Beijing, Peking oder die Stadt ohne Apotheke


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Asia » China » Beijing » XiCheng District
March 3rd 2013
Published: March 5th 2013
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Nach einem 10stündigen Flug und einer zweistündigen Odysee mit Airport Express und der völlig überfüllten Subway ( mal wieder am falschen Ende gespart, Rückfahrt mit Taxi!!) erreichen wir heute gegen 14 Uhr endlich unser Hostel, welches im Stadtteil Xicheng in einem schönen alten Hutong (Altstadtviertel) liegt und vom Aufbau her ein traditionelles chinesisches Haus (Siheyuan, "Familienhof") ist: von Aussen unscheinbar betritt man nach Durchschreiten des Tors eine eigene kleine Welt mit mehreren Innenhöfen, um die sich je nach Wohlstand und Familiengröße der Eigentümer mehr oder weniger viele Gebäude gruppieren. Traditionell wurden diese Hauser von chinesischen Grossfamilien in mehreren Generationen bewohnt. Da die Familien bekantermassen hier aber inzwischen nicht mehr so gross werden, wurden leider viele dieser alten Viertel abgerissen, da sie leer standen und/oder als Schandfleck für die Augen der Olympia-Besucher aus dem Westen angesehen wurden. In den wenigen noch verbliebenen intakten Viertel sind viele Ausländer und Hotels eingezogen, da hier das Geld fur die Erhaltung und Modernisierung vorhanden ist. Unser Hostel ist allerdings weniger modernisiert und dafur mehr bezahlbar und dennoch sehr schön.

Nach kurzer Dusche aus der Dose gehen wir deswegen auch gleich ein bisschen in unserem Viertel, dem Xisi-Hutong, bummeln. Hier in den Nebenstrassen ist es trotz der Lage im Herzen der Millionenstadt Peking unfassbar ruhig und idyllisch, und vorallem sind die Einwohner Pekings hier noch weitgehend unter sich.

Wir bummeln die Einkaufsstrassen durch und landen schliesslich, da schon wieder der Hunger einsetzt in einem traditionelln chinesischen "Restaurant", in dem niemand ausser uns englisch spricht, zu Christian's Entsetzen nicht mal "chicken???" und auch auf der Karte aus unserer Sicht nur ein paar hübsche Zeichnungen vorhanden sind.

Wir bestellen am Tresen und zwar ich, indem ich auf eine Nudelsuppe zeige, die ein Mann am ersten Tisch isst, natuerlich in der Hoffnung, dass es nicht Hundesuppe ist, und Christian indem er aus dem Reiseführer Huhn und Nudeln raussucht und auf die daneben stehenden Chinesischen Zeichen deutet. Vollig gespannt erwarten wir unsere riesige Suppenschüsseln und bekommen für zusammen gerade mal 2 Euro eine wirklich leckere Mahlzeit, die so reichhaltig ist, dass wir beide nur die Hälfte schaffen. Ich vermute meine Einlage war Rind, was auch erklart warum es 20 Cent teurer war als Christians Essen.

Danach streifen wir frisch gestärkt und durch das sonnige, unerwartet milde Frühlingswetter berauscht, durch Xicheng zu den drei Seen, die allerdings noch zugefroren sind. Damit hatten wir auf Grund der Größe der Seen (vergleichbar mit der Aussenalster) absolut nicht gerechnet.

Und da neben ein paar geduldigen alten Eisfischern sich auch einige Jugendliche auf dem zugefrorenen Hou Hai See herumtreiben tun wir es ihnen gleich und steigen auch aufs Eis und schliddern etwas umher. Ein junger Mann vermasselt leider den Einstieg aufs Eis und platscht in ein bereits abgetautes Stück hinein. Da er aber vor seiner Freundin lässig sein will, spaziert er danach trotzdem noch komplett durchnässt bis zu den Achseln mit ihr über den See!! Ein paar Meter weiter der nächste Schock es gibt sogar ein paar ganz Hartgesottene, die tatsächlich in einem kleinen, abgetautem Stück des Sees schwimmend ihre Bahnen ziehen.

Wir dagegen frieren dann doch irgendwann etwas und kehren nach der Seeumrundung bei Family Fu's Teahouse am Südufer ein, das ist ein Tipp aus meinem Reiseführer und wirklich sehr schön und traditionell. Christian bestellt einen grünen Tee und ich einen Oolong-Tee (?), das hatte ich vorher noch nie gehört und ausserdem kommt dieser Tee mit einer Tee-Zeremonie.

Die funktioniert dann so, dass eine freundliche Teekellnerin mit einer Art Holzbox zu uns an den Tisch kommt. Quasi auf dem Deckel der Box stehen eine Teekanne aus Ton und zwei Tassen, eine Kleine und eine Große und ausserdem noch ein Teeaufgusskanne mit kochendem Wasser. Im Deckel sind eine Art "Abflussrinnen" und gleich wissen wir auch warum. Aus dem Wasserkocher gießt die Zeremonienmeisterin dann erstmal nur heisses Wasser in alle drei Gefäße und über den Deckel der geschlossenen Teekanne drüber um diese "anzuwärmen". Dann folgt der erste kurze Aufguss mit dem süßlich-blumig riechenden Oolong-Tee, der jedoch nur kurz zieht und dann weggeschüttet wird. Der zweite Aufguss ist dann für mich und kommt von der Tonkanne zuerst in die grössere und schließlichin die minikleine Teetasse aus der ich dann trinke. Der Tee schmeckt sehr lecker und sobald ich meine Zwei-Schluck-Tasse leergetrunken habe, kommt die nette Frau erneut an unseren Tisch und schenkt mir nach dem gleichen Schema nach. Das Wasser wird dabei immer wieder frisch direkt neben unserem Tisch auf einer Platte gekocht, denn soviel habe ich verstanden, es muss für diese Art von Tee kochend heiss sein. Zum Tee gibt es noch eine Snackplatte mit Nüssen, Gebäck und Datteln.

Um diese interessante Erfahrung abzurunden bekommen wir am Ende noch ein Geschenk von der alten Frau Fu, die uns eine selbstgemalte Kalligrafie überreicht und zu unserem Erstaunen in bestem Deutsch erklärt, was die Zeichen bedeuten ("Reichtum soll in dein Haus kommen" - wie passend!). Ob jeder Gast soetwas bekommt, oder Frau Fu einfach ein Herz für Deutsche hat oder ob es vielleicht auch an den 20% Trinkgeld lag, die Christian gönnerhaft und leicht versehentlich gegeben hat...man weiss es nicht. Aber wir haben uns sehr gefreut!!

Als wir das Teehaus verlassen ist es schon dunkel und in den angrenzenden Gassen brutzelt es aus den Garküchen verführerisch zu uns herüber. Allerdings sind wir nicht zu ködern, mit der Snackplatte noch im Magen. Stattdessen machen wir einen langen Verdauungsspaziergang durch das abendliche Peking und haben dabei tolle Einblicke in das einfache Leben in den Hutong, kommen an einem Markt vorbei, an kleinen Gebrauchwaren- und Obstständen und alten Leuten, die ihren Abendsport (Im Park in einem Kreis einem Führer hinterherwalken) betreiben.

Da wir wegen Christians Erkältung schon den ganzen Tag vergeblich eine Apotheke gesucht haben scannen wir auf dem Rückweg auch wieder jede Beleuchtete Reklame, in der Hoffnung, eine Apotheke zu finden in dem es Nasenspray gibt. Interessanter Weise sieht hier, zumindest für unsere Augen von aussen jeder Laden gleich aus und so habe ich schon mehrfach eine "seriöse Leuchtfassade" für eine Bank gehalten, es war jedoch nur ein Fastfoodladen oder ein Handygeschäft.

Da in China scheinbar recht viel auf altbewährte und traditionelle Hausmedizin gesetzt wird hält sich der Erfolg in Grenzen und wir erreichen unverrichteter Dinge unser Hostel. Google sei dank konnten wir auf unserm Zimmer dann eine ausmachen, an der wir scheinbar vorbei gelaufen sind. Muss an der Reizüberflutung der vielen bunten, blinkenden und teilweise mit Musik untermalten Reklame gelegen haben.

Wir machen uns dann schnell fertig, denn im Zimmer ist es noch schweinekalt, schalten die Heizwärmer ein und gehen wieder los. Auf der Suche nach einem netten Restaurant laufen wir durch hübsche Gässchen und Straßen in denen es wieder aus allen Ecken duftet und jeder Laden seinen Namen in grellen, bunten, blinkenden Schilder kundtut. Wir finden dann auch endlich die Apotheke und können uns relativ einfach mit Händen und Gesten verständigen.

Wir wollen unbedingt einen sogenannten Mongolian Hot Pot essen, das chinesische Pendant zum Fondue. Und so fällt die Entscheidung auf ein Restaurant, dass dies neben den obligatorischen chinesischen Zeichen auch mit den englischen Wörtern bewirbt.

Unsere Bestellung meistern wir mit einer Touristenkarte mit Bildern drauf. Unser Kellner ist uns allerdings auch mit den beiden Wörtern "Beef" und "Tofu", behilflich und so bestellen wir zwei große Platten davon.

Beim Hot Pot kommt eine große, in unserem Fall zweigeteilte Metallschüssel in eine Aussparung in der Mitte des Tischs unter der ein Heizöfchen steht. In der Schüssel selbst ist einemal eine helle, milchige und leicht sauer schmeckende Brühe und auf der anderen Seite eine dunkle, rötliche Brühe enthalten (in der ordentlich Chillis schwimmen). Diese werden dann zum köcheln gebracht.

Als nächstes wird das Fleisch und ein Berg an Tofu in vielen Variationen serviert. Da wir wohl erstmal recht unsicher schauen, ob wir den servierten Schinken tatsächlich auch in die Brühe tunken sollen, nimmt der Kellner ein paar Stäbchen zur Hand, ein wenig vom Beef zwischen die Stäbchen und taucht dieses dann für uns in die Brühe. Es wird dabei mehrmals angehoben um den Garungsgrad zu überprüfen.

Zum Abschluss wird das Fleisch/Tofu in eine Koriander/Erdnuss- oder Soja/Knoblauch-Sauce getunkt. das Ganze schmeckt sehr lecker und wir sind auch mit vollem Eifer dabei, bis unser sehr aufmerksamer Kellner entscheidet, dass wir das wohl zu langsam angehen und zuerst den größten Teil des fein geschnittenen Fleischs und kurz darauf fast das komplette Tofu, bestehend aus verschiedene Nudelsorten und dicken Stücken auf beide Brühen verteilt. Das finde ich irgendwie doof, da das Reintunken doch der halbe Spaß beim Fondue ist, aber ein ich bin nicht sicher, ob unser Helfer das versteht.

Satt und happy gehen wir zügig zum Hostel zurück, nachts ist es hier doch noch recht kalt, und fallen dann supermüde ins Bett. In meinem Fall irgendwann nachts auch heraus da die Bettkante mit etwa 90 cm deutlich höher liegt als gewohnt...trotz intensivem Kontakt meines Kiefers mit dem Heizlüfter, passiert aber zum Glück nichts.

Morgen geht es zur Verbotenen Stadt. Wir sind sehr gespannt.


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