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Published: October 27th 2010
Am Mi, den 22.10.2010 war das Moon-Cake-festival a.k.a. Mid-autumn-festival - letztenendes similar dem Erntedankfest / thanksgiving - und dies bedeutete hier in China 3 days off. Da es auf der anderen Seite hier auch keine "heiligen" Sonntage gibt, waren der folgende SA und SO ganz normale Arbeitstage. Überhaupt sind hier Feiertage und/oder Sonntage auch etwas anders als bei Europa. Je größer und "heiliger" der Feiertag, desto größer die Rabattschlacht in den Kaufhäusern. Aber nicht vor den jeweiligen Feiertagen, sondern an eben diesen.
Wie auch immer, moon cake festival... wo bitte ist mein moon cake ?
Also ungefähr zwei wochen vorher ging ne liste rum in der man sich eintragen musste und u.a. auch gefragt wurde, ob man Single ist. Hab natürlich ja angekreuzt. :-)
Aber das ding war keine kontaktbörse, sondern man verschenkt den moon cake an personen, die man sehr lieb hat. Alle singles indes bekamen ne grosse schachtel moon cake von der firma. Ich glaube an diesem tag waren viel mehr leute single als sonst. Auch ich habe meinen moon cake bekommen. Mehrere kleine runde süße Kuchen gefüllt mit Mohn, Fruchtfüllung, Duriancandy aber auch angebratenem Schweinhack (in nem süßen kuchen - widerlich!!!).
Alle waren happy, alle waren
froh und 3 freie tage standen vor der Tür. Am Mittwoch, den 22.10. hab ich erstmal schön lange geschlafen, denn ein langer trip mit wenig schlaf stand auf dem programm. Am abend war ich mit nem arbeitskollegen und seiner freundin zum essen eingeladen und danach gings direkt zum bahnhof auf nen zweitägigen trip auf Kong Fu Zi's (Konfuzius) spuren.
Qufu - home of Confucius
Die zugfahrt von Yantai nach Qufu (gespr. Tschüfu), der Geburts- und Sterbeort von Konfuzius, benötigt für 620 km 8,5h. Da bietet sich natuerlich ideallerweise der nachtzug an. :-)
Also gings 21:00 Uhr am Mi abend los. Für chin züge stehen mehrere kategorien zur auswahl:
hard seat (heisst hart, ist aber gepolstert. Ist ne sitzbank wie man es auch aus regionalzügen kennt),
soft seat (einzelsitzplatz)
hard sleeper (schlafwagen mit 6 betten pro kabine und nur unwesentlich teurer als soft seat)
soft sleeper (schlafwagen mit 4 etwas breiteren betten pro kabine, fast doppelt so teuer wie hard sleeper)
Das Chinesen gerne früh schlafen zeigte sich auch wieder hier. Pünktlich um 22:20 Uhr ging das licht aus.
Kam mir in diesem falle sehr gelegen, da ich n bissl vorschlafen sollte für meine über-nacht-wanderung am
folgetag. Also schnell zwei bier reingepresst, dann war ich auch schon bettfertig und kroch in mein mittleres bunkbed.
Eine weitere besonderheit am chinesischen zugfahren soll an dieser stelle noch beleuchtet werden - das zugpersonal.
Sie sind sehr sehr viele pro zug und militärischer drill gehört zur guten grundausbildung eines schaffners wie mir scheint und sich im späteren verlauf dieser reise auch bestätigt. Beim besteigen des zuges steht vor jedem wagen ein schaffner/schaffnerin. Man sucht sich also seinen wagen und gibt vor dem eintritt in den zug sein ticket an den schaffner. Dieser oder öffter diese kuckt sich mürrig das ticket an, dann wird man selbst mürrig angekuckt, obwohl weder auf dem ticket mein foto oder name ist noch nach meinem pass gefragt wurde und eine gesichtskontrolle somit völlig sinnlos. Es folgt nun ein mürriges nicken und man erhält statt des tickets eine plastikkarte wo nochmal wagen- und bettnummer aufgelistet sind. Was das für n blödsinn sein soll, blieb mir vorerst völlig unklar, aber dann am nächsten morgen begann ich zu verstehen.
Es gibt also pro wagen eine Zugpersonalfachkraft. Diese weiß alle ausstiegsorte und -zeiten sowie die zugehörigen gesichter und weckt einen dann ca. 30 min vor ankunft. So
wurde auch ich um 05:30 morgens geweckt, etwas ruppig zwar, aber A) hatte ich jetzt auch keine streicheleinheiten erwartet und gewollt und B) ich war sofort extremst wach und saß im bett. Die weckmethode ist wirksam wie simple. Es wird mit einem kautschukknüpel, welcher ganz nebenbei bemerkt zur grundausrüstung des militärisch geschulten zugpersonals gehört, mit voller wucht von unten an das bett geknallt. Das ist nicht nur laut, nein man erschrickt auch dermaßen und denkt auch dass das bett zusammen bricht und ist eben... WACH !!!
Wie auch immer, ich war wach und erreichte um 06:00 morgens den bahnhof von Yanzhou, ca. 16 km von Qufu entfernt und ab da ging es mit dem bus weiter, weil es in Qufu keinen Fernbahnhof gibt.
Die story ist die folgende: Die bahnstrecke Beijing - Shanghai würde ideal über Qufu verlaufen und als das bahnproject erstmals diskutiert wurde, forderte die Kong familie eine änderung der route, weil die züge die ruhe von Konfuzius Seele stören würden. Der Kong familie wurde recht gegeben und der streckenverlauf wurde als großer bogen um Qufu herum geändert mit einem bahnhof in eben dem kleineren städtchen Yanzhou, 16km westlich Qufu.
Sogar 2000 Jahre nach seinem Tod -
Konfuzius hat noch immer das sagen. :-)
Qufu selbst ist wirklich schick, zumindest die Innenstadt. Alles alte restaurierte Häuser oder wenn neu dann im traditionellen stil. Die stadt ist nicht nur von ausländischen sondern insbesondere auch von chinesischen touristen überrannt. Auch ich buchte die volle Dröhnung: Konfuzius Temple, Konfuzius Wohnhaus und Konfuzius Grab.
Konfuzius lebte von 551 - 479 v.C. und er war ein armer mann, also alle diese sehenswürdigkeiten sind erst nach seinem Tod entstanden und wurde über die jahrhunderte immer weiter erweitert. Der friedhof "Confucius forest" ist echt riesig und ich fand ihn am beeindruckendsten von allen. Könnte zum einen an der ruhe liegen, die mir da sehr angenehm aufgefallen ist, aber auch an den vielen interresanten und imposanten gräbern. Nach Konfuzius tod haben sich viele Herrscher, alle seine Nachfahren (die es inzwischen zu beachtlichem wohlstand geschafft haben), viele nachfolgende chinesische philosophen u.a. wichtige personen auch auf diesem friedhof beerdigen lassen. Daher ist es absolut zu empfehlen den friedhof vollständig abzulaufen und auch den hauptweg zu verlassen. Dieser übrigens stellte sich auch als recht gefährlich raus, da die chinesen hier in irgendwelchen electrobussen mit höchstgeschwindigkeit über den friedhof gejagt werden. Sightseeing, chinesische art.
Tai Shan
- der heilige Berg
Am abend hab ich dann Qufu in Richtung Tai Shan, einem der fünf heiligen Berge von China, verlassen.
So wurden dem Berg schon vor Confucius heilige kräfte nachgesagt, aber Confucius selbst war es, der den Berg mehrmals bestieg, immer dann wenn er seine ruhe brauchte um über wichtige fragen der damaligen zeit nachzudenken. Im laufe der jahrhunderte gehörte es zum standard repertoire eines jeden herrschers diesen berg zu besteigen. Nicht wenige von ihnen riefen von diesem berg auch ihre dynastie bzw ihre herrschaft aus.
Qufu besitzt mittlerweile nun doch einen kleinen bahnhof am stadtrand, aber nur regional züge sind erlaubt. Die zugfahrt nach Tai Shan dauert 2h und war ein abenteuer an sich. Der zug war absolut überfüllt, ich bekam nur noch ein stehplatzticket. In China ist es ganz egal ob mit flugzeug, zug oder bus gereist wird, die reisen sind immer organisiert wie bei uns in europa ausschließlich die flugreisen. Soll heißen es gibt die Röntgen durchleuchtung des gepäcks, das warten in einer wartehalle vor dem zugangstor (gate) zu den jeweiligen flugzeugen, zügen oder eben busen. weiterhin heißt das auch das service personal mit drinks und food in ihren service wagen. Ok, im
bus (meist doppelstock) ist dies ein bauchladen und das angebot reicht selten über tee, kaffee und kekse hinaus.
Wie auch immer, ich also auf dem weg von Qufu nach Tai Shan und die folgenden 2h ab ich meinen mund vor staunen nicht mehr zu bekommen:
* sogar in diesem weit-weg-von-allem dorfbahnhof gibts einen röntgencheck des gepäcks
* wartehalle bis die 3 bahnhofpersonals das gate 01 zu den gleisen öffnen. ticketkontrolle an besagtem gate 01 (es gibt auch gate 02, das ist direkt daneben und mir war nach den toren keine weitere trennung der wege erkennbar). das bahnhofpersonal führte die leute nun geschlossen zum bahnsteig - Verdammte scheiße, wieso der ganze aufwand, da war nur ein bahnsteig !!!
* ich frage mich wieso gibt es gate 02 ?
* als endlich alle leute am bahnsteig waren, blühte das bahnhofpersonal erst richtig auf. Die leute wurden nach ihren wagon nummern in gruppen sortiert sortiert und mussten innerhalb dieser in reihe (!!!) stehen. die die durch lapidares rumstehen ausserhalb der formation auffielen, wurden ANGESCHRIEN !!!
Vom bahnhofspersonal - alteeeeeeeeer, was geht ??????
* der zug war also extremst übervoll, jeder und wirklich jeder hat mich angeklotzt, ich war der einzige nicht-chinese,
Tai Shan
start at midnightaber das krasseste war obwohl kein platz zum rumlaufen, irgendwelche bescheuerten chinesen waren ständig am rumlaufen und wollten von der eine seite des zuges zur anderen und es war ein gedränge und hin-und-her geschubse UND eine servicekraft mit ihrem service wagen quetscht sich auch noch durch. OMG, was für eine reibungsvolle erfahrung.
* ich stand also im gang, ein paar nette chinesische mitreisende offerierten mir eine drahtgestell-klappstuhl was aber völlig sinnlos war, den jedesmal wenn ich mich auf diesen viel zu mini geratenen klappstuhl gequält hatte, wollte grad wieder jemand vorbei und ich musste wieder aufstehen. Naja, ich bin dann irgendwann stehen geblieben.
* nach der ankunft in Tai Shan city am fuße von Tai Shan mountain musst ich mich erstmal einer horde wildgewordener taxifahrer, selbsternannter guides und one-man hotel agencies erwehren. Als ich als einziger nicht-chinese aus dem zug kam, hatte jeder von denen den dicken fisch an ihrer angel gesehen.
midnight to noon Naja, irgendwie bin ich heil vom bahnhof weg und stand dann um MITTERNACHT am fuß des berges auf ca. 100 m über NN. Der Gipfel liegt bei 1535m und der vor mir liegende weg ist vollständig gepflaster und besteht aus nahezu 7000
Treppenstufen.
Das MOON cake festival und Mid Autumn (Mittelherbst) festival in einem, war selbstverständlich an vollmond und ich war nicht allein - einige 100 meist junge chinesen waren mit mir auf der reise. All die Temple und Pagoden entlang des weges waren geöffnet, machten feuer und verkauften heißen tee, mit weißheiten beschriebene blätter zum abfackeln und riesige räucherstäbe (manche gut und gerne 1,5m groß).
Der vollmond und einige lampen beleuchteten meinen weg und all diese heiligen plätze ringsherum gaben dem ganzen project den mysteriösen, okkulten schein und nur allzugern stoppte ich an einer pagode und trank heißen tee. Denn je höher ich kam, desto kälter und desto steiler wurde es auch. So, nahe dem ziel habe ich ordentlichst geschwitzt aufgrund des mittlerweile echt anstrengenden aufstiegs und ich habe aber auch gefroren im gleichen moment. Ich war mir sicher, dass ich von diesem trip ne handfeste erkältung als souvenir mitbringe. 😞
Nach 4,5h endlich hab ich den gipfel erreicht und Gott-sei-Dank... nein, eigentlich Chinese-geschäftssinn-sei-Dank gab es wintermäntel der Volksbefreiungsarmee zu mieten und die waren wunderherrlichst warm. 😊
Lustig fand ich hier, dass man auch zelte mieten kann. Man kann also den aufstieg am vortag machen, dann schlafen und wird pünktlich
gegen 5:00 Uhr geweckt. Für den besser gefüllten geldbeutel gibt es auch drei hotels auf dem Gipfel.
Die letzten vielleicht 300 stufen bis zur spitze und gleichzeitig auch dem östlichsten punkt des gipfels lief ich also in diesem supergeil warmen mantel und fand dort dann ein traumhaftes plätzchen, ganz vorn an der felskante, ganz weit ost, ganz ideal für... den sonnenaufgang !!!
Die Nacht war kalt und klar, ein fantastischer sonnenaufgang durfte also erwartet werden und was dann kam, lässt sich nur schwer in worte fassen und stellt alles bisher gesehene in den schatten. Den kompletten sonnenaufgang in seiner vollen länge (gute 1,5 h) zu sehen und zu geniesen, war der schönste, der bezaubernste und der mit abstand eindrucksvollste teil dieses ausflugs. Sicher extra-oben-drauf zu dem fact dass ich bereits seit 24h wach war und genausolange auch am laufen respective treppen steigen, war ich völlig überwältigt von dieser sagenhaften schönheit.
Nur für den fall dass ich es bis dato noch nicht gewesen bin, ganz sicher seit diesem moment bin ich definitiv ein sunny boy durch und durch. 😱
Nach nem kaffee und ner noodle soup gings dann wieder bergab. So langsam fingen die kniee an merkwürdige pfeifgeräusche zu
machen, von einer massiven übersäuerung der beinmuskulator ganz zu schweigen, aber schließlich war es 12:00 mittags als ich nach wiederum 7000 stufen bergab zurück am startpunkt angelangt war. Erstmal n lecker eis gegessen und in die sonne geblinzelt und oh mein gott, was is für ne verrückte tour. Es waren nicht weniger als 12h und 14000 treppenstufen diesen blöden berg hoch und wieder runter...
Oh yeah, bekloppt aber unvergesslich schön.
Hier noch n paar facten zum berg:
* Tai Shan ist einer von den fünf heiligsten bergen chinas
* Tai Shan ist 1535m hoch und der weg nach oben führt über 7000 stufen
* man kann natuerlich auch mit bus und seilbahn auf den gipfel, aber wer will das schon.
* die göttin Bixia ist die tochter des Tai Shan berges und wird auch "Prinzessin der azurblaun wolke" genannt, schöner name nich ?
* ich hatte die nächsten zwei tage unglaublichen muskelkater - in den beinen und im arsch
* für die pflanzenfreunde noch interresant: ihr glaubt nicht welche heilige pflanze mir wild wachsender weise auf dem berggipfel ins auge sprang. hab natuerlich sofort ein paar botanische proben eingepackt. 😊
* auch war mir nicht klar wieviel 1000
leute auf einen nicht alzu großen felsen passen, aber seht selbst in den Fotos...
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Marcus
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me and the sun
HAHAHA!! Da würd' ich eher die Sonne nehmen! Viele Grüße aus dem IPF!