Klassenfahrt


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November 21st 2005
Published: November 21st 2005
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OHHHHHH MAANNNNNNNNN!

Jetzt ist dieser daemliche PC doch tatsaechlich vor dem Speichern von meinem Bericht abgestuertzt. Wer schon mal 1-2 Seiten durch so einen Mist verloren hat, der kann sich vorstellen wie ich mich jetzt fuehle. AHHHHHHHRRRRRRGGGGGGGHHHH. Ich versuche das also mal zu rekonstruieren…

Cool von euch zu hoeren. Das mit dem Schriftsteller werde ich mir ueberlegen. Nur dumm das meine letzten Dozenten das halt nich so gesehen haben 😊 . Aber ist ja nun Geschichte.

Ich habe also das Wochenende erneut an diesem See verbracht wo schon das andere Seminar war. Wir, das heist also ca. 45 Leute, alles Studenten (ausser mir). Ich war Gast und es wurden verschiedene Dinge diskutiert. Ich durfte auch ein Thema halten. Ich hatte mich nach langer Ueberlegung dazu entschlossen ein wenig zu provozieren. Thema “Korruption in Russland” Eine Stunde. Hat echt spass gemacht und war mal interessant die Meinungen von Einheimischen zu hoeren.
Natuerlich wurde mir erneut die Landschaft gezeigt. Und dieser See ist sowieso einer der saubersten Seen der Welt von Russland. Mhm, war fuer mich natuerlich einleuchtend, obwohl wir keine Zeit hatten die Sache genau auszudiskutieren. Ich bin immerhin Tourist und da freut man sich ueber jegliche Informationen. Das der See besonders sauber sein muss zeigt sich auch daran, dass Trinkwasser ohne grossartige Filteranlagen aus dem See verwand werden kann. Richtig auf fiel mir das schon am Anfang, als ich beim Haendewaschen (im Halbdunkel) bemerkte, dass das Wasser irgendwie eine komische Farbe hatte. Quasi wie Tee. Lag sicherlich an der Beleuchtung…
Ich bin mir zwar nicht genau sicher wo das Abwasser wieder hinfliesst, aber sicherlich in irgendeine Klaeranlage die auf dem neuesten Stand der Technik irgendwo in der Naehe ist (und wahrscheinlich unterirdirsch - weil nirgends zu sehen).
Diesmal waren wir aber nicht in diese Fabrikhalle sondern in eine Jugendherberge. Also nebenan. Dieses Gebaeude hatte Heizung. Somit wurde die Kaelte schon ertraeglicher. Das Essen war reichlich und groesstenteils geniessbar. Zumindest dachte ich das am Anfang. Bis ich (aus Versehen) einmal die falsche Tuer erwischt habe und in einer sehr unwirtlichen Raeumlichkeit stand. Dadurch das ueberall Essensreste herumlagen schloss ich das dies wohl die Kueche sein musste. Der schlechte Eindruck wurde jedoch noch verstaerkt dadurch das die drei Frauen in der Kueche einen ungepflegten Eindruck machten und zwar Kittel anhatten, aber diese Kittel wahrscheinlich seit mehreren Wintern bestenfalls abgeklopft wurden.
Danach ernaehrte ich mich vornehmlich von Brot und Obst. Da das Essen aus mehreren Gaengen bestand so tauschte ich jeden einzelnen Gang gegen einen Apfel oder aehnliches. Mit verschiedenen Personen. Jedesmal wurde ich erneut darauf hingewiesen das der Apfel noch nicht gewaschen sei, ich ihn also erst essen durfte nachdem ich ihn gewaschen hatte. Na toll, mit diesem “Wasser”. War wieder so eine Situation wo man dasitzt und einfach fassungslos dreinschaut. Passiert mir immer noch recht oft, doch ich kann es mittlerweile besser verbergen. Zumindest meistens. Diesmal war ich jedoch so verdattert das es mir nicht gelang. Ich wurde auf meinen verstoerten Gesichtsausdruck angesprochen - Wie, wascht ihr die Aepfel in Deutschland nicht? Nun, da steht man echt ein bissel wie ein Depp da.

Das Seminar ging von Freitag bis Sonntag. Es war fast nur auf Russisch. Bis auf die Themen wo ich involviert war. Die waren auf englisch, denn mein Russisch ist immer noch auf einem sehr niedrigen Niveau. Somit habe ich mich bei verschiedenen Themen ausklinken koennen und hier und da mal eine Stunde Schlaf nachholen koennen. War notwendig denn in den Naechten wurde nicht viel geschlafen, Klassenfahrt eben. Besonders cool ist das niemand um 2300 heim muss und sowieso so viele Leute da waren. Ich glaube einige von uns waren abends ganz schoen lustig. Und natuerlich musste jeder mal mit dem Deutschen auf Bruderschaft trinken. War echt nicht einfach. Aber irgendwie schon cool. Somit hatte ich also viele Freundschaften geschlossen.
Zumindest bis zum naechsten Morgen. Ich war jeden Morgen derjenige welcher alle aufwecken durfte. Faellt richtig schwer um 0800 aufzustehen wenn man um 0600 ins Bett ist. Ihr kennt mich ja, frue aufstehen ist doch eines meiner eher versteckten Talente. Nichtsdestotrotz habe ich mich freiwillig gemeldet das zu uebernehmen. Es ist schon ein Erlebnis wenn man die offizielle Erlaubnis - ja sogar die Pflicht hat mit einer Trillerpfeife in jedes Zimmer zu gehen und den Leuten einen Guten Morgen auf Russisch entgegen zu werfen. Ich hatte sogar noch eine Digitalkamera aufgetrieben. Also, kurz geklopft und dann in den Raum gestuermt, einen kraeftigen Trillerpfeifen-Pfiff losgelassen und danach DOOOOOOOOOBRRRRRROOOOOIIIII UUUUUUUUTTTTRRRROOOOM getraellert. Das ich ein Photo von den Gesichtern gemacht habe, bekam kaum jemand mit. Ich denke mal manche Leute wuerden Geld dafuer zahlen wenn Sie dadurch verhindern koennten das diese Photos der Allgemeinheit zugaenglich werden. Doch naechste Woche wird jeder eine CD erhalten auf welcher dann alle Bilder des Seminars gespeichert sind. Wird sicherlich eine Ueberraschung fuer alle.

Auf der Hin und Heimfahrt hatten wir viel Spass. Zwei Stunden im Zug. Bis auf Ausnahmen ein kompletter Waggon fuer unsere Leute. Nur das die Sitze hier nur ganz kleine Lehnen haben. Somit sind alle wirklich zusammen, und nicht wie in Deutschland wo vier Sitze abgetrennt sind. Das schafft Stimmung. Besonders als der Eismann kam. Der Eismann hier hat keine Glocke. Brauch er auch nicht. Es ist ein alter Mann, mit Tasche welche mit Styropor ausgelegt ist. Ich habe ihn vorher schon gesehen und mich gewundert was er wohl in seiner Tasche transportiert. Ich dachte er schmuggelt irgendwas. Blos, was sollte er von hier schmuggeln? Wie auch immer, er hat selbstgemachtes Eis verkauft, bei Minusgraden. Sah nicht wirklich gut aus. Als er in unseren Waggon kam hat er wahrscheinlich das Geschaeft seines Lebens gemacht. Der wird seinen Enkeln noch von dem Tag erzaehlen als er ca.44 (alle ausser mir) Eis in einem Waggon verkauft hat.
Kaum war der Eismann weg, kam der Gitarrenmann. Der sang schnulzige russische Gassenhauer und war eigentlich nur ganz kurz bei uns im Waggon. Danach ist er den ganzen Zug durchgegangen. Laeuft so, er stellt sich auf eine Seite mit Gitarre (die nur noch 3 Saiten hat), singt ein zwei allen bekannte (meist sozialistische) Arbeiterlieder und nach 5 min. groelt der ganze Waggon. Dann geht er durch die Reihen und kassiert ab. So gesehen koennte man sagen das sich Sozialismus und Kapitalismus hierbei verbinden 😊 . Der kam, nachdem er den gesamten Zug abgelaufen war wieder zu uns und hat mit uns im Lagerfeuerstil das gesamte Repertiore abgeklappert. War echt cool. Auch wenn ich nicht wirklich ein Lied kannte. Die meisten Lieder handelten von Winter, Neujahr, der Ferne, der Heimat, Frauen und natuerlich Vodka. Ich musste natuerlich ein deutsches Lied praesentieren. A capella (fuer euch unwissende Nichtmusiker: das heist ohne Gitarrenbegleitung, also nur meine glockenklare Stimme!). Nun, versetzt euch mal in meine Situation. 44 Leute, alle schauen dich an und Du sollst ein Deutsches Lied praesentieren. OHHH MANN! Denkt kurz nach, was wuerdet Ihr singen? Nicht weiterlesen bevor Ihr keinen Vorschlag habt.


Ich hab mich dann kurzerhand fuer “O Tannenbaum” entschieden. Die ersten vier Zeilen kannte ich noch recht gut, und danach hab ich immer wieder improvisiert. Fuer das Publikum war es egal. Und ich hab nach zwei Strophen aufgehoert. Danach noch allen per vor und nachsprechen die ersten 4 Zeilen beigebracht und alle waren gluecklich. Am Ende hat der gesamte Waggon Oh TannenBaum mit mir gesungen. Die normalen Russen dachten bestimmt das es nun um die Menschheit geschehen ist.
Nun werde ich ab und an mit einem gemeinschaftlichem “O Tannenbaum” begruesst. Das ist echt cool. Auch wenn es schon irgendwie super peinlich war in einem Waggon in Russland vor versammelter Mannschaft da O Tannenbaum zu singen. Aber gut, ich habe es hinbekommen und nach meiner Vorstellung ist nun auch allen klar weshalb man musiktechnisch aus Deutschland bestenfalls Rammstein kennt.

Weiterhin jede Menge neue Raetsel und Spiele kennengelernt (fuer die welche sich von euch erinnern: Kalle mag Suppe aber kein Brot…). Diese werde ich euch zu haus dann praesentieren. Ach so, und russische Taenze hab ich auch gelernt, aber daran erinnere ich mich nur noch dunkel da vorher so oft verbruedert wurde das ich nur noch schwer empfaenglich fuer Taenze war.

Noch mal die Kurzfassung:

1. Wenig schlaf
2. viele interessante Leute
3. Abends coole Parties
4. Essen was man nicht wirklich als Nahrung bezeichnen kann
5. Jede Menge verstoerte Gesichter am Morgen
6. (temporaere) Deutsch-Russische-Freundschaft 😊
7. ein gluecklicher Eisverkaeufer
8. Verbreitung von “deutschem Liedgut” in Russland 😉
9. Daraus folgt - Bestaetigung der Meinung das Deutsche ein Volk der Arbeiter und weniger ein Volk der Kuenstler und Saenger sind
10. mein erster Kontakt fuer Moskau (die Leiterin des Seminares war aus Moskau angereist)

Weiterhin gibt es noch keine Neuigkeiten wegen Omsk. Ich werde wie es aussieht nicht gehen, und wenn, dann denke ich werde ich die 7 Stunden investieren und Russland nicht verlassen. Man weiss einfach nicht was passiert und dann wuerde ich in Kasachstan festsitzen. Aber ich habe noch keine Ahnung ob ich ueberhaupt gehe. Wie gesagt in Russland - einfach warten, es wird sich zeigen.

Fuer Jamburg (das kleine Oertchen ueber dem Polarkreis wo mich der Buergermeister (oder irgendjemand aehnlich wichtiges) eingeladen hat), ich habe mich mal informiert. Dies ist ein geschlossenes Gebiet. Unbeschreitbar fuer Touristen und Auslaender. Dort liegt irgendein riesiges Gasfeld, die strategische Reserve von Russland die jetzt langsam erschlossen wird. Jetzt ist mir auch klar weshalb der mich eingeladen hat, es gibt einfach keine Fremden dort. Doch selbst mit Einladung des Buergermeisters wuerde ich ca. 2 Monate fuer die Erlaubnis brauchen. Nicht zu vergessen die gesamten Gebuehren, Freunde welche befragt werden muessen, andere Hilfsgelder…
Natuerlich wusste hier niemand davon das es Schwierigkeiten geben koennte. Aber es gibt ja noch Internet. Und ich finde schon eine Alternative.
Ich bin echt froh das ich das schon herausgefunden habe und nicht, wie mir geraten, einfach losgefahren bin. Dann waere das ein viertage Ausflug gewesen. Zwei Tage im Zug hin und zwei Zurueck. Und immer nur Wald zu sehen. Grundsaetzlich ist Zugfahren ja cool, aber hier ist es schon langweilig. Man schaut hinaus und sieht nur Wald. Nichts anderes. 10 Stunden spaeter - gleiches Bild.

Nun habe ich die Alternative, ich bin zum Snowboarden eingeladen wurden. Von den Leuten aus Ekaterinburg (die mit den Fahrraedern). Das ist doch mal etwas. Das Skigebiet ist in ganz Russland bekannt und sogar Putin reist hier im Winter an. Das wird bestimmt ein cooler Abschluss. Aber wer weiss, vielleicht wird es ja voruebergehend geschlossen sobald der gute Vladimir hier eintrifft. Ich werde mich auf jeden Fall vorher informieren, keine Angst. Aber cool waere es schon.

So, ich glaube das war es ersteinmal von mir.

Nein, gibt noch einen Zusatz. Ich habe Geld bekommen von der Firma, (natuerlich Bar - was sonst) und davon ein Flugticket gekauft. Kost im Internet 6000 Rubel. (~175 Euro). Da haben wir dort angerufen und gefragt ob wir das Ticket auch im Laden zu diesem Preis kaufen koennten. Dies ist notwendig da ich nicht in Russland im Internet mit meiner Visacard bezahlen kann. Keiner weiss weshalb. Ist vielleicht auch besser so. Die Antwort: Natuerlich - Nein, kein Aufschlag! Klar doch, Do not Worry (dieser Satz wird dauernd zu mir gesagt). Der Laden hat bis 2000 Uhr auf. Bin ich also nach der Arbeit allein dort hin, um 1930. Die Angestellten waren grad beim Zuschliessen. Da hab ich erstmal den wilden Russen markiert und so lang rumlamentiert das sie wieder aufgeschlossen haben und mir noch ein Ticket verkauft haben. Nun, das Klima war nach meiner Einlage schon etwas gespannt und somit musste ich am 6300 Rubel bezahlen. Ich hatte aber keine Wahl. Brauchte das Ticket. Also das Resultat: ich habe ein Ticket nach Moskau fur ca. 185 Euro und flieg dann nach Berlin. Ich komme am 07.12. in Berlin an.

Weiterhin ist eine 5 cm Eisschicht auf dem Fluss (seit ein paar Tagen ist der komplett gefroren). Nun sitzen doch tatsaechlich die ersten Eisangler an einem Eisloch und halten ihre Angelruten ins Wasser. Jeder hat sein eigenes. Na wenn da mal niemand einbricht...

So, das war es endgueltig,


Gruss - Martin

P.S.: Ist grad echt ein komisches Gefuehl, ich fuehle mich hier wohl, aber irgendwie vermisse ich euch alle dennoch. Andererseits ist es komisch zu wissen das ich in ca. 2 Wochen schon wieder hier wegbin. Auch das schafft irgendwie Wehmut. Irgendwie fuehl ich mich grad komisch zwischen Vorfreude auf daheim und der Vorwehmut vor dem Abschied. Aber davon abgesehen geht es mir hervorragend.


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21st November 2005

Hallo Martin...es war mal wieder ein amüsanter Bericht. Ich kann es gar nicht fassen, dass du freiwillig früh aufgestanden bist um die anderen zu wecken. Desweiteren finde ich toll, dass du doch der Musik eine Chance gegeben hast und Mut bewiesen hast selbst acapella zu singen. :)Es freut mich sehr zu sehen, dass du so viel Sßass dort hast und du dich wohl fühlst, aber es ist auch schön zu hören, dass du uns hier zu Hause nicht ganz vergessen hast und uns auch vermisst, so wie wir dich vermissen. Ganz liebe Grüße, Anja ... Wir freuen uns auf dich!
21st November 2005

Holt dich jemand in Berlin ab ???? Oder wie machst du das ???
22nd November 2005

Abholung
Ich denke mal ich werde von meinen Eltern abgeholt. Trotzdem danke der Nachfrage. Martin

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