Nizwa, Bahla, Misfat - Geschichten von Forts, Ziegen und einem verlassenen Dorf


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Middle East » Oman » Nizwa
February 21st 2023
Published: February 22nd 2023
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Nizwa ist bekannt für seinen freitäglichen Ziegenmarkt und das größte noch erhaltene Fort des Landes. Die 100.000 Einwohner Stadt ist zudem der erste Ort hier, in dem ich tatsächlich eine Art Altstadt erkenne. Die engen, kurvigen Gassen im Zentrum,
durch die unser dicker SUV gerade so durchpasst, verursachen dann auch einige Schweissausbrüche bei uns bis wir unser kleines Gasthaus gefunden haben. Wir haben wirklich eine Premium Lage direkt am Souq, an dem morgen am Freitag der Ziegenmarkt stattfindet
und ausserdem von den insgesamt zwei Dachterrassen einen tollen Blick über die engen Gassen bis hin zum Fort und in die Berge. Die Unterkunft ist die erste, die mich richtig vom Hocker haut hier im Oman. Wir schlafen in einem alten Lehmhaus,das mit viel Liebe
zum Detail modernisiert wurde und dennoch den Charme eines alten omanischen Hauses behalten hat. Statt Schränken gibt es Nischen in den Wänden und wunderschöne alte hölzerne Klappläden sperren die Sonne aus, bis man gegen Abend die Fenster zu dem süßen kleinen
Garten mit blühenden Büschen, Restaurant und Schaukeln in den Bäumen wieder öffnen kann. Auf der großen Dachterrasse blickt man von Schaukelsesseln oder den großen Bodenkissen aus in die Berge und rundherum in die engen Gassen von oben hinein. Ich liebe diesen
Ort auf Anhieb und freue mich, dass wir zwei Nächte hier sein werden. Wir entspannen kurz in unserem Zimmer und beschließen am späten Nachmittag, als die Hitze langsam weicht, das Fort zu besichtigen, dass ebenfalls nur wenige Gehminuten von uns entfernt liegt.
Es ist wirklich eine sehr beeindruckende riesige Anlage, die behutsam renoviert wurde. Wir steigen etliche Treppen rauf und runter um alle Räume zu besichtigen, schauen von der großen Wehrmauer in die verschiedenen Innenhöfe hinunter und weit über die Stadt hinaus. Die Kinder bestaunen die insgesamt sechs Falltüren, die sich in der Anlage finden und die zwischenzeitlich mit Glas überdeckt, einen ungefähren Eindruck davon geben,wie tief man damals fiel, wenn man als ungewollten Eindringling versehentlich hier
drauf trat. Vom riesigen runden Wehrturm aus hat man den besten Blick aber als wir gerade hochgeklettert sind, hören wir von unten Gesang und Trommelschlagen und sehen, dass eine Gruppe von Männern in weißen Dishdashas und mit Säbel im Innenhof dazu eine Art Tanz aufführt. Das Schauspiel wollen wir natürlich nicht verpassen und steigen schnell wieder ab. Eine Art Vorgsänger mit Trommel singt immer eine Zeile,die dann die Männer,die sich zu beiden Seiten von ihm aufgestellt haben, im Wechsel wiederholen und dazu
einige Schritte nach vorne tanzen und ihre Säbel in die Luft Schnellen lassen. Das Ganze ist recht simpel und wiederholt sich ständig aber
zieht trotzdem alle
Umstehenden in seinen Bann. Und als auch die Omanis alle die Handys zücken wage ich es auch ein paar Bilder zu machen.
Wir wandern noch ein bisschen durch die Gassen, essen noch ein paar Samosas (Marlenes neues Lieblingsessen hier, sie nennt sie 'Maultaschen') auf die Hand und kaufen ein paar Postkarten und Souvenirs. Abendessen
gibt es heute im Garten unserer Unterkunft, wo sie ein live barbeque machen und für Marlene extra eine Pizza kommen lassen, da es ansonsten keine vegetarische Alternative gibt. Man sucht sich von einer großen Platte Spieße aus, die dann auf den Grill kommen.dazu
gibt es arabisches Brot und Salat. Wir müssen alles nochmal nachbestellen, weil es so lecker ist und Marlene uns den ganzen Salat wegisst noch bevor ihre Pizza geliefert wird. Es wir am Ende unser bislang teuerstes Essen aber dafür war es auch unfassbar lecker und wir sitzen noch lange in dem zauberhaften kleinen Garten, bis uns Mats fast am Tisch einschläft. Am nächsten Morgen stehen wir Punkt 06.45 Uhr auf dem Goat Market, dem bekanntesten Spektakel der Stadt, mitten im Souk. Hier ist schon mächtig was los und neben hunderten von Omanis in ihren weißen Dishdashas und etlichen Touristen mit Kameras und Handys ausgestattet, sind hier auch hunderte Ziegen, Schafe und einige Dutzend Kühe und Kälber schon wach. Es herrscht noch Ruhe vor dem Sturm. Ziegen und Schafe sind noch neben ihren Besitzern angebunden und fressen genüsslich ihr Heu, während sie von potentiellen Käufern kritisch begutachtet werden. Auch viele kleine Zicklein und Lämmer drängeln sich neben ihren Müttern und sie tun mir ganz schön leid, denn die Lautstärke und der Rummel sind enorm und einige zittern die ganze Zeit. Auch Mats ist es jetzt schon zu laut hier und er braucht eine kurze Pause am Rande des Geschehens. Dann, wie auf ein unsichtbares Kommando geht es los und die Verkäufer stürmen mit ihren Ziegen den Ring. Aussen herum und im Innenbereich des Zirkels drängeln sich die Interessenten und Touristen, während die stolzen Besitzer schreiend ihre Tiere anpreisen und diese je nach Größe entweder auf dem Arm um den Ring tragen und nach allen Seiten hin vorzeigen oder an einem Strick hinter sich her zerren. Ist jemand interessiert hebt er wie bei einer Auktion den Arm und das Feilschen beginnt. Da ich mit Mats immernoch ein bisschen abseits stehe, bekommen wir nicht allzu viel von dem Treiben mit aber Dennis und Marlene stehen eine Weile ganz vorn. Marlene könnte sich das Treiben noch stundenlang von Dennis' Schulter aus ansehen, aber wir wollen dann irgendwann weiter und den Rest des großen Freitagsmarktes sehen. Der Souk von Nizwa ist anders als das enge Gassengewirr in Mutrah ein großes Freigelände auf dem diverse, nach Kategorien geordnete Verkaufshallen stehen. So gibt es neben dem gigantischen Fisch- und Fleischmarkt, einen für Tongefässe, einen für Silber und Schmuckwaren, einen Obst- und Gemüsemarkt, den Gewürzmarkt und sogar eine eigene Halle nur für Datteln. Ausserdem sind heute, am großen Markttag auch die breiten Straßen zwischen den Hallen durch fahrende Händler besetzt, die kleine Stände aufgebaut haben oder ihr Obst und Gemüse direkt von der Ladefläche ihrer Fahrzeuge aus verkaufen. Was wir am befremdlichsten finden ist der 'Waffenmarkt' , wo unter freiem Himmel rund um einen großen Baum Verkäufer Säbel, Pistolen und Gewehre ausgebreitet haben und die potentiellen Käufer mit diesen herumhantieren als wären es Spielzeuge. Wir bummeln ein bisschen, kaufen ein bisschen was ein und kehren schließlich zum Frühstück in ein kleines Café am Rande des Geschehens ein. Die Kinder essen ihr geliebtes rugag, das pfannkuchenartige arabische Brot, zusammengeklappt und gefüllt mit Omelett und einer Art Schmelzkäsecreme. Wir trinken erst Kaffee und dann Tee, dann frisch gepressten Saft und dazu Schawarma und bestellen immer mal wieder etwas Neues sodass wir bald zwei Stunden dort vor dem kleinen Café sitzen und das Markttreiben vor unseren Augen beobachten. Auch nach dem Frühstück bummeln wir noch weiter über den riesigen Markt und seine Hallen, probieren hier ein paar Datteln, trinken dort einen Zuckerrohrsaft, kaufen hier etwas Tee, bewundern dort die schön getöpferten Weihrauchbrenner. Irgendwann ist es Nachmittag und wir gehen zurück ins Hotel um noch ein bisschen im Garten zu entspannen. Die Kinder lieben die beiden wackeligen Holzschaukeln, die dort an einem großen Baum hängen. Wir lesen ein bisschen, futtern ein bisschen Obst und verbummeln den Nachmittag damit, der talentierten Ayna zuzusehen, die die Wand vor unseren Augen mit Pinsel und Farbe in ein Kunstwerk verwandelt. Schon gestern sind wir mir ihr ins Gespräch gekommen, sie ist 23 und Kunstlehrerin. Marlene darf ein bisschen mitmalen und so entsteht ein kurzes Gespräch. Sie erzählt in sehr gutem Englisch, dass sie noch nicht verheiratet ist und ihr die Kinder in der Schule im Moment völlig reichen und lacht dabei laut und mitreissend. Überhaupt kommt man hier in Nizwa zum ersten Mal mit den Einheimischen ins Gespräch. Nicht nur unsere beiden Gastgeber Ali und Mohammed, sondern auch Passanten und Händler sind für mehr als ein Schwätzchen zu haben und Dennis bekommt von einem älteren Herrn sogar seine Visitenkarte ausgehändigt, unter Omanis ist das auch im privaten Bereich üblich und eine Geste des Respektes.

Am Folgetag fahren wir noch ins 25 km entfernte Bahla, wo ein weiteres bedeutendes Fort, das älteste des Landes und Unesco Weltkulturerbe, steht. Bahla ist ansonsten ein eher verschlafenes Örtchen aber das große Fort aus dem 17. Jahrhundert, das auf einem Hügel über der Stadt thront, ist sehr beeindruckend und ganz anders als das in Nizwa. Es wurde zwar auch restauriert, ist aber längst nicht so herausgeputzt wie das Fort Nizwa und außerdem viel weniger besucht. Fast alleine streunen wir durch die schier endlose Ansammlung von Räumen, Treppen, Wehrgängen und Türmen. Da wir allerdings in der prallen Mittagshitze hier sind, ist das Ganze eine anstrengende Angelegenheit und wir müssen danach erstmal eine Kleinigkeit essen gehen und wir pumpen dort in minutenschnelle zwei große Flaschen gekühltes Wasser ab.

Der kleine, gegenüber dem Fort liegende, Souk von Bahla ist sehr herausgeputzt und wunderschön, wenn auch dadurch nicht mehr sehr authentisch. Hier sind hauptsächlich auf Touristen ausgelegte Läden und Cafés in einer luftigen und komplett einheitlich gestalteten Holz-Lehmkonstruktion untergebracht. Die meisten Läden sind aber auf Grund der Mittagszeit geschlossen und so streifen wir nur noch einmal durch den Souk bevor wir weiter ziehen zu unserem Tagesziel, der kleinen Bergoase Misfat al Abryeen, die sich auf 1000 Metern am Ende einer kurvigen Piste an den Hang schmiegt.

Misfat ist wirklich ein einmaliges kleines Dorf, das aus traditionellen Lehmbauten, jeder Menge Treppen und kleiner Tunnel besteht. Das alte Misfat ist teils verlassen, teils immernoch von der sehr konservativen lokalen Bevölkerung bewohnt. Die meisten Einwohner sind aber in das moderne Misfat auf der anderen Seite des Wadi gezogen, wo es mehr Infrastruktur gibt und die Straßen befahrbar sind. Dadurch hat sich das alte Misfat seine pittoreske Ursprünglichkeit vollständig bewahrt. Neben dem kleinen Ortskern und seinen verwinkelten Gassen ist insbesondere die sich terrassenförmig in den Wadi unter der Stadt ausbreitende große Plantage aus Dattel- und Bananenpalmen und das viele Jahrhunderte alte Bewässerungssystem mit kleinen gemauerten Kanälen, falaj genannt, sehenswert. Wir schlafen in einem restaurierten alten Guesthouse, das eines der wenigen noch bewohnbaren Gebäude im alten Misfat ist. Es wird von einer Familie geführt, die das riesige Haus ihres Großvaters zum Gasthaus umgebaut hat. Das Gebäude ist dreistöckig und völlig verwinkelt, über der dritten Etage in der sich auch unser Zimmer befindet, stapeln sich noch einmal vier oder vielmehr fünf durch kleine Treppen verbundene Terrassen. Ganz oben befindet sich das Restaurant mit einem traumhaften Blick in die Gassen von Misfat, über die Dächer und den Palmenhain im Wadi hinweg in die Berge. Auf der gegenüberliegenden Hangseite befindet sich das „neue“ Misfat. Unser Zimmer besteht aus einem großen Hauptraum mit Doppelbett, Bodenkissen, Kühlschrank und Tisch und einem höhlenartigen Nebenraum mit zwei Einzelbetten und in die Wand eingelassenen Nischen als Schrankraum. Die Kinder lieben ihre Schlafhöhle und verteilen munter alle ihre Gegenstände in die vielen Wandnischen. Und wir lieben es jetzt schon, dass wir abends einen Vorhang zu ihrem Zimmer schließen können und in unserem Zimmer noch wach bleiben können.

Aber zunächst mal gehen wir noch ein bisschen Wandern. Die Gassen des kleinen Ortes hat man schnell gesehen und wir steigen ab in den Wadi und wandern entlang der falaj Kanäle und der Palmenterrassen in den Wadi hinein. Da Marlene sich ein wenig den Fuß verstaucht hat muss Dennis sie leider fast den gesamten Weg auf die Schultern nehmen und so wandern wir nicht allzu weit. Es ist ein wunderschöner moderater Weg über grobe Steinstufen und Sandwege mit Blick in die terrassierten Plantagen und den schroffen aber grünen Wadi zu unserer rechten und weiteren grünen Plantagen zu unserer Linken. Wir folgen dem Pfad eine halbe Stunde und drehen dann irgendwann um, als es für Dennis zu beschwerlich wird. Wir sehen auch noch einen Kletterer, der eine sechs bis sieben Meter hohe Palme nur mit Hilfe eines kurzen Seils besteigt, dass er um sich und den Stamm legt und mit dem er sich hoch zieht, indem er es unter Spannung hält und immer höher wirft. Das finden vor Allem die Kinder super faszinierend und wir lassen uns zeigen, was er dort oben gepflückt hat. Es sind Dattelblüten. Klitzekleine gelblich weiße Rispen. Da er kein Englisch spricht, bin ich mir nicht ganz sicher, ob damit neue Bäume gepflanzt werden oder ob die Dattelblüten zu irgendetwas verarbeitet werden, aber die harte und nicht ganz ungefährliche Arbeit muss sich ja für irgendetwas lohnen. Wir gehen noch in ein kleines Roof-Top Café, das einzige Café im Ort, und trinken zum Sonnenuntergang dort in großen Hängesesseln einen frischen Eistee und Säfte. Dann ist es schon fast Abendbrotzeit und wir kehren zurück in unsere Unterkunft. In Misfat wird es jetzt ruhig, die meisten Leute, denen wir über Tag begegnet sind, sind Tagestouristen, darunter auch viele Omanis, da Misfat scheinbar gerade zu einem der „schönsten Dörfer Omans“ gewählt wurde, erwacht es langsam aus seinem Mauerblümchendasein. Hoffentlich bewahrt es sich seine Ursprünglichkeit. Es gibt nur eine Handvoll Unterkünfte, allesamt in alten, behutsam erhaltenen Häusern , und nur dieses eine Café. Hoffentlich wird es mit der Zeit nicht zu einem Museumsort. Mit dem Wegfall der Tagestouristen wird es leer und still in den Gassen des Ortes und kleine Lichter gehen an in den Durchgängen und Tunneln. Von der Terrasse unseres Hotels aus, sehen wir die Sonne hinter den Bergen verglühen und speisen wieder Mal vorzüglich. Hier probieren wir auch zum ersten Mal omanisches Halwa, das Nationaldessert, bestehend aus braunem Zucker, Ghee, Nüssen, Rosenwasser, und etlichen Gewürzen, die solange gerührt werden bis eine Art glibberiger Pudding entsteht. Wir mögen es leider beide nicht so sehr. Aber der Rest des Essens und auch das Frühstück am nächsten Tag sind vorzüglich. Und mit der Aussicht in die Berge schmeckt es nochmal so gut.

Morgen fahren wir dann selbst in die Berge.


Additional photos below
Photos: 34, Displayed: 31


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Fort BahlaFort Bahla
Fort Bahla

Unesco Weltkulturerbe


23rd February 2023

Wow!
Your photos of the landscapes, architecture and souks are beautiful :)
23rd February 2023

Thank you very much. It is such a beautiful country...

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