Sur – Kirmes auf Omanisch und eine Nachtwanderung im Rotlichtmilieu


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Middle East » Oman » Sur
February 16th 2023
Published: February 17th 2023
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Sur ist eine beschauliche kleine Hafenstadt, die sich um eine halbmondförmige Bucht gruppiert, und war früher eine bedeutende Handelsstadt und zudem das Zentrum des Schiffsbaus im Oman. Dhaus, die einst ozeantauglichen omanischen Segel- und Handelsschiffe aus Holz werden heute hier allerdings leider nur noch vereinzelt auf besondere Nachfrage und zu touristischen Zwecken gebaut. Der kleine Hafen ist längst im Besitz kleiner motorisierter Ausflugs- und Fischerboote. Der ellenlange Sandstrand im Zentrum ist auch hier wieder zur Mittagszeit menschenleer, erst gegen Abend soll er sich wieder mit Joggern und Fußballspielern füllen. Außerdem entdecken wir eine Art Jahrmarktgelände mit Buden, Garküchen, einer Bühne und einem kleinen Vergnügungspark mit Hüpfburgen direkt am Wasser.

Wir durchfahren von der Schnellstraße kommend einmal die gesamte Stadt und queren dann eine schicke moderne Hängebrücke, die uns in den Stadtteil Al Ayjah zu unserem Hotel führt, das auf einer kleinen Halbinsel in der Lagune von Sur liegt. Meerblick inklusive.

Nachdem wir uns ein bisschen erfrischt haben gehen wir los und wollen zu dem kleinen Jahrmarkt auf der anderen Seite der Brücke. Doch kurz hinter unserem Hotel sehen wir ein paar kleinere Menschengruppen den steinigen Hügel hinaufsteigen und fragen nach, ob es oben etwas zu Sehen gäbe. Dort oben sei ein Aussichtspunkt für den Sonnenuntergang versichert man uns, und so Kraxeln wir hinterher querfeldein den Schotter hinauf. Oben auf dem Felsenkamm liegt uns die Bucht mit ihren weißgetünchten Häusern, einem kleinen Leuchtturm und einer Moschee mit leuchtend blauer Kuppel zu Füßen. Ein paar improvisierte Stufen sind in den Fels gehauen auf dem man bis zur Spitze des kleinen Hügels klettern kann und von hier ist der Blick nochmal schöner. Der Umweg hat sich schonmal mehr als gelohnt. Von hier sehen wir auch, dass das Kirmesgelände gegenüber langsam zum Leben erwacht und es beginnt aus den Garküchen zu dampfen. Marlene möchte unbedingt über die Brücke laufen, sodass Dennis mit ihr läuft und ich mit Mats hinüber fahre, damit wir dann spät abends nicht mehr im Dunkeln zurücklaufen müssen. Leider verpassen wir uns, als Mats und ich den beiden an der Straße entlang entgegen laufen, und Dennis und Marlene direkt hinter der Brücke am Strand entlang zum Jahrmarkt laufen. Und so irren wir jeweils zu zweit fast eine Stunde über Strand und Jahrmarkt bis wir uns bei Einbruch der Dunkelheit endlich finden. Der Jahrmarkt ist inzwischen rappelvoll. Kurz vor dem Eingang wird noch einmal unter einem kleinen Pavillon schnell kollektiv gebetet, bevor die Omanis sich den weltlichen Freuden hingeben. Überall duftet es nach gegrilltem Fleisch, es gibt Eiscreme, Süßigkeitenstände und ein paar wild blinkende kleine Karussells die mit lauter arabischer Musik beschallt werden. Außerdem ein kleiner Parcours in dem eine Handvoll ältere Jungs in ihren traditionellen Outfits auf Quads im Kreis herum jagen. Irgendwie ist das ein kurioser Anblick, diese Mischung aus Tradition und Moderne, aber natürlich auch sehr repräsentativ für dieses Land im Allgemeinen. Vor der Bühne warten schon etliche Familien in ordentlichen Stuhlreihen geduldig auf den Beginn irgendeines Programms. Wie sich später heraus stellt kamen unter anderem zwei Arme Kerle in Ganzkörper-Mickey-Maus und -Minnie-Maus-Kostümen, denen bestimmt furchtbar heiß war. Außerdem eine traditionelle Musikgruppe mit Trommlern, Gesang und einer Art Dudelsackspieler. Die Musikgruppe besteht nur aus männlichen Musikern allesamt in weißen dishdashas, den nachthemdartigen knöchellangen traditionellen Gewändern. Dazu tragen sie hier statt den in Muskat meist gesehenen kumahs, runden bestickten Kopfbedeckungen, alle einen muzzar, ein zum Turban gebundenes gemustertes Tuch . Sie spielen betörend schön und insbesondere der Dudelsack passt erstaunlich gut zu den arabischen Gesängen. Mats und Marlene dürfen noch eine halbe Stunde in die „Kinderzone“, wo sie riesige aufblasbare Luftrutschen herunter sausen und Marlene eine neue Freundin findet, die sie an der Hand überallhin hinter sich herzieht. So schön zu Sehen, dass man nicht die gleiche Sprache sprechen muss um miteinander Spaß zu haben.

Zwei andere Mädchen bitten mich dann noch, dass ich ein Foto von Ihnen mit Marlene mache, nachdem Mats- ganz wie wir ihn kennen- dies zuvor verweigert hat. Unsere beiden blonden hellhäutigen Kinder werden hier natürlich überall angestarrt aber zum Glück im Regelfall nur sehr diskret angesprochen, es wird gewunken und sie werden mit Komplimenten überhäuft, die sie zum Glück ja noch nicht verstehen und sie daher völlig kalt lassen. Niemand fasst hier fremde Kinder ungefragt an. Wir fahren nachdem genug gerutscht wurde, noch in ein schönes Restaurant direkt an der Lagune weil Dennis gern Fisch essen möchte und dort sind wir heute- vermutlich auf Grund des Jahrmarktes – fast die einzigen Gäste. Es gibt wieder leckere Grillspieße, einen frisch gefangenen und vorher stolz präsentierten Kingfish, und für Marlene eine vegetarische Pizza. Dazu wieder frischen Kiwi-Saft, Massen an Hummus, Brot und Salat. Heute gehen wir vollgestopft ins Bett aber das ist im Nachhinein nicht so wild, da das Frühstück in unserem ansonsten sehr netten Hotel, nicht so umwerfend ist.

Am nächsten Morgen schauen wir uns noch in Sur die letzte verbliebene Dhau-Werft an, hier kann man den meist indischen oder pakistanischen Arbeitern über die Schulter schauen, wie sie in Handarbeit Holzbohle für Holzbohle aneinander nageln, kunstvolle Schnitzereien in das Holz schlagen und man kann auch auf einer wackeligen Leiter in den Bauch eines riesiges Dhau, an dem gerade gearbeitet wird, hineinsteigen. Mats ist es hier zu laut, denn hier wird an allen Ecken und Enden gesägt und Nägel in die Boote getrieben, aber wir anderen finden es faszinierend wie diese schönen alten Schiffe mit so viel Liebe zum Detail noch immer entstehen. Den Bauplan haben die Handwerker übrigens seit Jahrhunderten nur in ihren Köpfen, es existieren keine Aufzeichnungen darüber, wie ein Dhau zu bauen ist.

Wir schauen uns auch noch eine kleine Festung an, die auf einem Hügel über der Stadt thront, aber nicht sonderlich spektakulär ist.

Dann fahren wir noch ein paar Einkäufe erledigen und weiter zu unserem nächsten Ziel, dem östlichsten Zipfel der arabischen Halbinsel, der Landspitze Ras al Hadd. Ras al Hadd an sich ist nicht so spektakulär. Dafür die regelmäßigen Besucher, die den, hier auf 30 km unter Naturschutz stehenden, Strandabschnitt aufsuchen: Die grünen Meeresschildkröten. Sie kommen seit Generationen an diese Strände um ihre Eier abzulegen. Unter Führung darf man sich in einer abendlichen oder morgendlichen Gruppe an den Strand begeben und darauf hoffen, dass man eine oder mehrere davon zu Gesicht bekommt. Am Abend kommen die großen Schildkröten zur Eiablage, in den Morgenstunden zwischen vier und sechs Uhr kann man mit Glück die streichholzschachtelgroßen Babyschildkröten, bei ihrer gefährlichen Wanderung zurück ins Meer beobachten. Nur sieben bis acht Wochen nach der Eiablage, bei der die Schildkrötenmutter ihre Eier in einer mehrstündigen Aktion bis zu einem Meter tief im Sand vergräbt, kommen etwa 100 Babyschildkröten, ausgebrütet durch Sonne und Sand, zur Welt. Von zehntausend geschlüpften Babys, werden jedoch dank natürlicher Feinde und menschlicher Intervention in die Lebensräume der Tiere, nur drei oder vier die Geschlechtsreife von 30 Jahren erreichen. Die Weibchen kehren dann an den Strand ihrer Geburt zurück, um selbst dort ihre Eier abzulegen, wo sie geboren wurden. Und wie haben sie diesen inneren Kompass gestellt? Das ist bis heute nicht genau erforscht. Die Temperatur des Sandes während der Wochen der Inkubation beeinflusst übrigens das Geschlecht der Schildkrötenbabys. Ist er zwischen 26 und 28 Grad warm, schlüpfen mehr Männchen, bei 30 bis 34 Grad mehr Weibchen aus dem Gelege. Wir würden natürlich gerne die Babyschildkröten sehen und erhoffen uns auch von der Morgentour, dass weniger Leute in unserer Gruppe sein werden, im Moment ist allerdings Nebensaison und sowohl der Inhaber unseres Gästehauses als auch der Mann an der „Rezeption“ des Turtle Reserve, bei dem wir unsere Tickets reservieren, erklären, dass es morgens in den letzten fünf Tagen keine Sichtungen gab. Wir entscheiden uns also schweren Herzens für die Abendtour.

Wir verbringen den Nachmittag am langen, menschenleeren Strand von Ras al Hadd – auch hier werden seltsamerweise unsere Freunde die „Stachelfische“ in größeren Mengen tot angeschwemmt. Als wir nach einem leckeren Abendessen in unserer Unterkunft gegen 20.30 Uhr am Turtle Reserve ankommen, trifft uns dann doch fast der Schlag, hier sind locker 150-200 Menschen in der Lobby und scheinen auf unsere „Tour“ gebucht zu sein. Zum Glück waren wir schon mittags hier und haben uns einen Platz in „Gruppe Zwei“ gesichert, ansonsten hätten die Kinder diesen Abend wohl nicht so geschafft. Denn in insgesamt sechs Gruppen aufgeteilt gehen wir zeitversetzt ab 21 Uhr an den Strand, wo die Schildkrötenforscher des Turtle Reserve schon zuvor mit ihren Rotlichttaschenlampen den Strand abgesucht haben. „You are lucky“, heißt es, heute sind zwei Schildkröten da, und wir warten in Gruppen zu etwa 20 Personen zunächst am Rande der Dünen. Wir bewundern den endlosen Sternenhimmel und versuchen die Kinder bei Laune zu halten, bis wir endlich das „go“ bekommen, dass die Schildkröten das Graben beendet haben und bereits bei der Eiablage sind. Erst jetzt nähern wir uns leise und nur im Licht der Rotlichttaschenlampe unseres Führers dem Strand, müssen hier wieder warten, bis Gruppe Eins fertig ist und dann endlich nähern wir uns dem Tier. Ein riesiger Schatten sitzt in einem Sandloch und als der Führer ihn von hinten leicht anstrahlt können wir es sehen. Ein Panzer, ein kleiner Schwanz und etliche tischtennisballgroße, weiße Eier liegen bereits in diesem Loch und es kommen immer wieder welche dazu. Leider haben wir hier nur einen kurzen Moment und die Kinder, die neben der etwa einen Kilometer langen „Wanderung“ zum Strand auch schon hier eine halbe Stunde geduldig und leise im Sand sitzen mussten, werden langsam müde und die Stimmung kippt etwas. Aber nach nur kurzer Zeit des Wartens dürfen wir weiter zur zweiten Schildkröte, die bereits dabei ist, ihr Erdloch wieder zu zuschaufeln. Hier dürfen wir bestimmt fünf Minuten zu schauen und Mats und ich bekommen sogar eine richtige Ladung Sand ins Gesicht geschleudert, mit solcher Wucht baggert dieses ansonsten so behäbige Tier den Sand über ihr Nest. Was für eine Kraftanstrengung es für sie sein mag, lässt sich nur erahnen. Jetzt dürfen wir das Tier auch seitlich ein bisschen weiter vorne beobachten, sodass wir ihren Kopf sehen können. Was für ein toller Moment. Natürlich gibt es aber wie immer den einen Idioten (hier war es eine Idiotin), der sich nicht an die Regeln hält und mit dem Handy und eingeschaltetem Blitzlicht ein Bild der Schildkröte schießt. Darauf reagieren die Führer aber sofort und nehmen der Frau das Handy sogar bis zum Ende der Tour ab. Bravo!

Alles in Allem war es natürlich eine ganz schöne Massenabfertigung und gänzlich unbeeindruckt können die Schildkröten hiervon auch nicht geblieben sein. Aber die Leute hier sind sehr bemüht, den Einfluss auf die Schildkröten gering zu halten und so habe ich immer noch das Gefühl, dass man den Tieren eher etwas Gutes tut, indem man den Menschen hier an der Küste zeigt, dass Reisende bereit sind, Geld dafür zu bezahlen diese Tiere zu sehen und es sich möglicherweise mehr lohnt, sie zu schützen, als beispielweise die Eier auszubuddeln und zu verkaufen oder selbst zu essen.

Insgesamt würde ich daher sagen, dass ich es vermutlich wieder machen würde. Auch wenn die Morgentour vielleicht doch die bessere Wahl gewesen wäre.

Die Kinder sind nach dieser Erfahrung und auch auf Grund der fortgeschrittenen Uhrzeit jetzt so fertig, dass wir sie komplett zurück tragen müssen und so fallen wir alle nur noch ins Bett, das glücklicherweise nur 400 m entfernt vom Turtle Reserve steht.

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