Juschnui Uralsk


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November 28th 2005
Published: November 28th 2005
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Ich will euch also mal wieder auf dem laufenden halten. Die Woche ist vorueber und ich kann wieder neues berichten.

Fangen wir mal mit dem Freitag an. Wie ihr sicherlich noch wisst, ich wollte nach Omsk. Liegt in Sibirien. Die Zugstrecke geht durch Kasachstan und 13 Stunden. Die Alternative geht 20 Stunden. Ich habe mich dann letztenendes dagegen entschieden, denn es ist nicht sehr hilfreich wenn ich an einem Wochenende 40 Stunden im Zug sitze und dazu noch allein. Aber ich hatte den Freitag frei bekommen. Nun, den habe ich aber dennoch dann genommen und dachte mir, da fahr ich halt nocheinmal nach Ekaterinburg. Ist ebenfalls nichts geworden. Lag aber nicht an mir. Somit war ich schon ein wenig stinkig, Freitag frei und so viele Plaene und am Ende wieder zuhaus sitzen? Mhm, klingt schon komisch wenn ich das Wort “zuhaus” in Russland verwende, oder?
Es sah auf jeden Fall ganz nach einem Stillen Wochenende aus. Am Samstagmorgen bin ich mit Schenja (meinem Wohnungs- bzw Zimmergenossen am Anfang in diesem gefaehrlichen Vorort…) zu einer Kunstausstellung. Ich hatte wiedermal diesen komischen Gesichtsausdruck als er mich fragte. Hier - Kunst? Nun, da habe ich natuerlich zugesagt. Wir zwei auf Achse, und er hat mir erklaert das solche Ausstellungen hier voellig normal sind. Als er mir noch den Flyer zeigt und ich sah das diese Ausstellung vom Goetheinstitut Moskau gesponsert wird war ich ueberzeugt.
Wir haben das Gebaeude auch relativ schnell gefunden und sind quasi jedes Stockwerk abgegangen. Am Ende standen wir im Keller. Nicht in irgendeinem Keller, in so einem richtig alten Keller, mit tropfenden Rohren an der Decke, schlecht abgeputzten Waenden und einer Gluehbirne welche von der Decke baumelte. Alles nicht so besonders, wenn wir nicht auf der Suche nach eine Austellung ueber neue Videokunst waeren. Besonders erstaunt war ich wie immer von der Zielstrebigkeit welche Schenya and den Tag legte. Ich war eigentlich schon davon ueberzeugt das man hier nichts finden kann, ausser vielleicht Kohlen. Wir beide kamen an eine Eisentuer. Was macht man nun? Klopfen und fragen wo man hier die Kunstaustellung finden kann? Natuerlich! Nach bestimmt 5 minuetigen Klopfen ruehrte sich etwas. Ein Man im Unterhemd und mit zerzaustem Haar oeffnete uns und erklaerte uns das wir hier schon richtig waeren. Nur halt zum falschen Zeitpunkt. Keine Ahnung weshalb. Aber die Kunstaustellung ist hinter der Eisentuer, doch wir duerfen nicht hinein. Weshalb, das war auch fuer Schenya nicht herauszubekommen. Also sind wir etwas essen gegangen. Grundsaetzlich beschaeftigen mich an diesem Ergeignis mehrere Sachen. Zum Beispiel - weshalb will man nicht das diese Kunstaustellung gefunden wird? Liegt es vielleicht daran das ich Deutscher bin und die Kunstaustellung Beutegut enthaelt? Ist nur spass. Doch mal im Ernst, weshalb lebt jemand in diesem Keller?
War auf jeden Fall schon ein Erlebnis. Ich war zufrieden den Tag noch so aufschlussreich beendet zu haben. Aber er war noch lange nicht zu ende.

Als wir dann essen waren, erschien Kostya (Konstantin) und fragte mich ob ich mit zu seinem Heimatdorf fahren will. Er wird seine Eltern besuchen und ich bin eingeladen. Mhm, ich hatte ja quasi sowieso nichts vor. Somit bin ich also nicht in die Millionenmetropolen Omsk oder Ekaterinburg gefahren, sondern in die Stadt: Juschnui Uralsk. Diese Stadt ist erst 40 Jahre alt. Sie besitzt 30000 Einwohner und wurde um ein Stromkraftwerk herum gegruendet bzw gebaut. Mitten in die Wueste. Naja, eigentlich eher mitten in den Wald. Sie besteht aus jeder Menge Blockbauten und einem Zentrum was nicht wirklich eines ist. Ich habe in zwei Stunden eine Stadtbesichtigung bekommen. Davon sassen wir ca. einenthalb Stunden in der Stadtmitte in einem Café. War schon in Ordnung. Richtig klasse war hingegen die Familie. Richtig herzlich. Viel Essen, alles hausgemacht. Super nett gemeint. Auch wenn es manchmal schon ein wenig zu weit ging, besonders Essenstechnisch. Da wurde halt mal schnell Kaviarbrote fertig gemacht. Fuer jeden. Also auch fuer den Deutschen. Mhm, da sitzt man da und rutscht von einer Seite auf die andere. Aber gut, man zwaengt sich das Zeug hinein. Egal wem ich damit auf den Schlipps trete, es ist Zeug! Danach war ich froh und stolz es wieder einmal geschaft zu haben. Man schaut kurz in eine andere Richtung, da hat doch die emsige Mutter schon ein neues Brot mit Kaviar auf den Teller geschoben und schaut Dich mit einem herzlichen Grinsen an. Nun, ich habe natuerlich ersteinmal (grimmig) zurueckgegrinst. Aber gut, bis zum Ende gewartet, alles andere gegessen und danach, als alle anderen schon fertig waren, mich dem zweiten Kaviarbrot gewidmet. Man darf sich nicht wirklich vorstellen was man da ist. Aber mi dem zweiten geht das schon viel einfacher. Danach wieder nett zur der Hausmutter gegrinst und nochmal nett in die Runde den Kaviar gelobt. Lief ungefaehr so ab: Ich, mit spitzen Lippen: Hach, wirklich ausgefallen dieses Essen. Nein, ich kann leider nicht mehr. Nein, wirklich nicht, ist nett gemeint aber ich bin satt. Eiskrem als Nachtisch? Na gut, aber eigentlich bin ich wirklich satt.

War wirklich lustig in diesem Haus. Danach war ich in einer Banya. Dies ist eine russische Sauna. Eigentlich vom Sinn her wie in Deutschland. Nur halt alles ein wenig improvisiert. Und das man hier die Durchblutung ein wenig anders foerdert als in Deutschland. Man benutzt Zweige. Hatte ja schon davon gehoert, doch ein Erlebnis war es auf jeden Fall dennoch. Im nachhinein wird normalerweise einfach die Tuer geoeffnet und man rennt (natuerlich nakt) in den Schnee. Dies blieb mir verwehrt da wir (nicht wie in Deutschland) dieses Jahr den waermsten November seit was weis ich wie vielen Jahren haben. Somit kein Schnee. Aber dennoch Minusgrade. Also unter die kalte Dusche. Ich wurde darauf hingewiesen dass das Wasser hier aus der Wand komme und man schien ziemlich stolz darauf zu sein.
Da steht man da, als Deutscher in Russland, und kommt sich schon ein wenig vor wie Robinson Crusoe bei irgendwelchen Barbaren, wenn man erklaert bekommt das hier schon Wasser aus der Wand kommt. Quasi aus der Leitung.
Im nachhinein habe ich dann herausgefunden das man mir erklaeren wollte das diese Familie ihren eigenen Brunnen hat und ich somit nicht mit Wasser sparen soll. In solchen Momenten freue ich mich immer das ich am vorher nichts gesagt habe.

Weiterhin waren wir am naechsten Morgen Jagen. Mhm, ich als Pazifist und mit meinen Zieltechniken hatte nicht unbedingt vor viel zu erlegen. Wir haben uns aber dann auf jegliche Gegenstaende im Wald geeinigt. Und als Gewehr haben wir (Kostya und Ich) auf mein Verlangen nicht Vaters Flinte, sondern nur ein altes Luftgewehr genommen. Erschien mir schon irgendwie sicherer. Weiterhin haben wir Schach gespielt, Holz gehackt (mit einem angspitzten Hammer!) und eine Fernsehshow gesehen. Heisst KWN. So etwas wie “Wetten dass” hier. Alle schauen das immer und reden nur davon. Ging ewig lang und ich habe die Witze und die Show selbst nach mehrmaliger Erklaerung nicht verstanden.

Dann hat sich letzte Woche noch ein kleinerer Unfall mit meinem Anzug zugetragen. Ich weiss zwar nicht genau wo und wie, jedoch hatte ich einen 10cm langen Schlitz im Ruecken des Anzuges. Ja, was macht man da? Wusste auch nicht wirklich weiter, doch wir haben eine Schneiderin in unserem Geschaeft. Der habe ich meinen Anzug gezeigt und Sie hat sich darum gekuemmert. Hat eine Stunde gedauert und der Schlitz war ausgebessert. Nun sieht man so gut wie nichts mehr. Fuer die Botschaft im Januar wird es zwar nicht mehr ausreichen, doch fuer diese Region hier ist es voellig genuegend. Bin hier eh fast der einzige der einen Anzug traegt.

Ich habe auch schon seit laengerer Zeit versucht Ansichtskarten zu ergattern. Ist nicht moeglich. Mann glaubt es nicht, hier gibt es keine Ansichtskarten. Gestern habe ich eine mehrteilige Bildershow von der Fussgaengerzone gefunden und gleich gekauft. Das war alles bisher. Wie schon mehrfach erwaehnt ist dies hier nicht unbedingt ein Tourismiszentrum und ich wurde mehrmals verstoert angeschaut als ich mich in verschiedenen Laeden danach erkundigt habe. Die Gedanken der Verkaeuferin muessen irgendwie in diese Richtung gegangen sein:

1. Was redet denn der fuer Russisch? Woher kommt der ueberhaupt?
2. Wie englisch, nee kenn ich nicht
3. was will der? Ansichtskarten?
4. ahhh, er ist aus deutschland! Aber was macht er in unserer Stadt?
5. mhm, sei vorsichtig, einfach abwimmeln, bei Auslaendern weis man nie…

Ich habe auch herausgefunden weshalb unsere Wohnung so kalt war. Ein Heizkraftwerk ist explodiert, somit gab es in bestimmten Teilen der Stadt fuer mehrere Wochen keine Waerme. Mittlerweile geht es wieder. Hat mir gestern jemand erklaert. Ist natuerlich bestenfalls eine informierte Meinung/Geruecht, denn offizielle Statements gibt es hier ja eh nicht. Tja, es ist halt Russland, einfach warten, irgendwann klaert sich schon alles auf.

Weiterhin ist der bei uns der Chef entlassen wurden. Und seine Frau ebenfalls. Quasi wurde die Fuehrungsriege ausgewechselt. Nun bin ich organisatorisch direkt unter dem Ober Ober Chef, welcher mich auch damals eingestellt hat. Mhm, klingt schon wieder komisch wenn ich das Wort “damals” verwende, oder? Wie dem auch sei, bei dem habe ich morgen eine Praesentation in der Firma, quasi als Abschluss. Mittwoch dann letzter Arbeitstag, und danach gehe ich nach UFA und Ekaterinburg. Insgesamt 4 Tage. Als Abschluss, denn in der naechsten Woche gibt es noch zwei verschiedene Abschiedsparties, und dann geht es schon wieder auf den Heimweg.

Diese Praesentation muss ich noch uebersetzen lassen, deshalb habe ich nicht so viel zeit, aber dies muss ersteinmal reichen. Vielleicht schick ich unter der Woche nocheinmal einen Bericht nach good old (cold) Germany.

Viele Gruesse

Martin


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28th November 2005

gute heimreise
hi martin, wollten die die letzten tage noch viel glück und spaß wünschen und eine gute heimreise, deine ellis sind z.zt. in indien. saalfelder sind halt ein reisefreudiges völkchen. also, bleib gesund. viele grüsse die 3 scheubos.
28th November 2005

KWN!!!!
Hi Martin, ich habe eine kurze Anmerkung bzw. Erläuterung: "KWN - Klub weselych y nahodtschewyh" ist nicht "Wetten das". Es ist ein Unterhaltungsprogramm in dem unterschiedliche Universitäten-Teams verbal wettstreiten auf vorgegebene Themen (müssen singen, tanzen, witze erzälen oder einfach mal blöde Fragen der anderen Teams sinnvoll beantworten). Das Programm ist echt beliebt, weil dort die letzten politischen Ereignisse mit Witz aufgearbeitet werden (das Programm ist alt-40 Jahre, und war eine Zeit lang zu Sowjetzeiten verboten). Gruesse Jewgenij

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