Blog 9: Gaumenschmaus oder Gaumengraus? Eine kulinarische Entdeckungsreise.


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October 28th 2012
Published: October 28th 2012
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So, ein Thema, das sicherlich schon länger erwartet wurde. Nach nun über einem Monat Peking erlaube ich mir jetzt auch, einen Kommentar über die chinesische Küche, oder besser gesagt Pekinger Küche abzugeben.

Um auch gleich mal ein wenig Spannung aufzubauen – sie ist, sagen wir mal – interessant. Wie ich in Blog 6 schon beschrieben habe, ist der Bestellungsprozess zwar nicht immer ganz einfach, aber verhungert bin ich seither trotzdem nicht. Das liegt aber auch hauptsächlich daran, dass man hier allen Steinwurf entfernt ein neues Restaurant oder die etwas rustikalen Straßenverkaufsstände findet. Diese Masse an Angebot ist wirklich beeindruckend – aber irgendwie müssen die über 20 Millionen Einwohner ja auch etwas zwischen die Zähne bekommen. Es führt auch dazu, dass das Essen hier unglaublich günstig ist. Es ist vergleichsweise sogar günstiger in ein Restaurant zu gehen als selbst zu kochen – soo schade – ich hätte ja wirklich gerne meinen nicht vorhandenen Herd in meiner Wohnung mal ausprobiert.

Nun gut, aber wie schmeckt denn das Essen an sich eigentlich? Ich kann euch schon mal so viel sagen, dass die Gerüchte in der Heimat heißer gekocht als gegessen werden. Ich habe nämlich bisher noch keine, zumindest schwerwiegende, schlimme Erfahrung machen müssen – hoffen wir es bleibt auch so. Ganz im Gegenteil, von der lecker zubereitenden Peking Ente, über traditionelle Dumplings (ähnlich wie Maultaschen) bis hin zum Barbecue und sonstigen netten kleinen Beilagen, sind meine Erwartungen weit übertroffen und bin durchaus positiv überrascht worden.

Ein jedoch kaum erwähnenswertes, winzig kleines, aber doch existierendes Problemchen das ich habe, ist die Schärfe des Essens. Da man auf Bildern leider nicht immer sofort erkennt, welchen Schärfegrad das Essen besitzt, kann es auch schon mal vorkommen, dass sich plötzlich sinnflutartig die Niagarafälle auf meiner Stirn bilden – natürlich ganz zur Belustigung der schnuckligen Bedienungen im Restaurant nebenan.

Trotz der meist positiven Erfahrungen, ist es vor allem nicht ratsam an offenen Küchen vorbei zu laufen. Aber dies ist denke ich sogar in Deutschland nicht immer das klügste, was man tun kann, überhaupt keine Frage. Als es mir doch mal passierte, musste ich aufpassen, dass ich nicht alleine vom Hinsehen einen, sagen wir mal, leichten Magen-Darm Infekt bekam.

Auch manche Zubereitungsarten von Tieren sind für Europäer vielleicht nicht immer ganz zugänglich, da man hier wohl sehr viel Wert darauf legt, alles zu verwerten. Und damit mein ich – alles. Als wir zum Beispiel das Abschlussdinner nach dem Workshop Wochenende mit meinen chinesischen und deutschen Kollegen Mitte Oktober hatten, ist mir doch in der Starter-Suppe gleich mal ein Hühnerfuß entgegen geschwommen. Auch der Fisch wird auf andere Art und Weise gegessen. Er wird nicht fein säuberlich wie in Deutschland seziert, nein – er wird quasi in seiner ursprünglichen Form serviert und dann wird fleißig mit den Stäbchen drauf losgestochert und alles rausgezogen, was nicht Niet und Nagelfest ist.

Und selbst wenn einem Hanni&Nanni aus der ersten Wohnung in einem Salat wieder entgegen krabbeln, muss man nun mal um Himmels Willen ein Auge zudrücken – denn was wissen wir aus Blog 5? Immer schön locker bleiben, Baby. Gut, ich denke mal die Mitarbeiter des WKD würden hier definitiv nicht arbeitslos werden. Vor allem nicht mit den unzähligen Straßenverkaufsständen – sagenhaft. Freunde, ich sags euch – das in Deutschland – unvorstellbar. Obst und Gemüse Verkaufsstände direkt an einer Straße, die gut und gerne auch die A81 sein könnte. Frische Waren auf alten Plastiktüten auf dem Gehweg platziert und andere Verkaufsstände mit warmen Speisen im Angebot, die so hygienisch scheinen, wie ein Kinderschwimmbecken im Hochsommer.

Trotz all dem – in die Esskultur, in die hab ich mich verliebt. Vor allem wenn sich mehrere Leute zu einem Abendessen verabreden.Es ist nicht so wie in Europa, dass jeder seine bestellte Mahlzeit alleine isst. Nein, in China werden munter drauf los haufenweise Gerichte bestellt, von denen jeweils ein Teller am Tisch serviert wird. Nachdem eigentlich überhaupt kein Platz mehr auf dem Tisch ist, wird sorgenfrei geschlemmt. Hier mal ein bisschen was, dort mal ein bisschen was- herrlich. (Natürlich findet man relativ schnell raus, was einem am besten schmeckt. Ich handhabe das dann mittlerweile ganz gerne so, dass ich diesen Teller dann „heimlich“ vor mir platziere, sodass die anderen mir mein Essen nicht weg essen und kein Futter-Neid entsteht. Nebenher wandern meine Stäbchen selbstverständlich auch noch auf andere Teller, dass es nicht zu stark auffällt).

Kommen wir nun jedoch noch kurz zum Thema Alkohol während des Essens. Ja, doch –meinen bisherigen Erfahrungen zu Folge trinkt man ihn hier ganz gerne. Vor allem am Wochenende. Klar, Bier ist auch schon fast wie in Deutschland ein obligatorischer Genuss. Aber der Reisschnaps – ja. Der kann manche Abende dann doch sehr lustig und unvergesslich Enden lassen. Ok, das „unvergesslich“ lassen wir jetzt mal dahin gestellt – aber definitiv lustig.

Um nun mein persönliches Urteil zu fällen, tendiere ich bislang wirklich zu einem Gaumenschmaus statt einem Gaumengraus. Alle Sprachbarrieren oder hygienischen Randbedingungen mal bei Seite gelassen: Es ist zumindest spannend, Chinas kulinarische Seite zu entdecken.

Natürlich weiß ich, dass meine kulinarischen Erfahrungen nach ein bisschen mehr als einem Monat noch keine wirkliche repräsentative Aussagekraft beinhalten und natürlich freue ich mich jetzt auch schon wieder auf Gulasch mit Knödel bei Muttern – aber up to now: es hätte definitiv schlimmer sein können.

Nur lasst mich noch eins gesagt haben. Falls ich jemals in Erwägung ziehen sollte zu heiraten, warne ich davor, diejenige, die es mit mir aushält und mich beim Ausmarsch aus der Kirche (vorausgesetzt ich bin dann überhaupt noch Mitglied) mit Reiskörnern zu bewerfen. Trotz hunderten von Augenzeugen, könnte der Täter auf eine ganz unangenehme Weise mal kurz verprügelt werden – denn Reis ist sicherlich eines der Dinge, die ich nach meinem Asien Aufenthalt mit ziemlich sicherer Wahrscheinlichkeit erst mal nicht mehr sehen kann.

Euer – schon als Kind weltbekannter Gourmet – Philipp

PS: Den Teil „vorausgesetzt ich bin dann überhaupt noch Mitglied in der Kirche“ solltet ihr übrigens zensieren, wenn ihr den Blog an Oma zum Lesen weitergebt.

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