Pushkar - Heiliger Ort der Hindus und der pluderhosentragenden Althippies


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March 6th 2012
Published: March 6th 2012
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Nach einer weiteren unklimatisierten dreistündigen Autofahrt nach Pushkar (Harish hat es in Jaipur leider nicht hinbekommen die Klimaanlage reparieren zu lassen) kommen wir gegen 16.30 Uhr leicht entnervt dort an. Wir checken in einem sehr einfachen Hotel mit schönem Garten direkt am See ein und kommen gerade richtig zum Sonnenuntergang, der auf den Treppenstufen am Ufer des Sees von zig Touristen gefeiert wird.
Hierbei wird deutlich, dass Pushkar, der kleine Ort mit nur 15.000 Einwohnern nicht nur der heilige Ort der Hindus ist sondern auch der, der kiffenden Alt-Hippies und filzlaushaarigen ständig in der Gegend herum meditierenden Backpackergemeinde.
Denn trotz der gerade hier sehr strengen Moralvorschriften der Hindus (einige Plätze und eine Brücke dürfen z.B. nur ohne Schuhe betreten werden, im ganzen Ort wird kein Fleisch und kein Alkohol serviert) haben sich einige Aussteiger hier breit gemacht. So zum Beispiel unser ständig bekiffter Zimmernachbar, der um die 60 sein dürfte und uns immer alles in Wiederholungsschleife berichtet.
Generell hat der Ort etwas sehr friedliches und spirituelles an sich, es gibt über 400 Tempel, die auch aktiv genutzt werden, und die Leute hier scheinen mir weniger gestresst. Die meisten Hindus pilgern einmal im Leben hier her um sich im heiligen See reinzuwaschen und sich von den hier in Massen ansässigen Brahmanen segnen zu lassen. Diese rituellen Waschungen geschehen an den so genannten Ghats, von denen es in Pushkar 52 gibt. Ghats sind "zum Wasser führende Treppenstufen", die hier in den heiligen See führen und meistens auch mit einem kleinen Tempel oder einer Opferstätte versehen sind. Hier ist das fotografieren verboten.

Nachdem wir uns trotz der geringen Entfernungen in Pushkar auf dem Weg zum Abendessen verlaufen haben stellen wir auch fest, dass die Händler viel weniger fordernd sind und beschließen morgen ein bisschen zu shoppen. Hier könnte es fast ein angenehmer Shoppingtag werden, ohne endlose Diskussionen, "Mädäääm please just looking"-Dauerbeschallung und endlosem Gefeilsche.
Zum Abendessen gibt es übrigens ein köstliches vegetarisches Thali, das heißt eine Kombination aus insgesamt 8 verschiedenen indischen Speisen- das Beste was wir bisher hier in Indien hatten- und es kostet uns inklusive Nachtisch pro Person schlappe 5 Euro. Manchmal ist das wirklich alles unfassbar hier...
An unserem ersten Morgen in Pushkar quälen wir uns mal wieder früh aus dem Bett; wegen der Nähe zur Wüste wird es in Pushkar sehr sehr warm und wir wollen noch bei halbwegs angenehmen Temperaturen auf den Berg zum Saraswati-Tempel klettern.
Leider waren wir dazu dann doch nicht früh genug ausfgestanden und quälen uns erst gegen 07.45 Uhr den sehr steilen Anstieg mit gefühlten 2000 Stufen hoch. Oben angekommen gibt es keine Verschnaufpause sondern mal wieder eine Erfahrung der bizarren Art. Wir hatten uns grade hingesetzt, völlig verschwitzt, da kommt eine Schulklasse von etwa 40 pubertierenden indischen Mädchen und alle fangen an, Fotos von uns mit unseren knallroten Köpfen zu schießen. Einfach so ohne zu fragen. Da das englisch der Mädchen sehr schlecht ist, deutete man uns nach kurzer Zeit mit einer Geste an, dass wir doch bitte aufstehen sollten für das Fotoshooting, was wir auch brav machen.
Das war der Startschuss für die Mädchen, die wirklich süß waren, sich einzeln neben und vor uns zu platzieren und immer wieder neue Handykameras zu zücken, sodass ich (in Christians Nähe haben sie sich nicht so richtig getraut, was vermutlich ein kulturelles No-Go ist) mich bestimmt eine Viertelstunde lang in einem Knäuel von wild plappernden und strahlenden Inderinnen wiederfinde. Ich habe das Gefühl dass alle die, die bereits ein Foto bekommen haben einfach nach 5 Minuten wieder neben mir stehen und weitere Fotos schießen, aber da ich die Mädchen nicht richtig auseinanderhalten kann und es ihnen auch so eine große Freude macht, muss ich einfach gute Miene zum doch etwas anstrengenden Spiel machen und lächele tapfer in alle, wirklich alle Kameras. Manchmal ist es so einfach hier jemandem eine Freude zu machen, den kleinen Kindern zaubert man meistens mit einem Lollipop und einem Winken ein Lächeln ins Gesicht und für die Großen muss es halt ein Foto sein.
Der Lehrer beendet dann irgendwann den Fototermin aber als ich 10 Stufen weiter oben stehe kommt plötzlich eine zweite Schulklasse hinter dem Tempel hervor und das gleiche beginnt nochmal. Aber die Mädchen sind einfach so süß, dass ich wieder mitspiele, auch wenn ich ungefähr hundert mal "okay, last shot" sage und dann doch noch einmal schwach werde weil mich große dunkle Augen bittend anschauen. Diese Mädchen können außerdem etwas besser englisch und sagen immerhin "please" und "thank you" und "Nice to meet you" :-)
Irgendwann sind dann alle weg und wir genießen die wunderschöne Aussicht auf den kleinen Ort und die frische Brise.

Auf dem Weg nach Unten passiert etwas seltsames: ein Mann an einem Essensstand spricht mich an und fragt mich ob ich einen Mülleimer für meine in der Hand getragene leere Mangosaftflasche suche, er hätte einen. Ich bin völlig begeistert denn ich habe fast noch nie einen öffentlichen Mülleimer gesehen Weder in den Städten noch an Rasthöfen, nirgends. Die Inder werfen ihren gesamten Müll einfach in die Natur, an den Straßenrand, in die Gewässer. Für uns Europäer unverständlich wie man seine Stadt und vorallem die schöne Natur so verunstalten und gefährden kann, denn auch die Tiere, die Hunde und Kühe suchen ja in den Müllbergen nach Futter und essen dabei nicht selten Plastiktüten und -verpackungen mit an denen sie dann qualvoll sterben. In Pushkar achte ich jedoch jetzt mal darauf und stelle fest, dass die Straßen und der See für indische Verhältnisse relativ sauber gehalten werden. Als wir durch den Ortskern laufen begegnet uns sogar eine Art Müllabfuhr, ein offener Pritschenwagen, der bei den Händlern hält und Müll auflädt. Wo er diesen dann hinkarrt ist natürlich die Frage. Aber dennoch erfreulich.

Nach einer kleinen Shoppingrunde checken wir aus und warten auf Harish der mal wieder versuchen wollte, die Klimaanlage reparieren zu lassen. Leider ohne Erfolg.

Wir machen noch eine kleine Shoppingrunde und erstehen ein Top für mich und einen Schal für Chris. Die Einkaufsatmosphäre ist wirklich angenehm.
Bei unserem Bummel machen wir auch mal wieder eine sehr nette Begegnung mit "Hans" wie er sich nennt , einem Teppichhändler, der einige Brocken deutsch spricht und total auf deutsche Touristen abfährt.
Wir waren schon letzte Nacht an ihm vorbeigelaufen und hatten kurz mit ihm gesprochen und am nächsten Tag bittet er uns in seinen Laden. Wir signalisieren zwar höflich aber deutlich, dass wir keinen Teppich kaufen werden aber "Hans" erklärt, dass es "Good Luck" für ihn wäre, wenn wir kurz in seinen Laden kommen. Wir einigen uns auf 5 Minuten und bekommen einen Stuhl und einen Tee angeboten. Dann erklärt uns Hans was er für Waren verkauft und wir sagen ihm nochmal dass wir nichts kaufen wollen.
Ein bisschen zerknirscht ist er schon aber dann haben wir ein sehr nettes Gespräch, er erzählt von seiner Familie und seinen 4 Kindern und fragt nach unseren Plänen.
Nach 5 Minuten verabschieden wir uns und Hans wünscht uns freudestrahlend einen schönen Resturlaub. Und das ohne etwas verkauft zu haben.

Dann fahren wir weiter nach Udaipur, eine etwa 6-7 stündige Fahrt liegt vor uns...leider wieder ohne Klimaanlage.
Ich weiß garnicht ob ich mich schon ausreichend zum Verkehr in Indien geäußert habe?! Wenn nicht möchte ich das jetzt nachholen.
Nicole's Fahrer hat die indischen Verkehrsregeln (Nur 15 Prozent der Inder haben überhaupt einen Führerschein, sodass das Aufstellen irgendwelcher Regeln sowieso keinen Sinn macht) mal sehr schön auf den Punkt gebracht: Er sagte "What you need is a good brake, a good horn, and good luck".
Und das beschreibt es ganz gut. Grundsätzlich hupen die Inder gerne und ausgiebig und IMMER wenn sie ein langsameres Fahrzeug überholen, was wohl daran liegt das gerade die Zweiräder aber auch LKW teilweise keine Rückspiegel haben.
Auf den oftmals bunt bemalten, mit Troddeln, Tüchern, Blumen- und Dekoketten behängten und mit irgendwelchen Mantras versehenen Lastwägen (werde mal versuchen einen zu fotografieren, sie sind wirklich sehenswert) steht meistens auch groß auf dem Heck "Please Horn". Aber generell habe ich so den Eindruck, dass hupen eine Art eigene Sprache hier ist und viel mehr heißen kann als nur "Ich überhole dich grade falls du's noch nicht gemerkt hast". Wenn man schlafen will kann das aber ganz schön nerven und ich wünschte mir manchmal, Harish würde nicht so viel "kommunizieren".
Zur Verkehrstüchtigkeit der Fahrzeuge brauche ich wohl nichts zu sagen. Die meisten Fahrzeuge würden bei uns nicht über den TÜV kommen, das Licht geht nicht oder blinkt ständig, ganze Fahrzeugteile wie die Frontschürze fehlen, Windschutzscheiben sind gesprungen oder fehlen und natürlich funktionieren die Gurte auch nur selten.
Unser Fahrzeug hat zum Beispiel vorne zwei Gurte, der auf der Beifahrerseite funktioniert und der auf der Fahrerseite hat einfach garkeine Spannung mehr sodass er eigentlich nur lasch herunterhängt, außerdem gibt es keine Einsteckmöglichkeit (mehr?) auf der Fahreseite. Deswegen zieht Harish einfach immer wenn er an einem Polizeiposten vorbeikommt den Gurt irgendwie vor seine Brust und hält ihn fest bis wir vorbei sind. Scheinbar gibt es also eine Gurtpflicht :-)
Das Wort Ladungssicherung existiert hier überhaupt nicht, die meisten LKW sind hoffnungslos überladen und wir haben auch schon einen schweren Unfall gesehen wo so ein riesen Ding einfach in der Kurve umgekippt ist. Und das an einer Stelle wo kaum mehr als 40 km/h gefahren werden kann. Auf großen offenen LKW-Anhängern transportieren die Inder auch riesige Marmorbrocken, die bestimmt mehrere Tonnen wiegen einfach so, ohne Gurte oder gar eine seitliche Brüstung auf dem Anhänger, sodass ich immer ganz froh bin, wenn wir nicht allzu lange hinter diesen Kolossen herfahren.
Und was natürlich den Verkehr noch mehr erschwert sind die ungewöhnlichen Verkehrsteilnehmer: freilaufende Kühe, Hunde, Schafe und Ziegen, Kamelkarren, Pferdekutschen und Fahrradrikschas, überbesetzte Autorikschas bei denen der Fahrer kaum herauskucken kann und andere Kuriositäten. Dennoch schaffen wir es irgendwie in knappen 6 Stunden nach Udaipur, wo wir die nächsten Tage bleiben wollen und beziehen ein riesiges Zimmer in einem wunderschönen alten Haveli mitten in der Altstadt.


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