Auf alten Pilgerpfaden entlang des Kumano Kodo oder die Freude am Stempeln


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Asia » Japan » Wakayama
March 23rd 2015
Published: March 23rd 2015
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Seit über 1000 Jahren gehen Menschen aller Altersklassen und Gesellschaftsschichten den Kumano Kodo - den Pilgerweg, der die Berglandschaften der Kii-Halbinsel im Südosten von Honshu durchzieht. Auf einer der Hauptrouten, der Nakahechi- Route werde ich in drei Tagen zu einem der drei heiligen Schreine, dem Hongu Taisha, pilgern. Da ich mit der japanischen Website etwas Probleme hatte und die Unterkünfte am Wegesrand alle vorgebucht werden mussten, habe ich den Weg dorthin allerdings etwas unglücklich aufgeteilt: 5 km an Tag 1, 12 km an Tag 2 und 26 km an Tag 3. Man könnte sagen ich steigere mich kontinuierlich oder man könnte sagen, ich habs ziemlich dämlich gemacht. Als ich das bemerke ist es aber schon zu spät und wegen des Wochenendes sind die wenigen Unterkünfte auf dem Weg restlos ausgebucht. Der Bus bringt mich von Tanabe in einer knappen halben Stunde zum Startpunkt des "Weges in die heiligen Berge", nach Takijiri-oji. Als ich morgens an der Bushaltestelle mein leckeres Supermarkt-Frühstück vertilge, mache ich jedoch noch eine Begegnung der japanischen Art. Ein alter Mann kommt vorbei und als er mich mit meinem Wanderrucksack dort sitzen sieht, fragt er begeistert "Kumano Kodo?" Ich antworte mit einem meiner wenigen japanischen Worte " hai" - ja. Er freut sich diebisch und deutet an ob er mein Bild von mir und meinem Frühstück machen soll. Natürlich. Leider ist auf Grund seiner Englisch- und meiner Japanisch-Kenntnisse die Konversation dann zu Ende. Der Mann verschwindet und kommt kurze Zeit später wieder. Er hat mir in der Touristeninfo alle englischen Broschüren besorgt, die er über den Kumano Kodo finden konnte und ein rein japanisches Heftchen in das man offenbar an jedem Schrein einen Stempel einstempeln kann. Ich nehme alles an und er freut sich. Dann geht er nach einem kurzen gemeinsamen Blick in jede Broschüre wieder und kommt kurz darauf noch einmal um mir mit einer höflichen Verbeugung seine Visitenkarte zu überreichen. Und als ich schon im Bus sitze kommt er noch einmal angerannt und überreicht mir ein Tütchen mit einem kleinen Glücksbringer, einer Art Schlüsselanhänger aus einem kleinen Stoffball mit einem Glöckchen daran. Unfassbar, ich bin total gerührt und wünschte ich hätte auch wenigstens ein Kärtchen, dass ich ihm überreichen könnte. In Japan ist dieses 'sich-gegenseitig-Visitenkarten-überreichen' ein Zeichen von Wertschätzung und wird auch unter Privatleuten mit großer Ernsthaftigkeit zelebriert. Verdammt hätte ich doch bloß eine dienstliche Visitenkarte mit einem schönen bunten Wappen dabei...

Mein Weg nach Takahara, einem kleinen Dorf hoch in den Bergen, das schon lange fest mit der Kultur und Tradition des Kumano Kodo verbunden ist beginnt dann endlich nachdem ich den Takijiri-oji ( ein Oji ist einer der vielen kleinen Schreine am Wegesrand, wobei diese als untergeordnete Schreine zu den drei großen Hauptschreinen zählen und deswegen nicht "Taisha" heissen) passiert habe, und dort meinen ersten Stempel in mein Heftchen machen konnte. Da ich heute wenig Strecke vor mir habe, der Weg dafür aber ein ziemlich steiler Anstieg ist, gehe ich langsam und nehme mir Zeit für alles was am Wegesrand steht, lese jedes Schild und bewundere jeden Oji, jede Höhle, jeden Ausblick. Zweimal passiere ich eine japanische Reisegruppe, ansonsten kommt mir nur ein Paar entgegen und es ist schön den Wald so ganz für sich zu haben. Als ich mich der einen Reisegruppe nähere, die gerade von ihrem Führer mit dem Megaphon irgendetwas erklärt bekommt, zeigt er plötzlich auf mich und sagt irgendetwas. Sofort bilden die Wanderer mit ihren Bambusstöcken eine Gasse und ich laufe durch ein Spalier von 25 freundlich blickenden, sich verbeugenden "Best Agern". Als ich mich zurück verbeuge und mich auf japanisch bedanke freuen sich alle schrecklich und die Frauen kichern ausgelassen. Das ist ein total typisches Verhalten für Japaner, alle sind so zuvorkommend, höflich und diszipliniert, ein perfektes Beispiel dafür, wie man hier miteinander umgeht. Nach nicht einmal zwei Stunden komme ich in Takahara an, einem Bergnest, das vom Dorfplatz einen wunderschönen Blick auf die Hatenashi Mountain Range bietet, und natürlich auch einen farbenprächtigen Oji hat. Meine Unterkunft für heute ist nur eine von zwei im Ort und nennt sich Kiri-no-Sato Lodge ("Ort des Nebels") und ich wusste garnicht mehr, dass ich so ein schickes Teil gebucht hatte. Alles ist aus Holz, ich habe ein wunderschönes Zimmer mit riesiger Fensterfront und einer kleinen Terrasse mit Ausblick, außerdem ein eigenes Klo (Premiere auf dieser Reise) und eine kleine Mokkamaschine, einen Teekocher, einen Fernseher und viel Platz. Und ich habe um 15 Uhr das wunderschöne hauseigene Onsen noch ganz für mich alleine. Dafür ist der Preis von etwa 100 € inklusive Abendessen und Frühstück sowie einer Lunchbox für den morgigen Tag wirklich fair. Nachdem ich ein bisschen Wellness im Bad gemacht habe, das Wasser ist hier zum Glück nicht ganz so heiß wie in Koyasan, mache ich mir einen Espresso, sitze auf meiner Terrasse und genieße den Ausblick. Dann gehe ich noch ein bisschen durchs Dorf, wo ich am Dorfplatz von 'Kumi' angesprochen werde, die gerne ihr Englisch an mir ausprobieren will und extra deswegen aus dem Tal hier hoch gefahren kommt um Ausländer zu treffen. Sie erzählt mir ganz viel über den Kumano Kodo und ich ihr ein bisschen über Deutschland und nach einer knappen Stunde ist sie ganz glücklich, dass ich sie scheinbar verstanden habe. Das Englisch der älteren Japaner ist oft schwer zu verstehen, weil sie in der Schule nie die Aussprache gelernt haben. Sie haben ein ganz gutes Vokabular, betonen aber alles so seltsam, dass man manchmal nicht merkt, ob sie japanisch oder englisch sprechen. Bei Kumi geht es so halbwegs und immer wenn sie ekstatisch anfängt zu lachen, lache ich einfach ein bisschen mit - auch wenn ich meistens nicht genau weiß warum. Punkt 17 Uhr wird über Lautsprecher im ganzen Ort ein Lied abgespielt, laut Kumi das Zeichen, dass alle Kinder jetzt nach Hause gehen sollen. Das Lied kommt mir bekannt vor und mir fällt ein, dass es gestern in Tanabe auch auf der Straße gespielt wurde, vermutlich war es da auch gerade 17 Uhr. Als wir uns verabschieden streune ich nochmal durch das Dorf und dann in Richtung Lodge. Um 18.30 Uhr wird hier das Essen serviert.

Das Abendessen ist eine Wucht. Ich habe das Seafood Menu bestellt (wegen meines Fastenzeit-Fleischverzichtes), hätte aber sogar ganz vegetarisch oder vegan bestellen können. Als ich mich setze stehen schon 8 Schälchen mit leckeren kalten Speisen an meinem Platz: gegartes und eingelegtes Gemüse, Sashimi, verschiedene Salate, frittierter Fisch, und ein kleines Stövchen auf dem ich mir dann meine heisse Platte aus Pilzen, Chinakohl, Scampi und Jakobsmuscheln garen kann. Ich dachte eigentlich das wäre es, doch dann kommt noch mehr: Suppe, Reis, gedämpfter Fisch mit Bambusgemüse und etwas was sie egg-curd nennen und was mir leider als einziges nicht so gut schmeckt. Es ist eine Art gestocktes, komplett ungewürztes Ei und darin sind glibberige Pilze. Dann kommt nochmal eingelegtes Gemüse, in Kohlblättern gedämpfte Garnelen und schließlich als Nachtisch Obst mit japanischer Minze. Dazu Tee und Wasser soviel ich will. Ich fühle mich wie ein König und freue mich jetzt schon auf das Frühstück. Fast eine Stunde verbringe ich mit den kleinen Schälchen, die immer wieder neu an meinem Tisch auftauchen und esse andächtig alles auf.

Für den nächsten Morgen waren 20 Grad und Sonne angekündigt aber als ich
Abendessen Tag 1Abendessen Tag 1Abendessen Tag 1

Takhara Kiri-No-Sato-Lodge
aufstehe und die papierbespannten Schiebeläden aufmache, macht der Ort im Nebel seinem Namen alle Ehre, die komplette Bergkette gegenüber ist nebelverhangen. Ich gehe erstmal zum Frühstück (Suppe, Reis, ein sehr grätenreicher lauwarmer Fisch, eingelegtes Gemüse und endlich mal Kaffee!!!) und als ich gegen 09.00 Uhr starte ist es noch ziemlich frisch, aber wir sind ja auch in den Bergen. Heute wird mir kein einziger Wanderer begegnen, den einzigen, den ich ab und zu treffe ist ein netter älterer Australier, der auch alleine unterwegs ist. Immer wenn er grade Pause macht, überhole ich ihn und umgekehrt. Wir plaudern ein paar Minuten und dann geht es wieder alleine weiter. Heute geht es fast nur durch dichten Wald, manchmal Nadelwald, manchmal Laubwald und ab und zu ist ein bisschen Bambus dazwischen. Ab und zu steht ein kleiner Schrein herum, immer mit einer zweisprachigen Hinweistafel und meistens auch mit einer Art Vogelhäusschen, in dem sich der Stempel befindet, den ich jedes Mal fleissig in mein Heftchen eindrücke. Ich glaube allerdings, ich habe irgendeinen verpasst denn die Schriftzeichen in meinem Heft sehen irgendwie immer anders aus, als die auf dem aktuellen Hinweisschild. Egal. Es ist trotzdem eine willkommene Abwechslung und manchmal sind die oji auch einfach nur Hinkelsteine mit ein paar Schriftzeichen darauf und der Stempel an sich ist das spektakulärere dabei. Manchmal ist es aber auch ein kleiner Altar, eine kleine Statue oder ein richtiger kleiner Tempel und es ist jedes Mal eine Überraschung, wie der auf der Karte angekündigte oji denn nun aussieht. Ansonsten ist mein Tag recht ereignislos, der Weg ist das Ziel. Und so geht es auf und ab durch den Wald, vorbei an kleinen Tümpeln, moosüberwachsenen Baumstümpfen und gelegentlichen Höfen. Als ich auf einem kleinen Gipfel eine Pause einlege und meine mitgebrachte Lunchbox aus der Lodge öffne, staune ich nicht schlecht. Anstatt der erwarteten japanischen Snacks befinden sich zwei Toastbrötchen mit Scheiblettenschmelzkäse, Majo und Salat und eine Banane darin. Was für eine Enttäuschung. Gegen halb zwei erreiche ich mein Tagesziel Chikatsuyu, eine etwas größere Siedlung mit Schule, Post, Bushaltestelle, einem Supermarkt, einer Tankstelle und mehreren Gasthäusern. Eigentlich hätte ich die Tour der letzten zwei Tage locker an einem Tag machen können, denke ich mir. Bei meinem Minshuku (ein Gasthaus, ähnlich einem homestay, wo der Wirt im selben Haus wohnt und Zimmer vermietet) noch niemand da, also öffne ich einfach die Tür, die wie erwartet nicht abgeschlossen ist, stelle meinen Rucksack in den Flur und gehe noch ein bisschen in den Ort. Hier gibt es auch noch zwei Schreine zu besichtigen, ein kostenloses Thermal-Fußbad für die müden Wanderer, einen alten Friedhof aus dem 15. Jahrhundert, einen Tempel und ein paar fotogene Häuser. Da ich nach dem faden Mittagessen Lust auf etwas mit Geschmack habe, gehe ich in den Supermarkt und kaufe mir ein Getränk von dem ich denke, dass es so etwas wie ein Mangosmoothie ist. Es stellt sich heraus, es ist eine Mischung aus Mangosaft, Sprudel und Milch und schmeckt in dieser Kombination sehr lecker. Nachdem ich noch ein paar Stunden in der Sonne durch den Ort flaniert bin, meine Füße ausgiebig in dem superweichen Thermalwasser gebadet habe und mir meinen Stempel am Oji abgeholt habe, kehre ich gegen 16 Uhr zurück in mein Minshuku, diesmal ein ganz kleiner und familiärer Betrieb. Ich habe ein japanisches Zimmer mit Tatamimatten und teile mir Klo und Dusche mit den anderen beiden Gästezimmern. Ein Onsen gibt es leider nicht. Irgendwie mache ich der Wirtin, die kaum englisch spricht, klar, dass ich gerne um 06.30 Uhr frühstücken will und sie scheint es verstanden zu haben. Nach der Dusche schlüpfe ich in meinen Yukata, mache mir einen heißen Tee und entspanne noch ein bisschen in meinem Zimmer.

Das Abendessen wird in einem Raum serviert in dem sich ein Loch im Boden befindet. Als ich den. Raum betrete stecken dort in einem Berg von heisser Asche mehrer kleine Fische auf Stecken und räuchern oder garen vor sich hin. Tom und Leela aus Israel bitten mich zu ihnen an den Tisch, als sie sehen dass ich alleine essen werde, außer uns ist sonst nur eine Vierergruppe japanischer Männer im mittleren Alter anwesend, die rund um das "Ascheloch" sitzen, futtern und augenscheinlich schon leicht einen im Tee haben. Es gibt wieder super viel zu essen, alles appetitlich in kleinen Teller angerichtet. Neben dem besagten Fisch gibt es noch Tunfisch-Sashimi, eingelegtes Gemüse, Reis, einen hotpot mit Fisch, Pilzen und Gemüse, eine Suppe, kleine Salate aus Algen und Tofu und zum Nachtisch frische zuckersüße Orangen.

Hier ist alles etwas familiärer als gestern und Wirt und Wirtin sitzen bei den Japanern dabei und trinken Sake. Die Stimmung wird immer ausgelassener und das Eis bricht, als Tom nach dem Essen einem der Männer eine selbstgedrehte Zigarette anbietet. Sofort werden wir herüber gebeten, man rutscht zusammen und Leela und ich können uns gerade noch wehren, ein Glas mit Sake vorgesetzt zu bekommen. tom trinkt dafür für uns beide mit und obwohl man sich kaum versteht, kommen wir ins Gespräch. Eine japanische Handy-App, die lustige englische Sätze bildet und der Alkohol machen das ganze etwas einfacher und plötzlich sitzt der Wirt da mit einer Gitarre und einer Mundharmonika und fängt an wunderschöne japanische Lieder zu spielen. Es wird getanzt, mitgesungen und als Tom genug Sake hatte, spielt er israelische Lagerfeuerlieder und ein paar Klassiker und Leela und ich singen mit. Der Wirt improvisiert dazu auf seiner Mundharmonika und es wird der beste Abend seit ich in Japan bin. Wir finden heraus, dass die vier Männer beim Rettungsdienst sind und sie zeigen uns Bilder von ihrem Einsatz bei der Katastrophe von Fukushima. Gegen 10 verabschieden wir uns dann aber ins Bett und nur die inzwischen völlig enthemmten Japaner bleiben noch bis Mitternacht wach und werden noch eine Weile singen. Nicht mal mein Hörbuch hilft da beim einschlafen, das sind halt die dünnen Wände ;-)



Ich habe echt ein bisschen Respekt vor der Tour, die ich mir für den dritten Tag vorgenommen habe, weil ich die Entfernungen und insbesondere die zu überwindenden 900 Höhenmeter sehr schlecht selbst einschätzen kann. Dazu kommt dann noch das feuchtwarme Klima und dass ich nach dem faulen Winter nicht sonderlich gut in Form bin. Meine Karte nimmt mit Pausen eine Zeit von 9 Stunden für "young healthy people without a pack in good weather" an. Ich habe mal 9,5 Stunden angepeilt, ganz so young bin ich ja nicht mehr und ich habe ja auch einen "pack". Das würde mir wenn ich um 7 starte eine halbe Stunde Zeit geben, den Kumano Hongu Schrein, das Ziel meiner Wanderung zu besichtigen bevor der schließt und dann könnte ich um Punkt 17 Uhr den Bus zu meinem Übernachtungsort Yunomine Onsen nehmen.

Als ich losgehe schwebt noch Nebel über der Szenerie und die erste Stunde sehe ich keine Menschenseele, dann ab und zu ein paar alte Leute in Vorgärten, die üblichen Verdächtigen, die Sonntags so früh aufstehen. Es ist Sonntag und durch einen ziemlich heftigen aufstieg gleich zu Beginn, wird mir auch schnell warm. Heute wird ein viel abwechslungsreicher Tag, es geht durch kleine Siedlungen, am Fluss entlang und durch immer wieder wechselnde Vegetation. Auf dem Weg sind auch viel mehr Schreine als die letzten beiden Tage und im Wald, immernoch der Hauptteil der Strecke, ist insgesamt alles etwas lichter, sodass man wenn man sich schon die Berghänge hochquält, dann oben wenigstens etwas Aussicht hat. Ständig quere ich einen kleinen Bachoder es kommt ein kleiner Wasserfall den Fels hinunter der dann blubbernd unter dem Weg verschwindet. Die ersten paar Stunden mache ich Tempo, denn ich will die fiesen Aufstiege hinter mir haben, bevor es zu warm wird und es ist auch nicht ganz einfach mit den Zeitangaben auf meiner Karte mitzuhalten wenn man zwischendurch auch mal an einem Schrein anhält oder ein paar Fotos schiesst. Ich bin immernoch erst einem Paar begegnet, als ich gegen 11 Uhr auf einem Pass die 13 km - Marke überschreite. Halbzeit. Und das 40 Minuten vor der angepeilten Zeit. Ich bin mir zwar nicht ganz sicher, ob ich dieses Tempo den Rest des Tages durchhalte, aber da auf meiner Karte für hier auch eine halbstündige Pause eingerechnet ist, setze ich mich in die Sonne, versuche mein schweissnasses T-Shirt etwas zu trocknen und packe meinen Lunchbeutel aus. Und diesmal bin ich entzückt: in ein Bananenblatt (oder so was) gewickelt, hat mir mein Gastgeber von letzter Nacht drei kleine Reiskuchen mit Algen, Frühlingszwiebeln und Rettich
Kurz vor dem ZielKurz vor dem ZielKurz vor dem Ziel

Blick auf Hongu und das "grand torii"
gefüllt, eingepackt. Ein Traum. Etwas relaxter gehe ich den zweiten Teil der Strecke an, jetzt wo ich weiß dass ich im Zeitplan bin, und peile mal optimistisch 16 Uhr an. Der Ehrgeiz packt mich erst wieder als ich von einem älteren japanischen Paar um die 70 bei meiner nächsten Wasserpause überholt werde. Ich schließe mich ihnen an und muss sagen, die machen ganz schön Tempo. Und das obwohl sie auch einen "Pack" tragen und mit Sicherheit nicht mehr young and healthy sind. Irgendwann lassen sie mich vorbei aber ich bekomme sie lange Zeit nicht abgeschüttelt und gebe vor lauter Verzweiflung am nächsten Anstieg nochmal Gas und endlich. Abgehängt. Aber denkste, als ich gerade den nächsten größeren Schrein bewundere stapfen sie wieder eilig an mir vorbei. Hallo? Wie wäre es mal mit andächtigem Innehalten? Nein? Dann wenigstens einen Stempel? Auch nicht. Scheinbar nehmen hier nicht alle die Sache so ernst wie ich. Ich lasse sie Zähneknirschend ziehen und rede mir ein, dass sie bestimmt irgendwo auf halber Strecke mit dem Bus dazu gekommen sind und nicht seit 07.00 Uhr unterwegs sind. Als ich nach dem letzten großen Aufstieg nämlich an einer Straße stehe, wird da gerade eine ganze Busladung voll Wanderer "without a pack" ausgespuckt, die dann eine gemütliche. Halbtagswanderung von dort unternehmen. Nagut, gegen die meisten von denen habe ich Tempomäßig keine Chance aber es verläuft sich sehr schnell alles wieder, denn die meisten bleiben direkt am Parkplatz an den Getränkeautomaten stehen. Schnell weg hier. Als es nur noch 5 km bis zum Etappenziel sind, beschließe ich es jetzt ganz ruhig anzugehen. Es geht jetzt fast nur noch bergab und ab und zu durch kleine Dörfer wo es rechts und links viel zu Sehen gibt. Fast 2 Stunden Zeit nehme ich mir für die 5 km und bummele mal links, mal rechts vom Weg ab, zu einem extra Aussichtspunkt oder zu einer Teeplantage.

Um kurz nach 15 Uhr laufe ich dann, völlig euphorisch bezüglich meiner Fitness, am Kumano Hongu Taisha ein und habe irgendwie einen richtigen Kloß im Hals als das schöne alte Tempel-Gebäude vor mir auftaucht. So fühlt sich also pilgern an.

Der Schrein ist wirklich schön und liegt in einer toll angelegten Gartenanlage. Drinnen darf man leider keine Bilder machen. Hier ist richtig viel los, aber fast alles nur so Hobbypilger in schicken Klamotten ohne "Pack" wie ich etwas hochnäsig feststelle. Ich rieche mit Sicherheit nicht so gut wie die alle und sehe auch nicht so schick aus, aber trage stolz meinen Rucksack durch die ganze Anlage und mache ein paar Fotos. Dann sitze ich noch ein bisschen in der Sonne, die hier unten im Tal richtig warm macht und entspanne. Hongu ist eine ganz niedliche Kleinstadt, die aber auch nicht mehr als ein paar Straßenzüge, den berühmten Pilgertempel und ein gigantisches Tori am Flussufer zu bieten hat. Nachdem ich Tempel und Tor gesehen habe, habe ich noch eine Stunde, bis der Bus nach Yunomine Onsen fährt. Und wie ich da so faul in der Sonne sitze und nichts zu Tun habe, rechne ich durch, wann ich zu Fuß dort sein könnte. Noch 3,6 km und 250 Höhenmeter. Das müsste ich doch in einer Stunde schaffen. Und so laufe ich auch noch die letzten Kilometer bis in meinen Übernachtungsort. Wenn schon, denn schon. Zur Belohnung darf ich mir noch zwei weitere Stempel in mein Büchlein machen. Ich erreiche Yunomine Onsen, den kleinen Ort, der für seine schwefelhaltigen heißen Bäder bekannt ist, zeitgleich mit dem Bus aus Hongu. Na bitte. Schon bevor ich den Ort sehen konnte, konnte ich ihn allerdings riechen, denn der leichte Geruch nach faulen Eiern eilt ihm voraus. Yunomine Onsen besteht nur aus einer Straße, die sich an einem Flussbett entlangzieht, besitzt aber 10 Minshuku und jedes von ihnen ein eigenes Onsen. Die Besonderheit ist aber, dass es im Flussbett selbst heiße Strömungen gibt, die es den Leuten erlauben, ihre Eier in kleinen Becken am Ufer zu kochen. Da ganze ist natürlich eine Touristenattraktion und so kann man am Straßenrand Eier kaufen und diese dann in kleinen Säckchen im heißen Wasser versenken. Aber warum Yunomine Onsen eigentlich berühmt ist, ist der/die/das Tsuboyo, eine kleine Holzhütte mitten im Fluss, in der sich ein abgeschirmtes, privates natürliches Onsen befindet. Für ca. 6 Euro kann man hier 30 Minuten mit einer oder zwei Personen exklusiv baden gehen. Das würde ich natürlich gerne aber ich muss erstmal einchecken, den Rucksack ablegen und etwas Essen. Das Tsuboyo hat bis 22 Uhr auf, aber so wie es aussieht ist schon einiges reserviert. Mal sehen ob ich später noch gehen kann.

Diesmal hat die Unesco übrigens aus meiner Sicht alles richtig gemacht und dieses coole kleine Bad zum Welterbe erklärt.

Ich bin fix und fertig als ich mein Minshuku betrete aber noch bevor ich mein Zimmer gefunden habe, findet Leela mich. Tom und sie waren eine andere kürzere Strecke gelaufen und haben sich den Hongu Taisha für morgen aufgehoben. Sie sind nur kurz vor mir eingetroffen und ich freue mich, die beiden wieder zu sehen. Wie klein die Welt manchmal ist.

Als erstes muss ich ins Onsen, hier übrigens ein nicht ganz so schickes Etablissement wie das Letzte, aber dafür auch exklusiv. Es gibt zwei Duschkabinen, denen sich jeweils ein abgeschirmtes Becken anschließt, durch das das Thermalwasser fliesst. Das Wasser ist butterweich und ich könnte heute ewig h im heißen Wasser sitzen bleiben, wenn mein Magen nicht so knurren würde. Das Abendessen verbringe ich wieder mit Leela und Tom und es ist wie immer köstlich. Allerdings sind wir alle so geschafft, dass wir uns kurz danach in die Zimmer verziehen. Ich verzichte auf das Tsuboyo werde mir irgendwann von den beiden berichten lassen, wie es war, denn die bleiben noch eine. Nacht.

Morgen heisst es für mich hingegen wieder früh Aufstehen und den ersten der nur 5 Busse (täglich) nehmen, die von hier täglich zurück nach Tanabe fahren, denn ich habe noch eine größere Strecke vor mir. Morgen Nachmittag will ich in Hiroshima sein.

Der Ort im NebelDer Ort im NebelDer Ort im Nebel

Morgens in Takahara


Was man hier noch so alles Beobachten kann:



Alles ist irgendwie "falschrum": nicht nur dass Linksverkehr herrscht und die Japaner Bücher von hinten beginnen und die Seiten von rechts nach links beschreiben, alles andere ist für meinen deutschen Verstand irgendwie auch falsch herum. Zum Beispiel werden Türen nach rechts abgeschlossen und Kochplatten, wie die für meine kleine Mokkamaschine in Takahara, von rechts nach links angedreht. Und wenn man die Dusche andreht geht das auch rechtsrum. Einzige Ausnahme: Wenigstens das Sushi-Transportband in Kyoto lief im Uhrzeigersinn.



Tofu ist alles andere als dieses geschmacklose, gummiartige Soja-Zeug was man bei uns in der Kantine essen muss wenn man kein Fleisch isst. Ich habe hier -neben etlichen frittierten Zubereitungsarten - inzwischen schon pures Sesamtofu und Erdnusstofu serviert bekommen und das hatte beides einen köstlichen Eigengeschmack und eher eine Konsistenz wie Pudding Das dann noch kurz in Sojasauce mit ein bisschen Wasabi getunkt- sehr lecker. Und nicht zu vergleichen!


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