Ans Meer? In die Berge? Beides! Kapstadt!


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March 9th 2017
Published: March 9th 2017
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Nach einem mehr als 15-stündigen Flug und leichten Schwierigkeiten am Flughafen genau unseren Uber-Fahrer zu finden kommen wir ziemlich geschafft in Kapstadt an. Wir wohnen bei Andrew im quirligen Bo-Kap, dem muslimischen Viertel an den Hängen des Signal Hill.

Bo-Kap bedeutet "oberhalb von Kapstadt" und ist bekannt für seine von bonbon-bunten kleinen Häusern gesäumten steilen kopsteingepflasterten Straßen. Hier lebt die große Gemeinde der so genannten Kapmalaien, Nachfahren der von den Niederländern im 16./17. Jahrhundert (allerdings überwiegend aus Indonesien und nicht aus Malaysia) nach Südafrika eingeschleppten Sklaven. Unser Haus ist gelb.



Wir erkunden noch ein bisschen die kleinen Straßen um unsere Unterkunft herum und laufen hinunter auf die Long Street, eine der Hauptstraßen in Kapstadt mit etlichen Läden, Cafés und Restaurants. Hier schlendern wir durch einen Park und sitzen am Green Market Square mit einem Kaffee in der Sonne während eine Band aus afrikanischen Trommlern den Platz beschallt. Und schon fühlt es sich an wie Urlaub.



Abends schaffen wir nicht mehr viel außer einen köstlichen Burger mit Fleisch und Hummer (!!) zu futtern und dann früh ins Bett zu schlüpfen um eine Nacht Schlaf aufzuholen und Morgen fit zu sein für unseren Paragliding-Tag.



Nach einem köstlichen Frühstück in einem der kleinen Cafés um die Ecke starten wir vom Signal Hill, dem kleinsten der Kapstadt einrahmenden "Hügel" zu unserem Tandem-Paraglidingflug. Es ist bestes Flug-Wetter mit reichlich Wind und so haben wir ganze 20 Minuten in der Luft bevor wir unten am Strand im noblen Sea Point landen. Wir fliegen über das WM-Stadion und die westlichen Stadtteile Kapstadts mit Blick auf den wolkenverhangenen Tafelberg, den Hafen, die "city bowl" (die Innenstadt Kapstadts) und den wilden Atlantik.

Nach den Landung spazieren wir am Meer entlang zur Victoria & Alfred Waterfront, einem aufgehübschten kleinen Vergnügungsviertel im Hafen mit Cafés, Märkten, Geschäften und Restaurants in alten Lagerhallen und Schiffscontainern. Von hier wollen wir eigentlich eine Bootstour nach Robben Island buchen, die aber heute leider schon ausgebucht ist. Also trödeln wir noch ein bisschen durch die Marktstände und dann zurück ins Bo-Kap, wo wir es uns mit einem Snack auf der kleinen Dachterrasse unseres Häusschens gemütlich machen. Es ist inzwischen noch ein Pärchen aus Kanada angereist, mit denen wir uns schnell anfreunden und als Andrew, unser Gastgeber, ankündigt, dass er mit ein paar Freunden zum Sonnenuntergang an den Clifton Beach zur "Silent Disco" fährt schließen wir uns spontan alle an. Schnell ist eine Kühltasche mit Getränken gepackt und kurz darauf sind wir schon an einem wunderschön geschützten kleinen Strandabschnitt im edlen Stadtteil Clifton. Hier haben direkt am Wasser drei DJ's ihre Mischpulte aufgebaut und für ein paar Euro bekommt man einen kabellosen Kopfhörer, mit dem man alle drei Kanäle so laut man will hören kann, ohne andere Gäste oder Anwohner zu belästigen. Am Anfang ist es noch etwas ungewohnt, die Leute zu einem scheinbar lautlosen Song durch den Sand tanzen zu sehen aber sobald man selbst einen Kopfhörer aufhat kann man selbst nicht mehr anders als sich -mit den Füßen wahlweise im butterweichen Sand oder im eiskalten Atlantik- zu den beats zu bewegen. Auffällig ist hier, dass das ein rein "weißes" Event zu sein scheint, nicht weil es nicht auch dunkelhäutigen Menschen offen stehen würde hier her zu kommen, ich denke aber, dass sich der lifestyle von "schwarz" und "weiß" doch einfach immernoch sehr unterscheidet und diese Art von Vergnügen wohl eher den (mit 8% Anteil an der Gesamtbevölkerung übrigens deutlich unterpräsentierten) Weißen zusagt.

Gegen 20 Uhr wird es kalt und wir brechen auf. Andrew hat leider ein wenig zu viel getrunken und so sind wir froh, als wir unbeschadet wieder vor der heimischen Haustür einparken. Zusammen mit den Kanadiern gehen wir noch eine Kleinigkeit essen und dann ins Bett.

Unser dritter Tag beginnt mit den absolut köstlichen riesigen Schinkencroissants von Jason's Bakery und einem Kaffee im Park.

Dann erkunden wir das District 6 Museum, das der Vertreibung einer ganzen Generation alteingesessener schwarzer Südafrikaner aus ihrem Viertel gewidmet ist. Der District 6 im Herzen der Stadt wurde unter dem Apartheid-Regime von dunkelhäutigen Mitbürgern gesäubert, welche fortan in den Townships am Stadtrand leben sollten. Dabei sollte gewährleistet werden dass die weißen Kapstädter "ungehindert" das Viertel queren und sich so frei in "ihrer" Stadt bewegen konnten!!

Das Museum ist sehr informativ auch wenn ein wenig der rote Faden fehlt. Es sind viele private Photos und Geschichten von Betroffenen ausgestellt und man erfährt darüber hinaus auch sonst noch einiges über die menschenverachtenden Praktiken der damaligen Regierung. Zum Beispiel dass alle Farbigen jederzeit eigene Pässe bei sich tragen mussten und willkürlichen Kontrollen dieses Passgesetzes unterlagen. Wurde man hier von der Polizei einmal ohne Pass angetroffen, wurde man dafür verhaftet. An den Wänden des Museum sind die alten Straßenschilder des Viertels ausgestellt. Ein Mann hatte damals die Aufgabe, sie alle abzuhängen und zu vernichten, hat sie jedoch stattdessen in seinem Keller aufbewahrt und letztlich dem Museum geschenkt.

Wir essen mittags in der Markthalle an der Waterfront und um 15 Uhr startet unsere 4-stündige Tour nach Robben Island, der berühmten Gefängnisinsel, auf der Nelson Mandela und einige seiner Weggefährten so viele Jahre ihres Lebens fristen mussten.

Und das ganze in Blickweite der Zivilisation, nur 11 km vor Kapstadt. Schon bevor das Apartheid-Regime dort politische Gefangene in einem eigenen Hochsicherheitstrakt einbuchtete, beherbergte die Insel ein Gefängnis für "normale Kriminelle", und auch während dieser Zeit gab es -strikt getrennt vom Rest- eine Gefangenenanstalt für Mörder, Räuber, Vergewaltiger, die sich allerdings nur "medium security prison" nannte!! Nach einer ca. 40-minütigen Überfahrt mit dem Boot und tollen Aussichten auf Kapstadt, die Bucht und den Tafelberg treffen wir auf Robben Island ein, wo wir zunächst eine geführte Rundfahrt mit Bussen zu einigen markanten Orten und schließlich von einem ehemaligen Insassen eine Führung durch das "high security prison" bekommen. Beides ist sehr interessant und hinterlässt ein beklemmendes Gefühl, so nah sind diese schlimmen Ereignisse in Südafrika noch. Unser Guide zum Beispiel wurde im Alter von nur 17 Jahren (manche wurden vor Gericht einfach älter gemacht, damit sie höhere Strafen erhalten konnten!!) wegen "Sabotage" zu 7,5 Jahren Hochsicherheitsgefängnis verurteilt. Er arbeitet acht Stunden täglich im Steinbruch und teilte sich zu Hochzeiten eine Massenzelle mit 60 Personen. Zwei mal im Jahr durfte man Besuch erhalten und einmal im Monat einen Brief schreiben und empfangen, der jedoch keinerlei Politische oder gesellschaftliche Inhalte von außen enthalten durfte und der Zensur unterlag. Die Führer der Anti-Apartheid-Bewegung hingegen verbrachten ihre Zeit für 23 Stunden am Tag in einer ca 4 qm großen Einzelzelle, um die anderen nicht beeinflussen oder aufhetzen zu können. Sie durften nichts aufschreiben und mussten ihre Notdurft in einem Eimer verrichten. Bis heute hat unser Guide, außer der Möglichkeit hier zu arbeiten, keinerlei Kompensation von der südafrikanischen Regierung bekommen. Wie er es aushalten kann, hier täglich mit dieser schlimmen Zeit konfrontiert zu sein, lautet eine Frage während der Führung. Nun, die meisten seiner ehemaligem Zellengenossen sind heute arbeitslos sagt er. Das wäre ein Grund. Und er möchte auch seine Geschichte interessierten Menschen aus aller Welt erzählen. Aber manchmal gibt es Tage, da hat er ohne dass er sagen könnte, woran es genau liegt, morgens wenn er aufsteht Schwierigkeiten, sich auf den Weg hierher zu machen.

Die Insel und das Gelände sind übrigens bis heute bewohnt. Etwa 200 Menschen, die meisten sind Mitarbeiter des inzwischen zum Weltkulturerbe erklärten Geländes, bewohnen die ehemaligen Häuser der Gefägniswärter. Auch das fände ich irgendwie ein unangenehmes Gefühl aber es sprechen bestimmt auch einige Gründe dafür hier zu wohnen.

Am Abend haben wir im Africa Café reserviert. Der Touristenfalle Nummer eins am Ort. Aber dennoch soll es sich lohnen. Wir probieren 16 verschiedene kleine Gerichte aus ganz Afrika und dürfen uns von denen, die wir am besten fanden, unbegrenzt nachbestellen. Dazu gibt es ein wenig afrikanischen Gesang und Getrommel, zu Beginn eine Traditionell afrikanische Handwaschzeremonie mit köstlich nach Rosen duftendem Wasser, und wer möchte bekommt eine kleine Kriegsbemalung ins Gesicht gepinselt ( na ratet mal wer mochte...). Alles in Allem war das wirklich ein netter und erstaunlich erschwinglicher Abend aber so richtig vom Hocker gehauen hat uns das Essen nicht. Lediglich vom Auberginendipp aus Marokko und dem knusprigen Käse-Joghurtbrot bestellen wir uns nach.

An unserem letzten Tag in Kapstadt wollen wir den Sonnenaufgang auf dem Lion's Head bestaunen und lassen uns deshalb schon gegen halb sechs am Startpunkt der Wanderroute abliefern. Der Lion's Head (669 m) liegt dem Tafelberg gegenüber und soll von weitem, ach nee, wie ein Löwenkopf aussehen, was wir bisher nicht bestätigen können. Wir sind allerdings bei Weitem nicht die einzigen , die heute früh hier hoch wandern. Es ist ein etwa 45-minütiger und recht angenehmer Aufstieg mit Blick auf die erwachende Metropole zu unseren Füßen. Im oberen Teil sind ein paar Steigeisen in den Fels gehauen und es gilt ein paar Leitern hochzuklettern, was das Ganze dann doch noch ein bisschen abenteuerlich macht. Leider vorallem für meine Hose, die sich mit einem lauten Ratsch am Hintern verabschiedet und dafür sorgt, dass ich mir ab jetzt meine Jacke umbinden muss um nicht halb nackt weiterzuklettern...

Etwa 10 Minuten vor Sonnenaufgang sind wir oben und suchen uns einen Sitzplatz für das zu erwartende Spektakel während sich der Gipfel des Lion's Head langsam mit nach Luft ringenden Wanderern füllt. Trotz des leichten Trubels ist die Aussicht wunderschön und der Sonnenaufgang taucht die gesamte Bucht in ein wunderbar warmes Licht. Jetzt nur noch schnell frühstücken und dann geht es raus aus der Stadt. Gegen 10 Uhr holen wir unseren Mietwagen ab und los geht es Richtung Norden in die Berge.

Kapstadt war ein toller Auftakt für diesem Urlaub. Die Stadt an sich ist keine Schöhnheit, aber sie liegt einfach traumhaft schön und bietet so viel Natur inmitten der Stadt, so viel Geschichte und so viel quirliges urbanes Leben. Was uns allerdings sehr aufgefallen ist, ist dass alle "niederen Jobs" in der Stadt (Bauarbeiter, die in der sengenden Hitze schuften, Taxi/Uber- und Busfahrer, Parkwächter, Einweiser, Sicherheitsdienste, Putzkolonnen etc.) von dunkelhäutigen Südafrikanern besetzt sind und auch die vielen traurigen Obdachlosen, die dich ständig -wenn auch höflich- um Geld bitten ausnahmslos schwarz sind. An den Stränden und in den Shoppingcentern, in den schickeren Restaurants und Läden sind dafür weitgehend weiße Südafrikaner unter sich. Irgendwie scheinen diese Unterschiede noch lange nicht ausgestanden...


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Sonnenaufgang am Lion's HeadSonnenaufgang am Lion's Head
Sonnenaufgang am Lion's Head

Blick auf den Signal Hill


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