Ein Wochenende in Ayacucho.


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September 30th 2008
Published: September 30th 2008
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Nun bin ich seit 2 Wochen von zuhause weg.
Mittlerweile geht es mir besser. Ich habe mich mehr oder weniger eingelebt, laengst kommt mir vieles bekannt und normal vor, was ich zu Anfang erstaunlich und extrem gewoehnungsbeduerftig fand.

Was mir hier einfach so gut gefaellt, ist die Laessigkeit, mit der hier alles geschieht (ausser im Strassenverkehr). Wenn man nachts um 1 noch essen gehen will, oder Broetchen kaufen moechte, oder man noch Toilettenpapier braucht (gibt es naemlich generell in den Toiletten nicht, muss man immer selbst mitbringen), kannst du dir sicher sein, dass um die Strassenecke noch ein Laden geoeffnet hat, der genau das verkauft.
Auch ist der Kontakt zwischen den Menschen viel ausgepraegter.
Supermaerkte gibt es hier keine, jedenfalls nicht in dem Ausmasse wie in Deutschland. Viel eher kann man alles auf den Maerkten finden und
dort wird grundsaetzlich gehandelt und man handelt/flirtet so lange, bis man sich auf einen Kompromiss geeinigt hat. Und genau das macht einfach Spass. Die Menschen freuen sich, wenn sie dich zum Essen einladen koennen, sie dir etwas schenken duerfen (Anthony wollte mir heute seine Orange geben (schmecken hier uebrigens viel frischer!), was ich aber abgeleht habe, schliesslich hatte ich keine sechs Stunden Schule vor mir) oder dir etwas beibringen koennen.
Ich habe schon das Angebot erhalten, mir das Gitarre spielen beibringen zu lassen und darauf freue ich mich schon. Und Maria, ein Gemeindemitglied, ist darauf bedacht, dass ich am Ende des Jahres Quechua sprechen kann. 😊
Auch an das Kuesschengeben habe ich mich gewoehnt. Es ist ganz normal, dass man wildfremde Menschen auf die Wange kuesst und dabei das Gefuehl hat, dass man wirklich willkommen ist, wenn du mit einem strahlenden Lachen begruesst wirst.

Das ist bevorzugt behandelt werde, habe ich bisher nur festgestellt, als ich von Maria wiederholt zum Essen eingeladen wurde (dem komme ich gern nach.. habt ihr schonmal zum Fruehstueck gebratene Bananen und Reis bekommen? 😊 ) und mir in den Strassen hauefiger "gringa" nachgerufen wird. Auch wird mir allerorten hinterher gepfiffen, was ich zu ignorieren gelernt habe. Es ist einfach ganz normal und die Maenner sind hier noch echte Machos, die dich zum Essen einladen.

Am Freitag habe ich durch Zufall Lauras Mitbewohner getroffen (Laura war in meinem Vorbereitungsseminar in Bonn) und zwar genau vor seiner Haustuer. So sind Laura und ich erneut zusammengestossen und gingen mit den Leuten, die mich begleiteten, in ein Theaterstueck, was auf Quechua war und ich ungefaehr so viel verstanden habe wie die Hunde, die hier ueberall rumlaufen (frei versteht sich. Ich habe mir meine Angst vor halben Kuehen laengst abgewoehnt, sie sind auch selten zutraulich und hoeren tun sie schon garnicht!). Aber dafuer konnte ich mit Laura plappern und ihr erging es mit dem Heimweh aehnlich (sie ist schon fast vier Wochen hier). Aber es bessert sich, je besser man die Leute versteht und auch moegen lernt.
Wie zum Beweis ihrer Gastfreundschaft wurden dann auch gebratene patas rumgereicht, mit koestlicher Sosse (wie die patas bravas im Hydepark, Julia! 😉 ) und ein hoellischer Schnaps, nicht weiter definierbar. In diesem Moment fuehlte ich mich so wohl und wusste, dass der Moment kommen wird, in dem ich Krokodilstraenen weinen werde, wenn ich dieses wunderbare Land verlassen muss.

Laura hat im Gegensatz zu mir nicht so viel mit den Peruanern zu tun, lebt dafuer aber mit einem Deutschen, Arno, zusammen.
Zunaechst war ich ziemlich neidisch, es ist bestimmt toll, gemeinsam so eine Erfahrung zu machen und sich richtig unterhalten zu koennen.
Andererseits habe ich nun schon so viele Peruaner kennengelernt, die ich auch wirklich ins Herz geschlossen habe, meine Mamita ganz voran.
Es ist einfach auch ein schonees Gefuehl, mit 7 anderen Leuten zusammengequetscht in einem Taxi zu sitzen und mit ihnen lachen zu koennen.

Irgendwie sind wir dann auf die Idee gekommen, den 15. Geburtstag von einer von Cuzis Bekannten zu besuchen. Dazu muss man wissen, dass dieser Geburtstag der wichtigste im Leben einer Frau ist und dementsprechend gross gefeiert wird. Schicke Gaderobe war angesagt und auf unverschaemt hohen Absaetzen stockelten Gabi und ich auf der pista (Sandstrasse) herum, um Jorge abzuholen.
Der Saal war dann stilvoll geschmueckt (am meisten musste ich ueber die Stuhle lachen. Ein sehr edler Satinirgendwas-Bezug, aber darunter normale Gartenstuehle) und die 15jaehrige war wie eine Koenigin aufgemacht. Ich lernte dann einen Freund von Jorge kennen (Carlos, zur Ausnahme mal groesser als ich und das, obwohl ich meine hohen Schuhe trug), der mir dann unbedingt Salsa tanzen beibringen wollte. Naja, ich konnte mich eh nicht wehren, mein "No sè bailar!!!" - Ich kann nicht tanzen - wurde ignoriert und schon wurde ich auf der Tanzflaeche rumgeschwenkt wie in einem schlechten Film, hat aber auch ziemlich viel Spass gemacht, zumal ich mit Carlos nachher in einem Wetttrinken endete ("Para Perù! Para Alemania!"), alledings schmeckt das peruanische Bier total oede. Da halte ich mich lieber an den Pisco Sour, was mich am Ende des Abends ziemlich torkeln liess.

Am naechsten Abend waren Gabi und ich zur Taufparty von dem kleinen Sohn von Jorges Schwester eingeladen. Das war ganz nett, eine Kuesschenorge, Bier musste ich auch trinken.. alles in allem ganz ok, auch wenn wir recht frueh wieder gegangen sind.

Sonntag - zunaechst stand eine Militaerparade an. Stechschritt. Hab selten so gelacht, weil die Peruaner, wenn sie eine Drehung machen, wie Flamingos aussehen, die sich mit ihren Beinen verheddert haben.
Das Lachen verging mir recht schnell, als ich sah, dass saemtliche Collegios in der Parade mitliefen, selbst die kleinsten versuchen sich an der Gehweise der Aelteren. Das Ganze war so laecherlich und so abstrus traurig, denn so etwas wie Akzeptanz zu Krieg und Militaer wird hier quasi von kleinauf gelehrt. Wie sich das mit Kirche und mit den 10 Geboten vertraegt, ist mir zwar ein Raetsel, aber solche Doppelmoral kenne ich ja nicht erst seit ich in Peru bin. -.-

Und dann: Kirche. Ich sitze einfach 1 1/2 Stunden teilnahmslos herum, die Songs sind zwar ganz nett, aber mir ist das alles zu viel.
Gestern beschlossen die anderen, noch zu einer weiteren Messe zu fahren, weil dort ein brasilianischer Pastor den Gottesdienst gab. Wow, der Typ hatte solch ein Temperament, es hat mir gut gefallen, auch wenn ich von den Worten als solche eher nicht so viel mitbekommen habe. 😉
Allerdings habe ich diesen krassen Zugang zu Religiositaet einfach nicht. Und es macht es auch nicht besser, wenn man mich missionieren will. -.-

Was noch ein wirklicher Schock fuer mich war, ist die Kinderarbeit.
Gabi und ich waren Freitagabend noch essen (ca. 10 Uhr) und auf uns zu kam ein 10Jaehriger, der unsere Bestellungen aufnahm. Andere Kinder kochten und waschten und mir ist so sehr der Appetit vergangen, dass ich mein Massamodes (fragt nicht, ich hab nicht die geringste Ahnung, wie man das schreibt) kaum anruehren konnte.
Bezahlen durfte ich dann bei dem faulen Stueck von Mutter, die mit Zigarette und Zeitung in einer Ecke sass. Ich war so wuetend!!
Eine andere Situation ereignete sich donnerstagnachts, als ich mit einem Peruaner zurueck zum casa fuhr und eine Schubkarre, verlassen allerdings, mit Gebaeck an einer Strasseecke stand. Brav wartete ich auf die Rueckkehr des Verkaufers/der Verkaueferin und als dann ein kaum fuenfjaehriger Junge ankam, der offensichtlich Geld gewechselt hatte und selbst kaum richtig zaehlen konnte, haette ich am liebsten geheult.
Gabi meint zwar, dass diese Kinder meistens auch in die Schule gehen, aber wie sieht denn Unterricht aus, wenn man totmuede ist, weil man is spaet in die Nacht arbeiten muss und offensichtlich nicht einmal Zeit zum spielen hat?

Liebe Gruesse von einer nachdenklichen Manu




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30th September 2008

warum is denn der 15 geb so besonders wichtig? also bei usn wird ja der 18 so gefeier, oder wenn man 16 wird...15 ja her nich. hmmm, das klingt echt heftig..aber dominik hat in seinem rundbrief ja schon ähnliches erzählt..hast ja wahrscheinlich auch damit gerechnet, das du auch mit solchen dingen konfrontiert wirst. aber schön, dass es dir jetzt soviel besser eght...klingst aj schon ganz anders, wenn man diesen eintrag mit dem "zur sache schätzchen" eintrag vergleicht. is denn meine bzw. deine schoko jetzt mal endlcih angekommen?..dein brief is immernoch nich in meinem postkasten gelandet *schnief*
30th September 2008

Du auf hohen Absätzen? Und dazu noch im Sand? Das muss lustig ausgesehen haben^^. Ich erinnere nur an deinen Cowboyschritt im C&A ;). Hm...was du aber sonst so berichtet klingt wirklich problematisch. Das sind wohl die Probleme, auf die dich dein Projekt lenken sollen, oder? Das ist schon sehr krass im Vergleich zu unserem Leben hier und unseren "Problemen". Meinst du, du kannst den Kindern irgendwie helfen? Z.B. indem du ihnen Trinkgeld gibst oder so?
30th September 2008

Ich vermute, dass das ihnen eher noch hilft. Ist wie bei diesem Bettlerprinzip. Kindern sollte man grundsaetzlich nichts geben, weil sie dann merken, dass sie so besser ueber die Runden kommen als in die Schule zu gehen. Und das Trinkgeld duerften die Kinder sicher nicht fuer sich behalten und diese arschige Mutter will ich auf garkeinen Fall belohnen.
30th September 2008

Ich weiss es nicht. Aber hier gilt es als der Tag, an dem ein Maedchen zur Frau wird.
2nd October 2008

Mit 15 gibts die ersten Kinder, Kruemel du bist weit ueberfaellig, also halt dich ran! Was mich jetzt mal gerade spontan interessiert, Gibt es eigentl. ,mit den in Deutschland eingesetzten, vergleichbare Polizisten?
7th October 2008

Ja, und zwar viel repraesentativer als in Deutschland. An jeder Bank und an jeder wichtigen touristischen Staette sind mindestens zwei stationiert. Und auch das Militaer ist hier ueberall.

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