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Max blickt erneut auf die bedrohlich tief nach unten zeigende Tanknadel. Das daneben aufleuchtende Warnsymbol ignorierte er wie immer. Er wusste, daß der Tankinhalt nicht ausreichen würde, aber immerhin hatte er noch einen vollen Benzinkanister und die nächste Tankstelle war nicht mehr weit entfernt. Lediglich hundert Kilometer Kilometer noch bis zur nächsten Tankstelle in Yulara nahe Ayers Rock. Er lachte leise auf. “Hundert Kilometer als nahe zu bezeichnen ist typisch australisch.”, dachte er. Die tiefstehende Sonne ließ den bis an den Horizont reichenden Wüstensand in einem noch intensiveren Rot als sonst erscheinen. Es war schon spät am Tag und vom Asphaltband des Lasseter Highway, auf das die unbefestigte Piste, die er entlang fuhr, demnächst einmünden sollte, war noch nichts zu sehen. Max sah weiter vorne eine Ansammlung dürrer Bäume und beschloss dort sein Lager aufzuschlagen. Er steuerte seinen schwarzen Ford Falcon zwischen die weit auseinander stehenden Stämme und hielt an. Als Vorboten der nahen Landstraße erspähte er die rostigen Überreste eines ausgeschlachteten Sedans im spärlichen Schatten. Routiniert machte er sich an die Arbeit. Zuerst stellte er sein Zelt auf. Er achtete darauf, daß der Eingang auf der dem Wind abgewandten Seite lag und befestigte die Zeltspitze mit einer Spannleine an einem
in Windrichtung liegenden Baum. Anschließend holte er seinen Klappspaten aus dem Kofferraum und hob an einer ausreichend von den Bäumen entfernt liegenden Stelle eine Feuergrube aus. In weitem Abstand zum Lager grub er eine weiteres Loch, das als Buschlatrine dienen sollte. Einer Eingebung folgend dekorierte er diese mit einer der neben dem Autowrack liegenden Seitentüren. Als nächstes errichtete er eine provisorische Dusche. Dafür hängte er einen großen schwarzem Plastikbeutel an einen der Bäume und steckte an ein unten liegendes Ventil einen kurzen Schlauch mit Brausekopf. Den Beutel hatte er an einem Wasserloch gefüllt und den ganzen Tag am Armaturenbrett liegen lassen, so daß die Sonne ihn erhitzen konnte. Er konnte fühlen, daß das Wasser an diesem Tag sogar fast zu heiß geworden war, und er wohl erst später am Abend eine warme Dusche geniessen können würde. Zum Schluss stellte er zwischen Auto und Feuerstelle noch einen Klapptisch und Campingsessel auf, stellte seinen Gaskocher daneben und betrachtete zufrieden das wohnlich wirkende Lager. Er befüllte den Tank seines Autos mit dem Inhalt des letzten Benzinkanisters und überprüfte danach aus reiner Routine, wie viel Trinkwasser er noch hatte. Im verbleibenden Sonnenlicht sammelte er am Boden liegende Äste, brach sie in kurze Stücke und
schlichtete sie neben der Feuerstelle auf. Mit einer kleinen Handaxt spaltete er noch einige der größeren Äste, errichtete eine Art Miniaturscheiterhaufen und entfachte das Lagerfeuer. In einer Pfanne bereitete er aus Zwiebeln, Rindfleisch, einer Dose Champignons in Butter und etwas Worchestersauce eine Art simplifiziertes Boef Stroganoff zu. Während er voller Vorfreude und einsetzenden Heißhunger den sich ausbreitenden Duft schnupperte, dachte er grinsend “Ja, das Leben in der Wüste ist hart und voller Entbehrungen.”
Inzwischen war die Nacht eingebrochen. Der Vollmond tauchte die Wüste außerhalb des Feuerscheins in silbriges Licht. Wie ein riesiges Leichentuch breitete sie sich in alle Richtungen aus, bereit unvorsichtige Reisende für immer zu bedecken. Als würde das Land auf diesen Gedanken reagieren, frischte der Wind auf und ließ die Nachtluft noch kälter erscheinen. Max rückte näher ans Feuer, dessen Schein eine Oase des Lichts und der Wärme bildete, um den Gedanken zu vertreiben. Ein Dingo heulte in der Ferne den Mond an, ein weiterer stimmte etwas näher mit ein. Eine unendliche Sehnsucht lag in diesem nächtlichen Heulkonzert. Während Max darüber sann, wonach sich Dingos wohl sehnen mögen, erklang ein weiteres Jaulen, diesmal in unmittelbarer Nähe. Langsam stand Max auf, während er angespannt in die Nacht hinaus
spähte und lauschte. Er meinte den gedämpften Tritt von Pfoten und leises Hecheln zu hören. Seine rechte Hand wanderte zum Griff des Spatens, der neben der Feuerstelle im Sand steckte und umschloss ihn fest. Mit der anderen holte er einen nur am Ende brennenden Ast aus dem Feuer und hielt ihn wie eine Fackel hoch. Undefinierbare Schemen schienen sich zwischen den Bäumen im Zickzack auf sein Lager zuzubewegen. Ein Augenpaar leuchtete gelb im Dunklen auf und beseitigte jeden Zweifel. Ein Dingo hatte sich besonders weit vorgewagt. Max sah nun, da er das Feuer im Rücken hatte und es ihn nicht mehr blendete, die Umrisse des Wildhundes. Er stand völlig reglos, keine zehn Meter von ihm entfernt, mit aufgerichteten Ohren da. Max holte aus und schleuderte den brennenden Ast nach dem Dingo. Gleichzeitig brüllte er ein grollendes “Kusch!”. Er wusste nicht, ob er getroffen hatte, aber der gewünschte Effekt schien erreicht. Der Dingo jaulte auf und war im nächsten Moment im Dunkel der Nacht verschwunden. Kurz konnte Max noch die Geräusche der weglaufenden Hunde hören, dann war die Wüste wieder still und leer. Er blieb noch kurz wachsam stehen, bevor er sich wieder setzte und langsam wieder zu essen begann. “Ja,
das Leben in der Wüste ist hart. Und wenn es hart auf hart kommt, bist du auf dich allein gestellt.”
Diese Geschichte erzählt, wie ich den Abend vom 18. Mai 2016 im Red Centre “nahe” Ayers Rock verbracht habe. Auch diese Geschichte hat wieder fiktive Elemente. Ich fahre nicht den schwarzen Ford Falcon aus Mad Max. Keine Spur vom letzten V8. Das einzige, das bei meinem Fahrzeug an V und 8 erinnert, sind die Stoßstange und der rechte Hinterreifen.
Hiermit beende ich meine Mad-Max-Reihe. Ich hoffe, diese fast wahrheitsgetreuen Kurzgeschichten konnten euch einen Einblick in mein Leben in Australien geben. Und ich hoffe mein Alter Ego Max konnte verdeutlichen, wie sehr meine Reise auf Australiens Strassen zeitweise einem Abenteuerroman geglichen hat. Zeitweise - denn des öfteren hat sie auch einfach nur aus endlos langen Autofahrten bestanden, bei denen sich die Landschaft einfach nicht ändern wollte. Nicht jedermanns Vorstellung von Spaß, für mich jedoch zum Glück schon - hat es doch wesentlich zur Stimmung meines Roadmovies durchs wilde Australien beigetragen.
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