Belo sur Tsiribihina - Tana


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Africa » Madagascar
July 10th 2012
Published: July 10th 2012
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29.6.
Der Muezzin und ein Schaf haben uns abwechslungsweise wach gehalten, trotzdem sind wir um 7h startbereit. Die Fahrt zum Nationalpark dauert fünf Stunden und ist extrem mühsam, die Strasse ist in so desolatem Zustand, dass es uns in alle Richtungen wirft und schüttelt, bis uns allen schlecht ist. Patrick meint, jetzt sei es noch einfach hinzukommen, in der Regensaison gelange man nur mit einer 15-stündigen Zebukarrenfahrt hin! Am Eingang zum Park, am Fluss Manombolo, liegt das Touristencamp. Wir staunen nicht schlecht: da stehen reihenweise Fahrzeuge, ein Zelt neben dem andern. Wo kommen bloss plötzlich all die Touristen her?! Wir haben den ganzen Nachmittag Zeit, uns von der Fahrt zu erholen. Die Kids eröffnen eine Fechtschule und versammeln innert kürzester Zeit wieder eine Schar Kinder um sich. Plötzlich schreit A wie am Spiess: ein Skorpion hat sie gestochen! Patrick erklärt uns das Gesundheitssystem im Busch: in jedem Dorf gibt es für jede Verletzung und jede Krankheit einen Spezialisten. Also macht er den Zuständigen für Schlangenbisse und Skorpionstiche ausfindig, dieser ritzt den Stich mit einer Rasierklinge und desinfiziert ihn mit Gas aus einem Feuerzeug. A muss eine Tasse voll Honig essen und darf bis morgen nichts kaltes mehr zu sich nehmen. Hoffen wir das beste!

30.6.
Die Buschmedizin, oder vielleicht auch das Dafalgan, scheint gewirkt zu haben, A hat gut geschlafen und fast keine Schmerzen mehr. Wir fahren nochmals eine Stunde bis zum Einstieg der Wanderung durch den Tsingy. Dort montieren wir unsere Klettergstältli und machen uns mit Tata auf den Weg. Er ist der lokale Guide und hat eingewilligt, es mit den Kindern zu versuchen. Wir steigen in Schluchten herab, kriechen durch enge Höhlen, erklimmen Leitern, klettern an Griffen und Tritten Felswände empor und überqueren Hängebrücken. E meistert die hohen Tritte mit Tatas Hilfe bravourös, und auch die andern beiden machen es tiptop. Tata lobt sie alle und sagt, er hätte schon gedacht, dass „les Suisses" das schaffen würden. Der Ausblick auf die spitzen Felszacken und die schroffen Spalten lohnt denn auch jegliche Mühe. Dazwischen ragen Baumkronen knapp über die Kanten, krallen sich Kakteen an die Klippen, fassen Ficuswurzeln Fuss zwischen Felsen. Das letzte Stück der Wanderung führt durch Wald, wir sehen Lemuren, Vögel, Ratten, Eidechsen. Nach der Mittagspause bleiben die Kinder bei Patrick und Rinah im Camp, die beiden bringen ihnen verschiedene Brettspiele bei, die man auch in den Sand zeichnen und mit Nüssen spielen kann. M und ich wandern nochmals mit Tata los, er zeigt uns noch einen anderen Teil des Parks. Er weiss viel zu erzählen über Tiere und Pflanzen und deren Wirkungen als Heilmittel. Abends sitzen wir in einem der kleinen Restaurants und essen bei Kerzenlicht, als plötzlich mit lautem Knattern ein Generator anspringt, Licht angeht und ein Fernseher aufheult. D freut sich schon, dass da wohl noch jemand anderes EM schauen will, wird aber bitter enttäuscht: Tanzvideos in an der Schmerzgrenze liegender Lautstärke und Qualität flackern durch die Nacht und ziehen sofort eine grosse Menge Schaulustiger an. Wir flüchten in unser Zelt.

1.7.
Wir sind steif vor Kälte und dem harten Lager, aber dies war ja unsere letzte Nacht im Zelt. Die Strecke zurück nach Belo kommt uns kürzer und weniger übelkeiterregend vor als beim ersten Mal. Allerdings behält der Elsässer doch noch recht: plötzlich dampft es unter der Motorhaube. Sega holt Flusswasser und füllt es in den Kühler. Kurz darauf dampft es wieder. Als unser Fahrer den Deckel öffnet, spritzt das Kühlwasser hoch in die Luft. Nun kommen aber gerade andere Wagen mit Touristen vorbei, ihre Fahrer halten alle an und eilen Sega zu Hilfe. Einer kramt einen passenden Kühlerdeckel hervor, ein anderer eine Flasche Wasser und schon ist der Schaden behoben. Lunch im Hotel mit Krokodil, Fähre über den Tsiribihina und nochmals eine mehrstündige Fahrt bis zum heutigen Ziel, den Baobabs. Erst bestaunen wir den mit 15m Umfang grössten Baobab Madagaskars. Er ist ca 3000 Jahre alt und wird als Heiligtum verehrt. Der nächste Halt gilt dem „Baobab des amoureux“, dessen zwei Stämme sich umschlingen. Geschnitzte, geflochtene, gemalte und gegossene Abbildungen dieses Baumes werden uns schon seit Wochen, und auch jetzt wieder, als Souvenirs angepriesen. Wir begnügen uns mit einer Foto. Letzter Stopp des heutigen Tages ist die „Avenue des Baobabs“ bei Sonnenuntergang: eine Ansammlung dieser imposanten Bäume entlang der Strasse bietet kitschige Sujets, M kommt geradezu in einen Fotorausch. So ist es stockdunkel, als wir in der Hafenstadt Morondave ankommen. Wir essen alle zusammen bei „Jean le Rasta“ in dessen Bob Marley-Tempel und geben Patrick das gewünschte Feedback für die vergangene Woche: Dass wir ihm mit Messer, Lampen, Batterien, Seil und Kopfwehtabletten aushelfen mussten sehen wir ihm nach und erwähnen wir nicht weiter. Zugunsten nachfolgender Klienten regen wir an, künftig mehr Wolldecken mitzuführen. Ansonsten sind wir durchwegs zufrieden mit der Organisation und Durchführung dieser Tour. Wir versprechen, dies auch dem Elsässer zu melden. Weil die Mädchen schon während des Essens fast einschlafen – wir sind immerhin seit 15 Stunden unterwegs – bringen wir die Kinder ins Hotel. Dann geniessen M und ich das Nachtleben von Morondave: erst rasseln wir mit bei der Reggea-Session mit Jean und seinen Rasta-Kumpels, und trinken Bananen-Punch. Dann suchen wir die „Fanzone“ am Hafen auf, wo wir nun ebenfalls Mühe haben, während des desaströsen Untergangs Italiens wach zu bleiben. So betrachten wir noch kurz den Vollmond über dem Meer und gehen dann auch schlafen – morgen wird nochmals ein mühsamer Tag.

2.7.
Heute legen wir die Prüfung in Geduld und Gelassenheit ab. Im Reiseführer steht, die Fahrt von Morondave nach Antsirabe dauere zwischen 8 und 15 Stunden, je nach Strassenzustand. Hätten wir mehr Zeit, blieben wir erstens einen Tag hier zur Erholung und würden wir zweitens die Strecke aufteilen. Da wir aber übermorgen nach Mauritius fliegen sind wir gezwungen, diese Monsterfahrt auf uns zu nehmen. Wir rechneten damit, dass die Taxi-Brousses wie bis anhin ab 6Uhr fahren und wir so früh als möglich starten würden. Doch dem ist nicht so. Patrick hat uns gestern schon vorgewarnt: hier fahren die Minibusse erst gegen Mittag. Wir werden zwar um 9.30h abgeholt, halten aber noch ein dutzend Mal und warten auf irgendwen oder irgendwas. Und noch etwas ist anders als sonst: bisher haben sie die Personenzahl immer der Anzahl Sitze angepasst. Jetzt aber sind deutlich mehr Passagiere im Wagen als Sitze. Wir haben einen Platz neben dem Fahrer und vier Sitze in der ersten Reihe, und die verteidigen wir stur. Wir lächeln nur und stellen uns dumm, wenn man uns bedeutet zu rutschen. So kommt es, dass wir unsere Sitze für uns behalten, während sich die Einheimischen hinten zu sechst in eine Reihe quetschen – Kinder nicht mit eingerechnet. Es ist 11Uhr, wir stehen immer noch am Stadtrand von Morondava, ich rege mich bereits etwas auf: warum kann man nicht endlich losfahren, wenn man schon weiss, dass die Fahrt ewig dauern wird??! Um 18h ist es dunkel, und der Elsässer hat uns davor gewarnt, nachts noch unterwegs zu sein. M bleibt hingegen cool: es gibt bestimmt einen Grund, sagt er. Endlich, endlich fahren wir los. Unser Fahrer ist ein echter Multitasker: mit der rechten Hand kann er gleichzeitig steuern (Daumen) und das Radio bedienen (Mittelfinger), während er mit der linken Hand sein Telefon ans Ohr hält. Auch scheint er über hellseherische Fähigkeiten zu Verfügen, er kann nämlich problemlos vor Kurven und Kuppen überholen. Doch er beherrscht sein Fahrzeug, das muss man ihm lassen: ohne abzubremsen balanciert er den Wagen über die Zentimeter-schmalen Ränder zwischen den Schlaglöchern. Es gibt allerdings erstaunlich wenige davon, die Strasse ist meist breit und in gutem Zustand, es gibt sogar analog zu unseren Radstreifen einen Zebukarren-Streifen. Wie immer hält man gegen Mittag in einem Hotely, zur Auswahl stehen heute Reis mit Huhn, Schwein oder Fledermaus. Die Zeit vergeht langsam, doch die Kids halten sich tapfer. Sie schwatzen, schlafen oder „denken über etwas nach“. Je länger je beliebter wird auch das Spiel „rate-mal-was-ich-als-erstes-tue-wenn-wir-wieder-zuhause-sind“. Es ist bereits stockdunkel und wir sind etwa 40km vor Antsirabe, als wir nochmals anhalten. Und jetzt erfahren wir den Grund für den späten Start: in letzter Zeit gab es auf dieser Strecke immer wieder Überfälle auf Taxi-Brousses. Deshalb fahren sie nicht mehr einzeln und nacheinander, sondern warten, bis alle voll sind und fahren dann gemeinsam los. Hier wartet man nun noch einmal aufeinander, um das letzte Stück im Konvoi zu fahren. So sind wir doppelt erleichtert, als wir gegen 21h endlich in Antsirabe ankommen. Beim Elsässer geniessen wir ein luxuriöses Abendessen und erzählen ihm enthusiastisch von der Tour (das mit dem defekten Kühler verschweigen wir natürlich).

3.7.
Bevor wir nach Tana fahren treffen wir uns nochmals mit Patrick. Wir schenken ihm unser Swiss Army Knife – er hat es bereits täglich benutzt, zum Gemüse rüsten und Hühner schlachten. Für Rinah geben wir ihm den deutsch-französisch Dixer mit und eines von Evas Erst-Leser-Büchern. Die beiden haben ihre Sache wirklich gut gemacht. Sie haben sich rührend um uns gekümmert, waren stets um unser Wohlbefinden besorgt, haben uns bekocht und unterhalten und für unsere Sicherheit gesorgt. Wir sagen auf Wiedersehen und nehmen uns fest vor, es irgendwann auch wirklich zu tun. Die Rückreise nach Tana verzögert sich etwas, wir stehen lange an der Gare Routière herum bis endlich ein Bus voll ist. Eigentlich wollten wir in Tana noch zum Handwerkermarkt um ein paar Souvenirs zu besorgen, doch bis wir endlich im Hotel sind ist es schon zu spät dafür. Und so schliesst sich auch dieser Kreis, beim Znacht im selben Restaurant wie bei unserer Ankunft in Madagaskar vor vier Wochen. Nun ist unsere Reise bald zu Ende, es bleiben noch zwei Wochen „Pläuschlen“ in Mauritius. Simon wird dort zu uns stossen, wir freuen uns alle sehr, ihn wieder zu sehen. Wir sind dankbar, diese Zeit gehabt zu haben, froh, dass alles gut gegangen ist und wir alle gesund sind, und traurig, dass es vorbei ist. Und doch freuen wir uns auch auf die Rückkehr – auf Euch alle!


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