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Published: October 16th 2018
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Es geht um nichts anderes als die simple Wahrnehmung und Wertschätzung allen Lebens."
Ich sitze am Strand in Santa Marta, bei Sonnenuntergang, bade meine Füße in hellgelbem feinem Sand und karibischem Meer. Ein letztes Mal. Mit einem Bier in der Hand. Nur fünf Minuten entfernt vom Flughafen, die Stimmung ist frühlich, heiter, kolumbianisch, mit lauter Musik aus mitgebrachten Boomboxen, Kinder spielen im Wasser, Pärchen knutschen im Abendlicht, Hunde inmitten der Meute, Mamasitas bereiten Snacks zu und quatschen bei Kaffee, die Varones (Kerle) sitzen mit Cerveza in ihren Plastikstühlen und beobachten wahnsinnig wichtig das Geschehen, Mitten unter ihnen ich, fühle mich geborgen, barfuß, mein Herz schreit laut auf vor Wehmut. Santa Marta, Taganga, Minca, ich werde das alles vermissen. In einer Stunde fliege ich nach Medellín. Das ist Realität.
Meine Zeit in Taganga war unvergleichlich, jeder Tag eine Freude, jeder Moment ein herzerwärmender Augenblick, jedes Wiedersehen wohlig und schön. Hier lebt mein Herz auf, hier ruht mein Kopf, hier atmet meine Seele. Die Zeit steht still, ich schlafe wie ein Baby, bin wach und geistesgegenwärtig wie eine Gazelle. Colombia, te amo con todo mi corazón.
Für einen Moment lang ein paar Tage zurück: Die Abreise aus Taganga, ein Tag
auf den ich nur sentimental zurückblicken kann. Ein befreundeter Taxista, José, hat mich bei mir zuhause am Ende der Bergstraße abgeholt. Mit all meinen Taschen hätte ich mir schwer getan, bis zur Bushaltestelle im Ort zu gehen, geschweige denn das alles im Bus zu transportieren. Da ich ja jetzt seit ein paar Tagen weiß, dass ich tatsächlich nach Hause fliege, habe ich groß eingekauft: Kaffee, Kakao, Kokos, ... alles was ich mitbringen kann, habe ich versucht unterzubringen. José, der Taxista, hat mir also geholfen meine Taschen ins Auto zu packen und mich zu einem Freundschaftspreis den ganzen Weg nach Minca gebracht. “
Bea, amiga, mit so viel Gepäck kannst du doch nicht busfahren”, sagte er mit besorgtem Blick. Dort angekommen, bot er mir an meine Reisetaschen für mich im Auto aufzubewahren, damit ich sie nicht für die eine Nacht mitnehmen muss. Zu meinem Freund Oscar, der in den Bergen der Sierra Nevada wohnt und sein Hostel dort mitten im Dschungel betreibt, ist es immerhin eine 20 Minuten Wanderung.
Endlich zurück in Minca, nach sieben Monaten Wunschträumen. (Wer nochmal nachlesen möchte,
hier gibt es fabelhafte Fotos von meinem ersten Besuch). Natürlich habe ich der lieben Paula im Cafe Minca sofort einen Besuch abgestattet. Als sie mich sah und
ich ihr sagte, dass ich vor einiger Zeit hier war und mich in den Ort und ihr Cafe verliebt habe, sagte sie nur: “
Ich weiß noch, du hast mich damals zum Weinen gebracht als du gesagt hast, dass du Kolumbien liebst, richtig? Wie schön, dass du wieder da bist! Minca te quiere!” Sie war so gerührt von meinen Erzählungen und meiner Leidenschaft für Kolumbien, dass ihr damals sofort Tränen in die Augen schoßen. Sie fragte mich damals, was denn so besonders an Kolumbien und Minca wäre - und ich erklärte ihr, dass ich, von allen Orten der Welt die ich bisher kenne, Minca am meisten liebe. Für viele Kolumbianer ist Reisen ein Luxus, der fernab von ihrer Realität stattfindet. Nicht nur, weil ihnen das Geld dazu fehlt, aber insbesondere weil die Kultur sehr stark auf den Zusammenhalt mit Familie und Freunden aufbaut. Die Kolumbianer haben es gut, sie lieben ihre Heimat, jeden Tag, leben mit Leidenschaft und Herz. Die Vorstellung ihr Land zu verlassen und monatelang von Freunden und Familie getrennt zu sein ist schwer nachzuvollziehen, auch wenn sie viel Interesse an ihren Besuchern haben. Paula und ich verabredeten uns also für später des Abends, ein Abend voller Geschichten, Tratsch,
ein fröhlicher Abend kulturellen Austauschs.
Angekommen bei Oscar habe ich mich sofort zurückversetzt gefühlt - zurückversetzt in die Zeit als ich im März zum ersten Mal hier war und über diesen magischen Ort inmitten des Dschungels und der Berge gestaunt habe. Ein Ort, der so eine Ruhe ausstrahlt, dass ich hier nichts anderes tun will als Zeit vergehen lassen und die Natur in mich aufsaugen: Umringt von tropischen Pflanzen, Früchten, Bergen, Flüssen, Kolibris, Aras, Tukanen, Affen, bunten Libellen, Schmetterlingen,... aufgrund der Regenzeit ist alles grün, frisch und der Anblick bezauberte mich neuerdings. Oscar hat mir sogleich seine neuen Freunde vorgestellt: Zwei Guacamayas (Papageien) die seit ein paar Wochen bei ihm am Grundstück leben. Ein junges Pärchen, das beschlossen hat diesen Ort zu bewohnen und seither neugierig und verspielt am Gelände umhertobt. Natürlich hab ich nicht widerstehen können und sofort mit ihnen gespielt und geschmust. Als Wildtiere sind sie natürlich zuerst etwas skeptisch, allerdings kannte ich das Verhalten von Papageien durch meine diversen gefiederten Haustiere und schlussendlich sind sie so neugierig und verspielt, dass es hatte ich sogleich zwei neue gefiederte Freunde, die mir in der Hängematte immer wieder einen Besuch abstatteten. Das ist schon ein ziemlich cooles Gefühl, wenn
ein derart großer Wildvogel beschließt dein Freund zu sein - und im Vorbeifliegen mitten im Dschungel einfach mal einen kurzen Stopp macht um Hallo zu sagen.
Was soll ich noch sagen? Oscar’s Place ist ein unbeschreiblicher Ort. Hier vergehen Stunden in unendlicher Ruhe und Fantasie, hier braucht man nichts weiter um sich geborgen zu fühlen außer der frischen Bergluft zum Atmen. Hier in der Hängematte laufen die Uhren langsamer. Hier bleibt alles unverändert und doch im ewigen Wandel, im natürlichen Kreislauf der Dinge. Mir fehlen die Worte um euch zu schildern wie sehr ich Oscar und Sandra respektiere. Sie leben dort in den Bergen, eins mit den Tieren, mit dem Rhythmus der Welt. Wenn ich um 05:00 Uhr aufwache und durch das Anwesen spaziere um den Sonnenaufgang in all seinen Farben und allen Richtungen in den Bergen zu bestaunen, kommt Sandra mir bereits mit einem Lächeln und einer Tasse Kaffee entgegen. Die beiden leben an diesem mystischen Ort, lieben ihr Projekt mit allem was sie haben und arbeiten unermüdlich um dieses Zuhause in den Bergen auch Gästen von weit her zugänglich zu machen. In einer Unfachheit, ungekünstelt, roh und doch so charmant. Wenn man Oscar und Sandra beim Geschichtenerzählen
zuhört, hört man die Stimme der Welt aus deren Mündern, Pachamama, Prakriti, nennt es wie ihr wollt. Mit so viel Achtsamkeit, Wertschätzung und Hingabe für alles Gegenwärtige und Vergängliche, für alle Formen des Lebens. Hier findet man das pure Leben, es ist unabdingbar, auch wenn man es nicht sucht oder nicht sehen will.
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Es geht um nichts anderes als die simple Wahrnehmung und Wertschätzung allen Lebens."
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