Amritsar: Ein Tempel wie nur je einer eines Gottes wuerdig


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September 22nd 2008
Published: September 22nd 2008
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Amritsar; eine Stadt ohnegleichen in vielerlei Hinsicht. Um sie und ihren Zauber wenigstens ein kleinwenig zu verstehen -fuer vielmehr reicht die kurze Besuchszeit von zwei Tagen sowieso nicht aus- muss man sich mit der in ihr vorherrschenden Religion auseinandersetzen: Sikhismus ist, im 15. Jahrhundert entstanden, eine sehr junge monotheistische Religion und gleichzeitig die modernste mir bekannte. Es gibt einen Gott, er hat keinen Namen, keine Form, wirkt keine Wunder als Machtdemonstration (eig. eine Errungenschaft des wohl doch im Vergleich zum Christentum und Hinduismus religionsdogmatisch sehr modernen Islam) und Ziel ist es fuer den Menschen posthum eine Vereinigung mit diesem Gott zu erreichen. Diese steht jedem Menschen gleichermassen offen (ueberhaupt wendet sich der Sikhismus gegen jegliche Ungleichbehandlung egal ob des Geschlechts, der Rasse oder der Religion) und wird egal ob man nun eigentlich Sikh, Moslem, Christ oder was etwas andres ist, einzig durch die Ueberwindung jeglicher Form von Egoismus erreicht. Also: Durch Egoismusueberwindung naehert man sich dem Transzendentalen. Abgesehen davon gibt es soetwas wie gut und bose oder weiss und schwarz nicht.
Fuer uns nach einer vielstuendigen Taxifahrt in aller Herrgottsfrueh Ankommenden bedeutet die Egoismusueberwindung zunaechst, dass uns wie allen "Pilgern" beim goldenen Tempel eine Gratisunterkunft in einem der vielen Schlafsaele angeboten wird, die wir aber weil (ein sehr "Sikhfremder" Gedanke sich vom gemeinen Volke abzuheben, sogar der Koenig schlief und speiste hier neben den Bettlern; J. wird also keine Vereinigung mit Gott zustandebringen) fuer die weibliche Mitfahrerschaft nicht standesgemaess, ausgeschlagen wird.
Wir steigen also im Hotel nebenan ab, schlafen uns noch einmal aus und besuchen nach einem kleinen indischen Fruehstueck das groesste Heiligtum der Sikhs, den goldenen Tempel. Auch wenn er bei Nacht noch wesentlich beeindruckender als unter Tags aussieht beschleicht mich jetzt schon der Gedanke, dass wenn Gott eine schwaeche fuer Aesthetik und auch Pomp hat, er vermutlich wirklich hier wohnt...Aber Gott ist ja nicht fassbar, hier wohen nur die Heiligen Buecher, die ununterbrochen alle von Priestern gelesen und gleichzeigit gesegnet werdend, -ein durchaus sympatischer Gedanke finden wir- nicht als Buecher sondern als Menschen betrachtet werden.
Der Tempel befindet sich also in der Mitte eines kleinen kuenstlichen Sees mit heiligem Wasser, (hier zu baden reinigt die Seele, da unsere Seelen aber schon sauber sind...) der gleichzeitig selbst von einem Weg aus weissem und immer blitzblank geputzten (man waescht hier zu besonderen Anlaessen auch mit Milch) Marmor umrandet ist. Um hier hineinzukommen muss man entweder einen Turban, oder ein gratis zur Verfuegung gestelltes sogenanntes "Idiotenkopftuch" tragen und seine Schuhe abgeben. Als wir dem Mann bei der Garderobe dann Geld fuer seine Dienste geben wollen erleben wir (siehe Egoismusueberwindung) unser blaues Wunder: Er nimmt es nicht an. Ohne dass das jetzt abwertend klingen soll: Dass jemand Geld nicht annimmt ist mir in Indien noch nicht untergekommen.
Sodann besuchen wir das Museum, das die sehr gewalttaetige Geschichte der Sikhs vor Augen fuehrt. Noch heute traegt uebrigens jeder Sikh ein Schwert oder zumindest einen Dolch. J. meint sie koenne P. hier nur als Mann betrachten wenn dieser sich auch entsprechend ausrueste, woraufhin dieser aber nach langem Nachdenken zum Schluss kommt, dass er schon ausreichend ausgeruestet sei.
Am Nachmittag treffen wir uebrigens die beiden Amerikaner Nicholai und Kelly wieder, die uns -und jetzt wird die Blogzensur einmal etwas gehoben, es ist ja nichts passiert- zu einem etwas riskanten aber hochamuesanten Abendprogramm ueberreden: Wir besuchen etwas aengstlich aber frohen Mutes(vor 2 Tagen gab es in Delhi ja mehrere Bombenanschlaege und Amritsar ist sowieso potentiell bedroht) ein paar Kilometer weiter an die Grenze zu Pakistan zu fahren und der abendlichen Grenzschliessungszeremonie beizuwohnen. Es ist zum bruellen: Auf beiden Seiten, Indien und Pakistan ist jeweils eine kleine halbkreisfoermige Arena im Stil eines alten griechischen Theaters erbaut, an der Stelle an der die Buehne waere ist der Grenzuebergang. Zunachst wird auf beiden Seiten, offensichtlich mit dem Vorsatz einander zu uebertoenen, unglaublich laute aber eben unterschiedliche Popmusik gespielt zu der die Menge tanzt und Fahnen schwenkt.
Dann kommt der soldatische Wettkampf: Der indische Offizier auf der einen und der pakistanische auf der anderen Seite bruellen jeweils so lange ihr Atem haelt einen gleichbleibenden Ton in ein Mikrophon. Geht ihnen die Luft aus marschieren jeweils Soldaten des Offiziers, der nicht mehr kann in einem absurden Stechschritt, bei dem die Knie beinahe die Nase beruehren, zur Grenze hin und schuetteln den Soldaten der anderen Seite die Hand...ein wirklich absurd-witziges aber auch freundschaftliches Spektakel, das man wegen des seit 1947 wahrenden Konflikts mit Pakistan nicht erwartet haette.
Den Abend verbringen wir dann zunaechst in einem muslimischen Lokal bei wunderbarem Essen und Bier(wir bestechen bzw. ueberreden den Kellner "einkaufen" zu gehen) und dann beim Tempel, bei dem uns Glaeubige ueber ihre Religion unterrichten und wir dann den Sokrates des Sikhismus treffen: Ein alter Mann, der offensichtlich hier trotz sehr bescheidenem Aeusseren grosse Autoritaet geniesst und nicht arbeitet, sondern ganz nach Platons Dialogen den ganzen Tag herumstreift um Menschen fragen zu stellen und sie dann in den Widersprueche, in die sie sich selbst begeben haben, zu verwickeln. Mit ihm unterhalten wir uns bis um 3 in der Frueh der Tempel seine Pforten oeffnet und wir innen die schoenen Wandmalerein und heiligen Buecher bewundern, sowie einen gesegneten Griesbrei essen koennen(erstaunlich gut und natuerlich gratis).
Am naechsten Morgen fruehstucken wir noch einmal im Speisesaal beim Tempel, in dem jeder Mensch zu jeder Tageszeit ein kostenloses Essen erhaelt, das sich sehen lassen kann (es ist einfach, aber sehr gut und in Indien eine Sensation wie auch gleichzeitig eine grosse Errungenschaft des Sikhismus; es gibt bei jedem Sikhtempel der Welt so einen Speisesaal und sie haben den Hunger in vielen Regionen eingedaemmt) und bereiten uns fuer die 22stuendige Zugfahrt nach Varanasi vor.

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