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Vieles in Australien erschien mir fremdartig und steinalt. Die urtümlichen Landschaften erweckten den Eindruck das Vermächtnis einer längst vergangenen Welt zu sein. Die eigentümliche und oft einzigartige Tier- und Pflanzenwelt verstärkte diesen Eindruck noch weiter. Die allgegenwärtigen Spuren eines bis heute existenten Steinzeitvolks vervollständigte das Bild. Lediglich die urbanen Ballungsräume an den Küsten bildeten Enklaven der Zivilisation. Diese Städte zu verlassen und mich ins wilde Hinterland aufzumachen, war für mich jedes Mal wie eine Zeitreise in ein Land vor unserer Zeit.
“There is nothing out there!” war die gängige Meinung australischer Städter zum Hinterland, auch bekannt als Outback. In gewisser Weise stimmte das, denn die Landschaft konnte sich bereits nach nur einer Autostunde Entfernung von den idyllischen Stränden und üppigen Regenwäldern in endlose gelbbraune Savanne (auch bekannt als Busch) verwandeln. Im Zentrum wich dieser einer Wüstenlandschaft, deren roter Sand für mich für immer typisch australisch bleiben wird. Auf Spuren von Zivilisation stieß ich im Outback nur gelegentlich. Einige Strassen und Landepisten, die meisten davon unbefestigt, riesige Rinderfarmen und gelegentlich kleine Siedlungen oder Raststätten. Leer war das Land denoch nicht. Überall gab es halbversteckte grüne Oasen nahe Billabongs (Wasserlöcher) und in tiefen Felsschluchten zu entdecken, weniger versteckte, aber spektakuläre, Felsformationen (wie
etwa Ayers Rock), verrückte Orte (wie etwa Coober Pedy, eine Wüstensiedlung, in der die Menschen in unterirdischen Häusern wohnen) und auch Höhlenmalereien fand ich oft an den ungewöhnlichsten Orten. Weiters war das Land von einer Unzahl Tieren bevölkert. Abgesehen von den frei umherstreifenden Schaf- und Rinderherden gab es alles, von einheimischen Unikaten bis zu verwilderten Importen. Dies merkte man vor allem nachts, wenn sie alle aktiv wurden, oder am Straßenrand, der überall voller Tierkadaver jeder Größe, von Wallaby bis Kamel, war. Die Frontpartie australischer Fahrzeuge erinnerte daher oft an einem Panzer. Die einleitende Feststellung, dort draußen wäre nichts, stimmt nicht. Treffender müsste es heißen “There is no one out there!”.
“Everything you see in Australia is out to get you!”. Diese alte Weisheit wird jedem Neuankömmling in Down Under mit auf den Weg gegeben. Nicht weil es stimmt (obwohl es tatsächlich haufenweise potentiell gefährliche Tiere gibt), sondern weil es Aussies einen Heidenspass macht Besucher mit ihrer berüchtigten Fauna zu erschrecken. Denn die Tiere und teils auch Pflanzen dieses Kontinents sind zweifelsohne ungewöhnlich und Fremde wissen gelegentlich nicht mal, was für einem Wesen sie da gegenüber stehen - geschweige denn, ob es gefährlich ist. Wo sonst gibt es eierlegende Säugetiere
(nein, ich meine nicht die Wollmilchsau), Laufvögel mit Helmen, in Bäumen lebende Bären und Beuteltiere aller Größen. Wo sonst werfen die Bäume statt der Blätter die Rinde ab und übernimmt Feuer die Rolle des Winters. Dazu gibt es noch eine gesunde Mischung bissiger und/oder giftiger Reptilien und Meeresbewohner, schräger Vögel und überwinternder Wale. All das machte Wanderungen in Australien für mich immer wieder spannend - nicht zuletzt wegen des Nervenkitzels der latenten Gefahr. Auch hier müsste also der einleitende Rat geändert werden. “Get out and see everything in Australia!”
Randnotiz: Wie man die Gefährlichkeit australischer Wildtiere rasch einschätzen kann. Beantworte die folgende Frage mit Ja oder Nein. Ist es ein Leistenkrokodil? Wenn ja: Nichts wie weg! Wenn nein: Mensch, stell dich nicht so an!
50.000 Jahre lang lebten Aborigines bereits in Australien, bevor es vor etwa 250 Jahren von Europäern entdeckt und kolonisiert wurde. Für die Ureinwohner läutete der Landgang der ersten Flotte ein finsteres Zeitalter ein und wird von ihnen als “Invasion Day” bezeichnet. Die Völker, die seit einer halben Ewigkeit im Einklang mit diesem harschen Land gelebt und es gehegt hatten, wurden in der Osthälfte des Landes vertrieben und fast ausgerottet. Lediglich im Westen und Gebieten
wie Arnhemland haben sie sich gehalten. “You wanna stay away from them!” ist die landläufige Meinung, da sie für Diebe, Trunkenbolde und Taugenichtse gehalten werden. Deutlich entspannter sehen dies seltsamerweise Leute, die tatsächlich mit ihnen zusammen leben. Ich kann aus eigener Erfahrung bestätigen, das die Ureinwohner in den Städten ein trauriger Anblick sind. Viele scheinen tatsächlich mit den üblichen Begleiterscheinungen von Elend und Perspektivlosigkeit zu kämpfen und lungern wie verloren in den Straßen herum. Die Aborigines, denen ich auf ihrem eigenen Land (meist selbstverwaltete Nationalparks) begegnete, waren von einem ganz anderen Schlag. Stolz auf ihre eigene Geschichte und Kultur lebten sie erhobenen Hauptes. Welchen Unterschied es doch macht, ob ein Mensch Selbstachtung hat. Und zu achten gibt es an dieser Kultur einiges. Ihre naturverbundene Lebensweise, die nie mehr nimmt, als ihre Umwelt geben kann etwa. Oder der Glaube, das die spirituelle Welt (Traumzeit) und die physische Welt sich gegenseitig beeinflussen und ineinander manifestieren. Nichts ist demnach je verloren oder bedeutungslos. Obiges Statement ist also ebenfalls Humbug. Möglicherweise hatten sie sich seinerzeit von uns (Westlern) fernhalten wollen, sind aber nicht gefragt worden. Der Realität viel näher kommt wohl diese trockene Bemerkung eines Rangers, mit dem ich mich im Uluru Nationalpark unterhalten
habe, zum Thema Zusammenleben und Zusammenarbeit “Sometimes they are capable of such amazing things, at other times you just want to smash your head against a wall in utter frustration. But in the end we work something out. Its just a matter of respect.”.
Australische Städte zählen zu denn lebenswertesten der Welt. Eine Meinung, der ich mich, nach dem ich einige besucht habe, nur anschließen kann. Ich habe tolle Tage in Sydney, Melbourne und Cairns verbracht. Diese modernen, weitläufigen, multikulturellen und ungezwungenen Städte hatten viel kurzweiliges und interessantes zu bieten. Professionelle Graffitis, tolle Musiker und Menschen aus allen Ecken der Welt sorgen für ein buntes Straßenleben. Schräge Museen, liebevoll angelegte Parks und eine Vielzahl an Lokalen warten nur auf Besucher. Die Vielzahl der Länder, aus denen die Aussies ursprünglich kamen, macht sich in all dem in einer grenzenlosen Vielfalt bemerkbar. Dies gilt natürlich auch für andere Orte wie Brisbane, Adelaide und Darwin - leider fehlte mir die Zeit, dort länger zu verweilen. Die meisten Aussies scheinen ebenfalls vom guten Leben in den Städten gehört zu haben, was dazu geführt hat, daß Australien das urbanisierteste Land der Welt ist. Eigentlich suburbanisiert, denn die meisten leben in endlosen Vorstädten. Jeder will
in einem Haus leben und nimmt dafür ewigen Kolonnenverkehr in der täglichen “rush hour” in Kauf. Dem entsprechend wahnwitzig teuer sind die Grundstücke - Preise für Hauskauf von einer halben Million Dollar aufwärts sind dort alltäglich. Die Aussies sind generell sportbegeistert, sowohl aktiv als auch passiv. Am enthusiastischsten sind sie dabei beim Australian Football, kurz “Footy”. Dabei handelt es sich um eine Mischung aus Fußball, Rugby und ärmellosen Trikots. Ich habe mich jedesmal, wenn ich in einem randvollen Pub stand und ebenfalls amüsiert zusah, gefragt, ob es dabei auch nur ansatzweise so etwas wie Regeln oder Taktik gibt. Egal, es war jedesmal ein Heidenspaß - wie so vieles in Australiens Städten.
Sieben Wochen lang hat meine Zeitreise durch Down Under gedauert. Sie war von Anfang bis Ende ein Abenteuer, das ich in vollen Zügen genossen habe und das Lust auf mehr machte. Ich wünschte lediglich, ich hätte mehr Zeit gehabt.
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