigen Senke zwischen den Gipfeln ankam, gab es endlich auch Wegweiser zum Beihai-Hotel. Es ging nun wieder einen längeren Abschnitt nach unten. Schließlich kam ich an ein Schild, an dem "Hotel Beihai" stand, darunter vier Sterne. Misstrauisch sah ich um die Ecke und erblickte einen verlassenen Eingang an einem schäbigen Gebäude, der direkt in die Gänge mit den Zimmern zu führen schien. Personal oder gar eine Rezeption waren nirgends zu sehen. Dies sollte ein Vier-Sterne-Hotel sein? Als ich jedoch um das Haus herum ging, stellte ich fest, dass es sich bei dem schäbigen
Gebäude lediglich um einen einzelnen Außenflügel handelte, der wohl dem Personal vorbestimmt war. Am Haupteingang ergab sich ein ganz anderes Bild. Ein großügiger Eingangsbereich, der links und rechts von steinernen Löwen und lebendigem Personal bewacht wurde, einem freundlich lächelndem Pagen, der mir die Tür aufhielt, während ich auf dem roten Teppich das Hotel betrat und einer großzügig gestalteten Lobby. Meine vom schweren Aufstieg verschwitzte und etwas unordentliche Gestalt schien nicht zu stören. Ich ging auf den gut besetzten breiten Rezeptionstisch zu und reichte dem englisch sprechendem Portier die Quittung von Herrn Hu.
Man konnte gar nicht so schnell sehen, wie ihm die Gesichtszüge entgleisten. Unwirrsch wies er den bereit stehenden Pagen an, mich zu den Schlafsälen zu bringen. Gehorsamst führte dieser mich direkt in den schäbigen Außenflügel zurück, der eigentlich dem Personal vorbehalten war. Dort war ein extra Rezeptionstisch eingerichtet, der wesentlich kleiner und schlechter besetzt war und deren Angestellte praktisch kein Englisch sprachen. Ich wurde in einen Gang mit verschiedenen 12-Bett-Schlafzimmern gebracht, die lediglich durch dünne Schiebewände getrennt waren. Immerhin hatte ich einen Schlafsaal für mich alleine. Vermutlich wollte man es niemandem zumuten, mit dem schmutzigen und unrasierten Ausländer in einem Rum zu übernachten.
Nachdem ich mich
einigermaßen eingerichtet und meines Gepäcks entledigt hatte, hatte ich endlich Zeit die atemberaubende Gipfelregion zu genießen. Der Anblick der fantastischen Felsformationen, der bizarr wachsenden Pinien und der geisterhaften Wolken, die durch die Schluchten treiben, ist jede Anstrengung wert. Ich schlenderte noch etwas durch die Gipfelregion bis die Sonne unterging. Abends setzte ich mich in den Ballsaal, in dem die Angestellten ihren Feierabend verbrachten. Dort übte ein kleiner Angestelltenchor ungefähr eine Stunde lang die chinesische Nationalhymne. Das war durchaus beeindruckend.
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Clairchen
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Schön :wub: Und die Wasserfälle erst :wub: