Sodom und Gomorra


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January 24th 2010
Published: January 24th 2010
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Gespraechsthema Nummer eins sind Fallberichte. Geschichten von Leuten, die ausgeraubt, ueberfallen oder gar ermordet wurden. Und zwar nicht, wie wir das kennen um tausend Ecken erzaehlt und verzerrt sondern meist aus erster oder zumindest zweiter Quelle. Diese Stadt, Salvador, wenn nicht Brasilien im Allgemeinen, ist derart kriminell und lebensgefaehrlich, dass ich an gewissen Tagen die bruehende Hitze hier mit dem Fegefeuer verwechsle und mich von existentiellen Aengsten gequaelt fuehle. Wer von den Berichten nicht erfahren moechte (Mami!!), soll vorgewarnt sein und nicht weiterlesen. Gestern war ich, wie jeden Freitagabend bei Familie Bukiet, ein Ehepaar mit vier Kindern, welches hier in Salvador “Schlichut” macht, d.h. sie bieten juedischen Einwohnern, Touristen, Backpackers und sonsitgem Juedischem an Freitagabenden sowie an den Feiertagen Kost (und bei Beadrf auch Logie). Ich habe selten in meinem Leben derart herzensgute Menschen kennengelernt, die bedingungs- und erwartungslos und ohne eigenen Profit geben und deren Leben darin besteht, fuer andere da zu sein. Ich weiss nicht, wie ich es hier ohne diese Familie ausgehalten haette! Wie dem auch sei, habe ich beim gestrigen Schabbatessen eine aeltere Israelin kennengelernt, welche seit 30 Jahren in Slavador wohnt. Da sie mich schon oefters bei den Bukiets gesehen hatte, kam sie auf mich zu und fragte, wieso ich in Salvador sei. Als ich ihr erzaehlte, dass ich hier in einer Sprachschule einen Monat Portugiesisch lerne, konnte sie sich vor Lachen kaum halten und musste es sogleich ihrem Mann erzaehlen, dessen Schweigen sein Erstaunen deutlich zum Ausdruck brachte. Auf jeden Fall nahm sich die Frau meiner an (wie sie mir spaeter sagte, fuehlte sie sich mir gegenueber verpflichtet, da ich anscheinend so “verleztlich” und “zart”, so ihre Worte, wirke… hmmm…). Sie verbot mir sodann mit muetterlicher Fuersorge, ueberhaupt alleine auf den Strassen zu gehen und auf keinen Fall alleine in ein Taxi zu steigen. Als ich ihren Rat nur belaechelte, erzaehlte sie mir von einer jugen juedischen Frau, welche wie ich vor einem Jahr hier in Salvador wahr um zu reisen. Sie gab ihr den gleichen Rat, nicht alleine in ein Taxi zu steigen und anscheinend reagierte die junge Frau wie ich und winkte unglaubwuerdig ab. Einige Tage oder Wochen spaeter, stieg die Frau alleine in ein Taxi und wurde vom Fahrer ermordet. Also von nun an auch nicht mehr alleine in ein Taxi steigen. D.h. am besten zu Hause bleiben und gar nichts mehr tun. Da frage ich mich doch, ob ich nicht gleich haette in Basel bleiben koennen oder besser noch, mich vorher ueber diese Stadt informieret haette und stattdessen woanders hingereist waere. Im Nachhinein ist man bekanntlich immer schlauer.
Ein anderes Maedchen von meiner Schule erzaehlte die beruehmte Geschichte, dass sie im Bus sass, als dieser angehalten wurde, 5 Maenner mit Gewehren rein kamen und alles gepluendert haben, Rucksaecke, Taschen und alles was man in den Hosensaecken hatte. Sicherlich sehr angenehm, in diesem Land zu sein ohne Pass und ohne rein gar nichts, denn so etwas wie Buerokratie oder zumindest ein Minimum an staatlicher Administration ist hier eine comedia dell´arte. Doch der absolute Clou war die Verfolgungsjagd von Robi, einem Perkussions-Musiker in meiner Klasse. Er wohnt ca. eine halbe Stunde vom Zentrum entfernt in einer Wohnung, welche er fuer drei Monate bei einem Musikwettbewerb gewonnen hatte. Zudem, dass er angeblich taeglich riesiege Bisonratten erschlagen muss, wollte letzte Woche auch bei ihm eingebrochen werden. Zum Glueck hat Robi einen aufmerksamen Portier (alle mehr oder weniger bewohnbaren Haeuser hier haben einen Portier), der den Dieb etwa 500 Meter weit mit einer Machete verfolgt hat. Ja, einer Machete, so mittelalterlich und geradezu laecherlich amuesant das toent. Kaum mehr erwaehnenswert ist da, dass die Babysitterin von den Rabbiner-Kindern auf der Strasse von zwei Mopedfahrern angehlaten und mit einer Waffe im Gesicht aufgefordert wurde, alles auszuhanedigen. Als sie unmittelbar danach zur Polizei ging, meinten diese nur, sie solle froh sein, dass sie noch am Leben sei und schickten sie nach Hause. Nicht genug, scheint es auch wenig paradox, dass Polizisten hier keine Waffen bei sich tragen!!! Sowieso duenkt es, als ob Polizisten sich generell wenig zu kuemmern scheinen. Wie ich beobachtet habe, als ein total verrueckter Mann um sich schlug, bevorzugen sie es, zu plaudern und schoenen Frauen nachzuschauen, satt einzugreifen. Ach und letzte Woche wurde ein juedischer Amerikaner erschossen (da er jedoch wahrscheinlich mit Drogen gehadelt hatte, was ja beruhigenderweise geradezu eine Rechtfertigung ist!).
Es scheint hier keine Gesetze und Regeln zu geben, keinen Respekt vor dem Leben und schon gar keine schutzbietenden Instanzen. Das Suenden hat hier sichtlich die Oberhand. Nichts desto trotz gibt es genuegend Touristen hier, denen dies nichts auszumachen scheint und sie leben ihr gewohntes Leben hier und tun, was sie nicht lassen koennen. No risk, no fun. I´ll go for no fun und freue mich wieder auf den als so oft beschimpften, langweiligen basler Fun.


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