Willkommen im grellen, schrillen, verrückten Tokio


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Asia » Japan » Tokyo
March 27th 2015
Published: March 28th 2015
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Tokio Teil 1



Nachdem ich einmal quer durchs Land geflogen bin erreiche ich mein Hotel in Tokio am späten Abend und muss mich erstmal mit den doch etwas anderen Gepflogenheiten in einem Kapsel-Hotel vertraut machen. Das Konzept sieht so aus, dass der Schlafraum für Frauen mit 30 Kapseln im Erdgeschoss ist und die Schlafräume für Männer in den Etagen 3 und 4. Auf der zweiten Etage ist der "Frauenbereich" mit Schränken fürs Gepäck, der Toilette, einem Aufenthaltsraum mit Fernseher, dem Dusch-/Sauna-/Onsenbereich und einem riesigen verspiegelten Powder-Room, wo man sich frisch machen kann. In meinem Schrank befinden sich drei Handtücher und ein japanischer Leinen-Pyjama und auch sonst gibt es hier alles: Einmalzahnbürsten und -haarbürsten, Haartrockner, Abschminklotion und Wattepads und im Duschbereich Shampoo, Duschgel und Conditioner von shiseido!! Es ist also durchaus möglich, hier völlig ohne Gepäck anzureisen und zum Beispiel als Landei in der Stadt auszugehen und dann hier zu übernachten, wenn man die letzte Bahn nach Hause verpasst.

Auf der Frauenetage laufen alle in ihren roten Pyjamas rum und es ist ein riesen Geschnatter. Im Schlafraum ist es dafür recht ruhig und einige schlafen auch schon, als ich Kapsel Nr. 25 in der oberen Reihe beziehe. Es ist tatsächlich nicht viel mehr als eine Schlafröhre, die man vorne mit einem Rattanrollo schließen, jedoch nicht abschließen kann. Sieht eigentlich sehr gemütlich aus, Bettwäsche ist ausreichend vorhanden, ein Wecker ist da, ein kleiner Fernseher hängt an der Decke und es gibt wenigstens ein bisschen Abstellfläche in Form von kleinen Mulden in der Kapselwand, damit man nicht immer alles oben im Schrank haben muss. Der ist für meinen Rucksack nämlich auch ziemlich klein.

Auf der Hausordnung, die ich auf englisch ausgehändigt bekommen habe, steht dass drei Dinge verboten sind: Essen und Trinken mitbringen, außerhalb des Raucherbereichs Rauchen und anderen Leuten sein Tattoo zeigen. Und auch am Duschbereich steht, dass Betrunkene und Tattoos hier nicht erlaubt sind. Haha, witzig, wie soll ich denn duschen? Mit Hose an? Der Badebereich ist super schön und eigentlich gefällt mir das ganze Konzept auch echt gut. Nur doof, dass man ein Stockwerk höher muss, wenn man nachts auf Toilette muss. Die Nacht hier kostet mich übrigens inklusive aller erwähnten Annehmlichkeiten ca. 28€, ein echtes Schnäppchen im teuren Tokio.

Ich schlafe tatsächlich sehr gut in meiner Koje und da ich jetzt eine Woche hier sein werde und genug Zeit für alles habe, schlafe ich auch erstmal genüsslich aus.

Die gesamten ersten Tag streune ich dann durch Tokio und besuche die trubeligen Stadtteile Shinjuku ( Das Ausgehviertel mit Bars, Restaurants, Karaoke-Schuppen und Clubs) und Shibuya ( Das Shoppingviertel mit allerlei verrückten Läden, ner Menge szeniger japanischer Teenager und den üblichen, meist internationalen Laden-Ketten). Das hier ist das Tokio wie ich es mir vorgestellt hab, laut und bunt und verrückt. Neonreklamen leuchten von überall, Musik plärrt an jeder Straßenecke aus den Lautsprechern und an der riesigen Shibuya-Kreuzung dürfen bei grün alle Fußgänger gleichzeitig laufen und zwar jeweils über eine der vier Straßen oder auch mitten quer rüber auf einem riesigen Zebrastreifen. Hier sitze ich eine Weile im zweiten Stock des Starbucks und schaue einfach nur begeistert diesem geordneten Durcheinander zu. In Shinjuku gibt es außerdem eine kostenlose Aussichtsetage im Rathaus, von dessen 45. Stockwerk man einen tollen Blick über Tokio hat. Und natürlich kann ich es auch nicht lassen und kaufe ein "ein bisschen" ein. So vergeht der erste Tag recht schnell.

Am frühen Abend treffe ich Ebi und er führt mich nach Odaiba aus, einem vor einigen Jahren neu angelegten Stadtteil in der Bucht von Tokio. Wir fahren mit einer führerlosen Monorail-Bahn über die Rainbow-Bridge und speisen dann mit Blick auf die erleuchtete Skyline von Tokio und den Tokio Tower leckere Yakitori-Spieße ( ich Tunfisch, er irgendwelche Hühner-Innereien), japanisches Omelett, Fingerfood und Salate. Der Stadtteil Odaiba wurde als riesiges Vergnügungszentrum konstruiert, es gibt ein Aquarium, ein Legoland, riesige Malls mit Aussichtsterrassen, unzählige Restaurants, ein 150 m hohes Riesenrad, eine kleine Toyota-Rennstrecke, ein Wachsfigurenkabinett und und und. Nach dem Essen spazieren wir noch ein bisschen umher und fahren eine Runde mit dem Riesenrad. Es ist total schön, ihn wieder zu sehen und so wird es etwas später, bis ich wieder in meine Kapsel krieche. So hatte ich aber wenigstens das Onsen für mich alleine und musste vor niemandem mein Tattoo verstecken.

Auch am nächsten Tag schlafe ich gemütlich aus und fahre dann die nächsten beiden verrückten Stadtteile abhaken: das Manga-, Spielhöllen- und Elektroviertel Akihabara und das quirlige Asakusa mit seinen bunten Straßenmärkten. Von Akihabara bin ich etwas enttäuscht. Es wird einem immer suggeriert, dass hier in der Hochburg der Maid-Cafés, tausende dieser verrückten Menschen herumlaufen, die sich wie Manga-Figuren kleiden und aufbrezeln und dass hier eine Spielhölle neben der anderen wäre. Und damit meine ich keine verrauchten, verruchten Spielotheken wie bei uns sondern diese bunten, verrückten, Epilepsie verursachenden Automatenspielplätze für Erwachsene mit Videogames, die in echten Autokabinen und mit echten Plastikpistolen ausgetragen werden. Davon gibt es schon ein paar, und auch ein paar Comicläden und freakige Geschäfte und ab und zu steht auch ein Mädchen im süßen Krankenschwesteroutfit herum und wirbt mit quietschiger Stimme für ein Maid-Café, aber irgendwie hatte ich mir alles aufregender vorgestellt. Ich gehe einmal durch einen der riesigen Elektroläden und trödele durch ein paar der Spielhallen, die wirklich mit allem aufwarten, was man sich vorstellen kann: Trampoline, auf denen man Tanzvideos spielen kann, echte Drums, mit denen man ein auf dem Computer dargestelltes Lied nachspielen kann, egoshooter-Kabinen, vor denen riesige Plastikwaffen zur Auswahl stehen und zig "Rennautos", hinter deren Steuer man Platz nehmen und dann die virtuellen Rennstrecken dieser Welt befahren kann. Hier spielen schon (noch?) morgens um elf nicht nur punkige Jugendliche an den Konsolen, sondern auch Anzugträgertypen mit rotumrandeten Augen, die heftig Atmen und völlig unter Strom stehen. Definitiv auch eine Art Spielsucht. Natürlich gibt es auch die normalen Spielhallen, hier Pachinko genannt, mit klassischen Automatenspielen, aber die gibt es eigentlich überall in den Städten. Hier sitzen aber auch im Gegensatz zu Deutschland, wo Spielotheken immer irgendwie etwas schmuddeliges und verruchtes haben, Oma und Opa, Businessfrau und Familienpapa nebeneinander in einer knallbunten, ständig Musik trällernden und super schicken Halle und verbringen Stunden damit, Geld in Automaten zu werfen und irgendwelche Knöpfe zu drücken. Ein Mindestalter scheint es für dieses Volks-Hobby auch nicht zu geben. Akihabara lasse ich also schnell hinter mir.

Es ist total schönes Wetter und richtig warm und so beschließe ich, etwas U-Bahn-Geld zu sparen und nach Asakusa zu laufen. Abseits der großen Straßen, der Einkaufs-und Businessviertel ist Tokio eine verschlafene, unspektakuläre Stadt, in der nicht mal sonderlich viel Verkehr herrscht und so wandere ich ungestört eine gute Stunde durch die Straßen, bis ich in Asakusa ankomme. Hier gibt es noch viele kleine Läden mit Handwerk wie Keramik, Handgemachten Messern und Stoffwaren und natürlich kann ich es nicht lassen etwas zu stöbern und auch "etwas" zu kaufen (das später in fünf Tüten heimgetragen werden muss). Irgendwann verwandeln sich die Straßen mit den engen Ladengeschäften in einen offenen Markt, mit allerhand Schund, Schönem und Speisen. Hier sind die Straßen auch plötzlich wieder voll von Leuten und so dauert es eine Weile, bis ich mich zum Flussufer des Sumidagawa River durchgewühlt habe. Von hier hat man einen schönen Blick auf die modernen Gebäude auf der anderen Seite und den Tokio Skytree, den mit 643 m höchsten Turm der Welt (und dem zweithöchsten Gebäude der Welt). Hier blühen schon einige Kirschbäume und die anwesenden Japaner sind schon wieder halb am durchdrehen deswegen, fotografieren sich unter und neben jeder sich gerade öffnenden Blüte, lassen sich zu ständigen ooohs und aaahs hinreissen und strahlen und hüpfen aufgeregt durcheinander wie am ersten Schultag. Mir wird das irgendwie alles zu viel und ich beschließe, es für heute gut sein zu lassen mit den Menschenmengen und ins Hotel zu fahren. Ich lade meine Tüten ab, schummele mein Tattoo nochmal ins Bad und gehe dann nur noch gemütlich um die Ecke ein paar Teigtaschen essen.

Am Samstag will ich früh aufstehen, um den berühmtesten Vulkan Japans, den Fuji - nein, er heisst nicht Fujiyama, das war ein Übersetzungsfehler- zu besichtigen. Gegen 08.30 Uhr stehe ich in Shinjuku vor dem Schalter der Bahngesellschaft, deren Züge nach Hakone, einen bekannten Ferienort im Fuji-Izu-Hakone-Nationalpark etwa 100 km von Tokio entfernt, fahren und muss mir leider sagen lassen, dass ich nicht früh genug aufgestanden bin und alle Expresszüge bis 13 Uhr schon ausverkauft sind. Ich muss
Schwefel-QuellenSchwefel-QuellenSchwefel-Quellen

Fuji-Hakone-Izu-Nationalpark
also mit der langsamen Local Train fahren und vermutlich wird es sehr voll werden in Hakone... zum Trost kaufe ich mir dafür den Free Pass, einen Fahrschein, der mir für knapp 45€ erlaubt, alle Verkehrsmittel der Region d.h. Bus, Bahn, CableCar, Seilbahn und Schiff zu benutzen. Scheint ein guter deal zu sein, wenn man bedenkt, dass Hin-und Rückfahrt schon 30€ kosten. Es gibt eine klassische Route, die alle diese Verkehrsmittel beinhaltet und in etwa 5 Stunden zu absolvieren ist, wobei man verschiedene Blicke auf den Fuji bekommt und selbst noch einen Vulkan "besteigt". Also los. Ich und tausende Japaner hatten für heute wohl die gleiche Idee und so besteht mein Tag neben viel Zeit in etlichen Verkehrsmitteln auch aus viel Zeit in Warteschlangen. Kurz gefasst, lässt sich der Tag so beschreiben: Zuerst zwei Stunden mit dem Zug nach Hakone, dann Schlange stehen und in einen kleinen anderen Zug umsteigen, der sich langsam im Zickzack den Berg hochschaukelt bis zur Talstation der Cable Car. Dort Schlange stehen und hochfahren bis zur Seilbahnstation. Schlange Stehen. Auf die Bergstation auf den Owakudani hochfahren. Den gegenüberliegenden Fuji bewundern. Einen kleinen Spaziergang zu einigen Quellen machen, aus denen hier oben stinkendes Schwefelwasser dampfend emporsteigt. Menschen
Boot auf dem Ashi-SeeBoot auf dem Ashi-SeeBoot auf dem Ashi-See

Fuji-Hakone-Izu-Nationalpark
bewundern, die die Eier essen, die darin gekocht werden und die bestimmt genauso schmecken wie sie riechen. Eine Suppe essen und dabei noch mehr den Fuji vor dem Fenster bewundern. Wieder Schlange stehen. Mit der Seilbahn wieder runter fahren zum Ashi-See. Schlange Stehen. Auf dem Boot über den See fahren, dabei nochmal den Fuji bewundern. Schlange stehen um den Bus zu kriegen, der wieder nach Hakone fährt. Diesmal wenigstens mit dem Expresszug zurück nach Shinjuku fahren. Es war ein schöner Tag, aber ein wenig stressig. Und so treffe ich mich nur noch mit Maurice, der inzwischen auch wieder in Tokio ist, auf ein Abendessen und einen kleinen Spaziergang zur Aussichtsetage auf dem Rathaus (wer hätte es gedacht, auch hier stehen wir 30 Minuten in der Warteschlange). Von hier oben ist Tokio bei Nacht ein riesiges unendliches Lichtermeer und wieder ein anderer Anblick als vom Riesenrad in der Bucht aus.



Und immer noch gibt es Neues zu beobachten:

In Tokio gibt es eigene "Ladies Carts" in der U-Bahn. Die sind rosa und dürfen nur von Frauen benutzt werden. Hintergrund ist wohl, dass es vermehrt zu sexuellen Belästigungen oder gar Übergriffen in den zur Rush-Hour gestopft vollen U-Bahnen kam, bei denen die Menschen wirklich so dicht beieinander stehen, dass dies von einigen Herren der Schöpfung schamlos ausgenutzt wurde. Was allerdings passiert, wenn man als Mann in so einem Waggon mitfährt, ob das eine Ordnungswidrigkeit darstellt oder Strafe kostet, weiß ich nicht.

Nase Hochziehen ist en vogue. Mir fiel immer wieder auf, dass in Japan niemand in der Öffentlichkeit seine Nase putzt. Im Gegensatz dazu, ist es durchaus üblich, ständig geräuschvoll die Nase hochzuziehen. Außer mich scheint das niemanden zu stören. Und so habe ich mich schlau gemacht und erfahren, dass es als unhöflich gilt, sich vor anderen Leuten die Nase zu putzen. Na gut, und was bleibt einem dann anderes übrig, als bei einer Erkältung oder auch bei der heißen Suppe halt hochzuziehen, was nicht rauskommen darf.


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Der perfekte Kegel des FujisanDer perfekte Kegel des Fujisan
Der perfekte Kegel des Fujisan

Fuji-Hakone-Izu-Nationalpark
Schwefel-EierSchwefel-Eier
Schwefel-Eier

Fuji-Hakone-Izu-Nationalpark
Mount Fuji überragt den Ashi-SeeMount Fuji überragt den Ashi-See
Mount Fuji überragt den Ashi-See

Fuji-Hakone-Izu-Nationalpark


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