Dios dice: Hoy por mi, mañana por ti.


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Ecuador's flag
South America » Ecuador » North » Quito
September 5th 2012
Published: September 11th 2012
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Nach 8 Stunden Fahrt durch atemberaubende Anden-Landschaften in einem luxuriösen, maximal runtergekühlten Reisebus komme ich schließlich in der faszinierend tristen Grenzstadt Ipiales an. Im Busbahnhof bekomme ich ein erstaunlich gutes und viel zu billiges vegetarisches Essen, sodass ich an der Grenze zu einem extrem dreisten Kurs meine letzten 20.000 COP wechseln muss. Den Ausreisestempel bekomme ich verdächtig einfach und so laufe ich als Schengen-Kind nur wenig später das erste Mal in meinem Leben zu Fuß über eine echte Grenze. Auf der ecuadorianischen Seite dann die Ernüchterung – eine Schlange wie beim Schlussverkauf von Hertie. Zunächst hoffe ich noch, dass die Meute nach Kolumbien einreisen will – au contraire, mon frère. Die ersten zwei Stunden scheint noch die Sonne, dafür bewegt sich die Schlange keinen Zentimeter. Gegen halb 6 wird es auf einmal richtig kalt. Leider sehe ich schon wie ein Michelin-Männchen aus, da ich praktisch jedes Kleidungsstück aus meinem Rucksack bereits trage. Nach 5 Stunden habe ich Jostein Gaardeners „Die Frau mit dem roten Tuch“ ausgelesen und es immer noch nicht in das Immigracion-Gebäude geschafft. Ich verfluche zum ersten Mal seit Beginn wieder, alleine unterwegs zu sein. Nach sechs Stunden Flüchtlingsfeeling erblicke ich den Grund des Übels: Von 5 Schaltern ist einer besetzt, und die Dame an Schalter 1 sollte besser nicht mal bei den Paralympics im Stempeln für Armlose antreten.

Irgendwann geht dann doch alles sehr schnell – Stempel, Taxi nach Tulcan, zwei Minuten später fährt ein Bus nach Quito. Es ist zwar mittlerweile 9 Uhr, aber die Genugtuung, die Nacht in Tulcan verbringen zu müssen, will ich den Grenzbeamten doch nicht gönnen. So steige ich, ausgerüstet mit einem vollwertigen Chipstüten-Abendessen, letztlich in den weit weniger komfortablen Bus ein. Seltsamerweise bin ich wieder der einzige Gringo: Neben mir schläft 50 Cent, der Rest sieht recht ecuadorianisch aus. Nach rekordverdächtigen viereinhalb Stunden und 3 Polizeikontrollen steige ich schon am Nordterminal in Quito in ein nicht ganz offiziell aussehendes Taxi zum Hostel ein, wo ich um viertel nach 2 nach 21 Stunden Reise endlich in mein Bett sinke.

Dieses verlasse ich in den kommenden beiden sehr sonnigen Tagen leider nicht allzu lang – die Kombination aus Schlafmangel, der für nen kölschen Jung extremen Höhe (2850 m über N.N.) und dem erfrischenden Grenzaufenthalt wirkt sich doch wider Erwarten auf meinen Kreislauf aus. Dennoch laufe ich ein wenig durchs koloniale Quito. Auf dem Plaza Grande gibt es nicht nur gratis WiFi, sondern auch einen Weltuntergangsprediger, der mit pathetischen Gesten zu Bekehren versucht. Die Atmosphäre ist ziemlich geschäftig, Horden von Anzugmenschen überqueren hastig den Platz oder lassen sich von den Schuhputzjungs auf Hochglanz polieren. An den Häuserwänden stehen Parolen, mit der Pressefreiheit ist es im Assange-Asylland nicht so weit her. Dafür wird hier nur der Sohn des Verteidigungsministers erschossen und nicht wie in Kolumbien die alte Ex-Drogenkönigin Blanco beim Verlassen einer Metzgerei (Merke: Vegetarische Kokainhändler leben länger.). Die Unterschiede sind auch sonst deutlich: Hostels und Taxis sind wesentlich billiger, der Straßenverkehr gediegener (Hupen wird sträflich vernachlässigt.) und es gibt eine Menge schöner Parks. Auch die Diebstahl-Tricks unterscheiden sich: Bewaffnete Überfälle sind seltener, dafür werden Touristen Exkremente ins Gesicht geschmiert, damit diese die nächste Bar zwecks Säuberung aufsuchen um dort dann in Ruhe beklaut zu werden.

Dies passiert aber tendenziell nicht in La Mariscal, dem Gringo-Paradies in dem auch mein Hostel liegt. Sollte jemand Heimweh gehabt haben, jetzt ist es weg: Irish Pubs, deutsche Bars mit deutschem Bier, spanisches, italienisches und mexikanisches Essen und nicht zuletzt: Hervorragende vegetarische Restaurants. Glücklich darüber, als Vegetarier nicht mehr mit einem Alien gleichgestellt zu sein, gönne ich mir erst Mal einen großartigen vegetarischen Burger, ehe ich meine leichte Höhenkrankheit vor dem Hostel-Kamin zu kurieren versuche. Im Hintergrund läuft ein Green Day-Akustik-Gig, das Feuer knackt und das Durchhalten im Nachtzug hat sich gelohnt: Auf Seite 200 nimmt er auf einmal Fahrt auf.

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