Verschiedene Geschichten


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South Sudan's flag
Africa » South Sudan
June 23rd 2010
Published: June 23rd 2010
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Ich habe mich jetzt entschlossen im Folgenden keinen geschlossenen Text zu schreiben, sondern einfach mal abrissartig ein paar Themen abzuarbeiten, die ich immer mal wieder gefragt werde oder die mir immer wieder mal durch den Kopf schießen. Natürlich fehlen da immer eine Menge, so werde ich diesen Text immer mal wieder überarbeiten. Also, hier geht’s los:

Ärztliche Fürsorge

Aah, ein großes Thema!
Was tut man, wenn man in einem Land lebt, das 1. über zahllose lebensgefährliche Krankheiten verfügt, 2. es aber kaum lebenserhaltende Ärzte gibt???
Tja, da ist guter Rat einmal wirklich teuer, vor allen Dingen wenn einen dann zusätzlich noch das schlechte Gewissen quält dass man sich selbst zwar bei jedem verrenkten Rückenwirbel sofort außer Landes fliegen lassen könnte (siehe April) allen anderen vor Ort dies aber natürlich nicht möglich ist!
Ich bin bis jetzt dazu über gegangen mich selbst zu behandeln, muss dazu aber sagen, dass ich bisher (zumindest glaube, hoffe ich das) keine ernsthafte Erkrankung gehabt habe. Trotzdem lässt mich dieses ungute Gefühl nicht los. Es verunsichert mich. Macht mir wieder einmal klar, wie unglaublich glücklich wir uns schätzen können in Deutschland aufgewachsen zu sein, zu leben.

Wetter

Jaja, wenn Leute nichts mehr zu erzählen haben reden sie über das Wetter. Nicht so in Yei!
Es ist aber auch zu lustig. Kriegt man zu Hause den Kopf gewaschen, wenn man im Schneesturm 5 Minuten zu spät zum Job kommt, steht hier die Welt still wenn es… REGNET!!! Auch Temperaturschwankungen von 10°C (von 30°C auf 20°C zum Beispiel) sind eine Katastrophe. Dann wird sich in die Wintermäntel geworfen und möglichst warmer Tee getrunken, damit man sich nicht erkältet.
Gerne wird diese „Kühle“ auch mit dem „kalten Deutschland“ verglichen und dass ich mich dann ja jetzt hier ganz wohl fühlen müsste. Ich ernte immer wieder erstaunte Blicke, wenn ich dann anfange zu lachen und ihnen rate mich ja bloß nie in Deutschland zu besuchen. Haha!

Der Regen ist aber oft wirklich sintflutartig! Und die Blitze dazu sind eine Pracht! Letztens hat es bestimmt eine halbe Stunde am Himmel geblitzt und geblitzt. Kein Donner, kein Regen, eine merkwürdige Stille, bei der man unwillkürlich den Atem anhalten musste. Es war wirklich eindrucksvoll!

Paco

Ein mir sehr liebes Thema, das ich noch vor einem halben Jahr nicht für möglich gehalten hätte!

Die Geyr´s sind gemeinhin ja als recht passionierte Waldschrate bekannt. Mal mehr, mal weniger natürlich, aber die Tendenz geht auf jeden Fall in diese Richtung. Und das schließt in meiner Familie ein, ein rechter Jäger, ja ein rechter Mensch: der liebt Hunde! Und keine Katzen!
ALSO, trotz der ernstzunehmenden Gefahr endgültig enterbt zu werden, habe ich mich dazu entschlossen der Leere in unserem Compound entgegen zu wirken und Kevin eine Katze zu schenken! Gesagt getan. Paco, ein schwarz-weißes Minikätzchen wurde in einem Dschungeldorf (ehrlich wahr!!) entdeckt und im Austausch gegen ein Huhn (auch wahr!) in unseren Compound entführt. Dort lebte „es“ etwa 6 Wochen fröhlich als Männchen, wurde dicker und immer frecher und lustiger und entpuppte sich dann gestern endgültig als Weibchen! Katastrophe!!! Also, wenn jemand einen Tierarzt kennt, der entweder schon hier ist oder mich besuchen möchte, dann wär ich euch sehr dankbar wenn ihr ihn oder sie an mich vermitteln würdet! Ansonsten habe ich wohl in etwa 6-10 Monaten Katzenkinder zu verschenken… seufz!

Arbeit

Uh oh, ein riesen Thema!

Also, ich fange am besten bei der Beschreibung vom JRS Yei und seinem staff an.

Der JRS Yei arbeitet hier (in Yei eben) schon seit 2004, also schon vor Abschluss des „CPA“ des „Comprehensive Peace Agreement“, das von John Garang von der SPLA der „Sudanese People´s Liberation Army“ und der Sudanesischen Regierung 2005 unterzeichnet wurde und die offizielle Beendigung des 22jährigen Krieges zwischen dem (vornehmlich arabischen, muslimischen) Norden Sudans und dem (hauptsächlich schwarz-afrikanischen, christlichen) Süden Sudans bedeutete.

(Wer mehr dazu lesen möchte, dem empfehle ich: http://en.wikipedia.org/wiki/Second_Sudanese_Civil_War ? als Kurzüberblick
oder: http://library.fes.de/pdf-files/id/ipg/02865.pdf ? als längeren Einblick und sehr gut!
weiter: http://www.welt.de/politik/ausland/article5781128/Wenn-der-Sudan-brennt-brennt-bald-ganz-Afrika.html weil neuer
und http://www.addisraij.com/index.php?option=com_content&view=article&id=220:krieg-im-sudan-befuerchtet&catid=34:deutsch&Itemid=45 zeigt die Rolle Deutschlands im Sudankonflikt)

Schon damals beschäftige sich der JRS in Yei (und es ist auch sonst eines seiner Hauptanliegen) hauptsächlich mit dem Schulwesen. Er baute Schulen, vergab Stipendien, bildete Lehrer aus und versuchte in der Gesellschaft wieder ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie ein normales gesellschaftliches Gefüge und somit auch Familiengefüge aufgebaut sein sollte, so genanntes Peace building und in dieser Sparte eben auch Pastorale Arbeit.

Bis heute ist unser Office so aufgebaut:

Primary Education mit Stella und Bosco,
Secondary Education mit Mazaura Michael und Allan Gora,
Training (zum Beispiel Teacher Training) mit Viktor,
Affirmative Action mit Kasara Rose
und wir das Pastoral Department mit Kevin und mir.
Dazu kommt dann natürlich noch unser Logistiker Seme,
unsere Sekretärin Maneno und
unser Finanzmann Elias (ein seeeehr witziger Kenianer der mit Kevin und mir im Compound lebt) und unser Project Director Joseph Mangbi.

Alle außer Elias, Kevin und mir sind Sudanesen und sind, weil sie während des Krieges im Ausland gelebt haben, meistens in Uganda, sehr gebildet und gut ausgebildet.
Insgesamt hat der JRS 4 Projekte im Südsudan. In Yei, Lobone, Nimule, Kajo Keji und in Juba, der „Hauptstadt“, wenn man sie so nennen will.

Also, was macht das Pastoral Programme in Yei?

Grundsätzlich haben wir mehrere Aufgabenbereiche.

- Wir sollen dieses Jahr noch eine Community Hall bauen.
- Wir arbeiten mit den 22 vom JRS betreuten Schulen, zB in Form von Seminaren für die Lehrer. Außerdem versuche ich mit den Schülern grade eine Theatergruppe aufzubauen.
- Wir sollen die Katechisten der 7 Gemeinden und etwa 200 chapels so ausbilden, dass sie anschließend ihrer Arbeit nachgehen können.
- Außerdem wollen wir die Frauen im Sudan unterstützen, da sie die schwächsten Glieder der afrikanischen Gesellschaft sind und trotzdem fast alle Last auf ihnen liegt.

Was bedeutet das?

Die größte Arbeit sind eindeutig die Katechisten und die Frauen. Deswegen haben Kevin und ich erstmal diese Aufgaben zwischen uns geteilt. Er macht hauptsächlich die Katechisten und ich die Frauen. Natürlich passiert trotzdem nix ohne gegenseitige Absprache.

Katechisten

Die Katechisten sind hier im Sudan die eigentlichen Gemeinde- oder besser Chapelsleiter. Wie schon zuvor erklärt, ist es bei einer Größe einer Gemeinde von Nordrhein-Westfalen, ohne Straßen und ohne gute Fahrzeuge äußerst schwierig für die Priester jedes Dorf zu erreichen. Von Dschungel, Schlangen, usw. gar nicht zu sprechen. Deswegen sind die Gemeinden noch mal in „Chapels“ aufgeteilt, die etwa unserer Größe von Gemeinden entsprechen (zumindest VOR der allgemeinen Zusammenlegung zu Großgemeinden).
In diesen Chapels übernehmen die „Catechists“ die Rolle des Gemeindeleiters und Gemeindereferenten. Sie leiten Beerdigungen an und den Wortgottesdienst. Sie bilden die Jugend aus und beten den Rosenkranz. Wenn möglich bringen sie die Hl. Kommunion zu Kranken und am Sonntag zu ihrer Gemeinde. Außerdem natürlich Fürsorge für Kranke, Schlichter bei Streitereien usw. Und das alles und noch viel mehr OHNE BEZAHLUNG!!!!!!!!!!!
Und leider eben oftmals auch ohne Ausbildung und darin wollen wir ihnen nun eben helfen. Und bieten jetzt mehrere workshops an, in denen wir versuchen zumindest einen Teil der katholischen Lehre gut verständlich unterzubringen.

Frauen

Die Frauen im Sudan sind Heilige und gleichzeitig oft nicht mehr wert als ein Stein auf der Strasse. Und das sage ich nicht nur so, sondern sehe es leider fast täglich überall. Sie sind die Sklaven ihrer Männer. Sie kochen, putzen, hacken, graben, holen Wasser, stehen für Sex zur Verfügung und ziehen die Kinder ohne jede finanzielle Hilfe von Seiten ihrer Männer auf. Dazu sind sie sehr oft entgegen der eigenen Überzeugung, des Glaubens oder des eigenen Willens die 2. oder 3. Frau ihres Mannes, weil eine Frau ohne Mann eben noch weniger wert ist als eine mit Mann.
Dazu kommt, dass wenn sie sich scheiden lässt (oder besser wenn er sich scheiden lässt, weil sie zB nicht gut genug kocht oder launisch ist - ehrlich wahr!!!) die Kinder bei ihrem Mann bleiben und sie in Schimpf und Schande zurück zu ihren Eltern geschickt wird, die sie dann aber oft genug einfach wieder zurückschicken.

Diese Frauen, die alles tun, alles machen, alles aushalten, glauben nicht, dass sie irgendetwas ohne die Hilfe eines Mannes ausrichten, oder vollbringen können. Deswegen besteht meine Arbeit in erster Linie darin ihr Selbstbewusstsein zu stärken.

Wie mache ich das nun?

Gute Frage.
Ich soll ja im Endeffekt außer der seelsorgerischen Arbeit auch Geld mit ihnen verdienen. Und das ist es worauf ich am meisten Hoffnung setze. Wenn sie erst mal den Erfolg vor sich sehen und sie das Geld in den Händen halten und nicht ihre Männer, hoffe ich darauf, dass zumindest ein kleines Umdenken stattfindet. Stattfinden muss.

Ich habe jetzt in einer ersten Workshopsequenz erstmal einen Hygiene-Gesundheitskurs gegeben, weil ich das infolge der immer noch so krass hohen Kindersterblichkeit für unverzichtbar halte. In diesem Kurs habe ich versucht ihnen die Präventionsmaßnahmen gegen die hier häufigsten Krankheiten zu vermitteln. Typhus, HIV, Lepra, Tuberkulose, Cholera, Diarrhöe im allgemeinen, Malaria und Hepatitis.

Meine nächsten Kurse (und wahrscheinlich meine gesamte Zeit hier) werden sich mit den von ihnen gewünschten Zukunftsplänen beschäftigen. Ein Training für einen Laden, einer Getreidemühle, Seifenherstellung, Schneiderei, Mikrofinanzierung und Landwirtschaft. Viele von diesen Themen werde ich outsourcen (aaaaah ein schöner Begriff-hihi!), also an Professionelle abgeben, den Rest werde ich so gut es geht selbst auszufüllen versuchen, wie zum Beispiel die Seifenherstellung.

Und das ist, sehr abrissartig, meine und Kevins Arbeit hier im Sudan.


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23rd June 2010

hi nuni, super, mal wieder was von dir zu hören! sehr interessant! echt spannend. ich freu mich für den joh, daß er dich besuchen kann. bin mal gespannt, was ihr dann so macht und joh zu berichten hat. hier passiert eigentlich nichts spannendes. das gröbste in der bude ist jetzt geschafft. jetzt fehlt halt noch der feinschliff ( lampen, vorhänge, bilder, etc.) es wird aber jeden tag ein bißchen mehr. bei ikea begrüßt man uns schon mit handschlag, da wir inzwischen fast jedes we dort verbracht haben. es fehlen zwar immer noch ein paar dinge, aber jetzt wir müßen erstmal warten bis wir wieder etwas geld auf'm konto haben :). ansonsten läuft wm. mal gucken wie's heute abend für deutschland weitergeht. laß es dir weiterhin gutgehen und berichte fleißig. hast du gehört, daß bene wieder schwanger ist? hoffentlich geht alles gut. dickes bussi, kreuzl, desi
25th June 2010

Danke für den tollen Artikel. Ich war auch schon ganz gefesselt vom Lesen. Nutzt ihr eigentlich nur den Travelblog, oder habt ihr auch einen eigenen? Kevin von http://www.mein-rosenkranz.de/

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