Advertisement
Published: June 25th 2009
Edit Blog Post
Jetzt bin ich seit circa einem Monat hier in Cochabamba - Zeit, eine kleine Zwischenbilanz aufzustellen 😊
Wie die meisten schon wissen, wurde mir in der ersten Woche meine Tasche geklaut, samt Digicam, Diktiergerät, Handy, USB-Stick, Bankomatkarte…
Der Kulturschock hat mich kurzzeitig etwas überrumpelt, als mir meine Tasche geklaut wurde, ich hab dann aber beschlossen, meinen Frust beim Weggehn zu ertränken - hat ganz gut funktioniert, mit 1,5l Flaschen Bier um 1,20 Euro. Als ich dann noch bolivianisches Kniffeln gelernt habe, war ich wieder versöhnt und als ich um 4 Uhr morgens vom Taxi in mein Zimmer gestolpert bin, war der ganze Frust vergessen 😊
Jetzt hab ich mir auch endlich wieder eine Digicam gekauft und habs endlich geschafft, ein paar Fotos von der Stadt zu machen um euch einen Eindruck von dem Leben hier zu vermitteln.
Mittlerweile finde ich mich in der Stadt ganz gut zurecht. Ich wohne ziemlich zentral in einem netten Hostel. Da ich für einen ganzen Monat bleibe, ist die Unterkunft auch ziemlich billig und die Signora hier hat mich schon ins Herz geschlossen (sie begrüßt mich immer mit ¡hola mi amor!, ¿que tal hija?, ¡buon dia linda!).
Ich hab mich aber echt schon
gut an diese große, laute, dreckige Stadt gewöhnt und komm mit den kleinen Bolivianern zurecht 😊 Die Frauen in ihrer typischen „Tracht“ faszinieren mich immer wieder. Diese ausladenden Röcke, die langen schwarzen Zöpfe und die hübschen weißen Hüte mit (meistens Platik-) Blumen drauf sehn einfach unglaublich aus 😊 Die Kinder, die mich immer mir ihren großen schwarzen Augen anstarren bezaubern mich auch immer noch. Es fällt mir extrem schwer, besonders an den ganz kleinen, bettelnden Kindern vorbeizugehen.
Im Zentrum kenn ich mich schon ganz gut aus, hab auch keinen Stress mehr, gleich nach dem Dunkelwerden ins Hostel zu kommen. Bis circa 9 kann ich problemlos ohne irgendein ungutes Gefühl durch die Straßen spazieren. Wenns später wird, ist es besser ein Taxi zu nehmen oder in der Gruppe unterwegs zu sein. Aber nach meiner Taschenklauerfahrung in der ersten Woche bin ich sowieso sehr vorsichtig geworden und hab meistens nur ein bisschen Geld in meinen Hosentaschen eingeschoben und einen Reservehunderter (10 Euro) im BH 😊.
Ansonsten bin ich, wenn ich in Cochabamba bin eigentlich jeden Tag im Büro, das ein bisschen außerhalb der Stadt liegt, hier fahr ich immer ca. 15 Minuten mit dem Mikro um je 1,5 Cent hin
Milton, Alan und Nestor
Alan ist quasi mein Boss, Milton und Nestor arbeiten für CEPY - eine Organisation die sich hauptsächlich für Bildung einsetzt und eng mit DELPIA zusammenarbeitet und her. Mit dem Taxi kommt man sonst um 80 Cent fast überall hin. Die Micros hier sind ganz lustig, sind so ähnlich wie Kleinbusse, voll mit allen möglichen Mickey Mouse und Jesus Pickerl, bei einigen Micros lachen Britney und Avril von der Wand herunter oder Arnold Schwarzenegger in seinen besten Zeiten blickt grimmig auf die Passagiere. In manchen Micros kann ich fast nicht aus dem Fenster sehn, weil die Fenster bei meinem Hals aufhören. Zum Glück musste ich noch nicht allzu oft stehen, denn im Stehen bin ich definitiv zu groß für die Micros 😊
Einmal hab ich mich bereits zum Shopping aufgemacht - man hat mir erklärt, dass ich hier keine Probleme haben werde, Jeans in meiner Länge zu finden, da die Bolivianerinnen immer mindestens 20 cm hohe Absätze tragen. Top motiviert bin ich mit Viola zur Cancha (größter Markt hier) spaziert. Die Cancha ist gespickt von winzigen kleinen Shops, die vollgestopft mit allem möglichen Zeugs sind. Anscheinend gibt es hier irgendein System - alle Textilien in dieser Ecke und alle Elektrogeräte in der anderen, keine Ahnung, ich habs jedenfalls noch nicht durchblickt und wär alleine auf diesem Riesenmarkt völlig verloren.
Nach den ersten paar Schritten hinein
MEIN BLOCK :)
...hinten sieht man klein und gelb das Schild meines Hostels in das wilde Markttreiben bin ich schon ziemlich verunsichert, ich kann mir nicht vorstellen, dass man hier irgendwo Jeans anprobieren kann, der für so Scherze ist hier einfach kein Platz. Ich muss an Lukas denken, der beim Anblick der „Geschäfte“ hier wahrscheinlich gleich am Absatz kehrt gemacht hätte 😊
Aber Viola ist ebenfalls top motiviert und ihre Größe entspricht eher der bolivianischen Norm, also shoppt sie frisch fröhlich dahin. Irgendwann gelangen wir zu einem etwas größeren, freiern und weniger stressigeren Teil der Cancha und hier sehe ich zum ersten Mal Umkleidekabinen. Also geht’s los mit Jeans probieren. Das erste Problem, dass sich mir stellt - ich finde keine einzige „normale“ Jean im ganzen Laden. Alle sind verziert mit Strasssteinen, Glitzer, Reißverschlüssen, Bügelfalten an den unmöglichsten Stellen - hier scheint das „Tussentum“ ziemlich weit verbreitet 😊 Trotzdem probier ich ein paar, die noch am wenigsten Verzierung aufweisen und merke, dass die 20 cm Absätze der Bolivianer nicht ausreichen - alle Hosen sind zu kurz. Ziemlich deprimiert wandern wir ein bisschen verloren in der Cancha herum und hoffen einen Ausgang zu finden, als wir auf einen Shop mit schönen Pullis stoßen. Die Mädels im Shop erklären mir, dass es die Pullis nur
in One-Size gibt, sie sind aber 100%ig sicher, dass mir die Pullis passen, also versuche ich, mich in einen hineinzuzwängen. Natürlich bleib ich stecken, was großes Gelächter hervorruft, zum Glück schaffe ich es irgendwann mit Violas Hilfe, mich aus dem Pulligefängnis zu befreien. Ich beschränke meine Einkäufe auf eine Handtasche - die kann mir nicht zu klein sein…
Essensmäßig bin ich auch ganz gut versorgt. Jeden Morgen gibt’s Frühstück in meinem Hostel - so etwas Ähnliches wie Marmeladesemmerl und heiße Milch. Wenn ich im Büro bin gehen wir immer gemeinsam Essen (in das Restaurant, in dem mir die Tasche gestohlen wurde). Dort gibt es ein „Completo“ (Suppe, Hauptspeise, Nachspeise) um 1,20 Euro. Das ist immer so viel, dass ich dann am Abend meistens keinen Hunger mehr habe 😊 Circa einmal die Woche gönne ich mir (meistens gemeinsam mit Lizzy) eine „europäische Auszeit“. Dann gehen wir gemütlich zum Italiener oder vegetarisch Essen. Das ist im Grunde auch nicht viel teuerer und eine gute Abwechslung zum sonstigen täglichen Fleischessen.
Ansonsten gibts es hier Obstsalat, der mich jedesmal wieder vom Hocker haut und Milchreis, da fühl ich mich ganz wie zu Hause 😊
Also ganz ehrlich, es wundert mich echt nicht, dass
es hier so extrem viele dicke Leute gibt. Erstens gibt es normalerweise Fleisch (mit Reis, Kartoffeln und was weiß ich für Beilagen) zum Frühstück, Mittag- und Abendessen (und zwar immer unglaublich große Portionen) und zweitens trinken die Leute hier „Refrescos“, also Cola, Fanta, Sprite oder sonstiges wahnsinnig süßes Zeugs, meistens aus 2l Flaschen! Einmal hab ich nur ein „Agua“ bestellt, der Kellner hat mich gefragt: ¿Mineralagua? Klar, denk ich mir, Mineralwasser und hab dann schön blöd geschaut, als ich plötzlich eine bolivianische Form von Sprite vor mit stehn hatte 😊
Witzig finde ich auch, dass hier alles mögliche mit den Händen gegessen wird - Hauptsache Hamburger werden fein säuberlich mit Messer und Gabel geschnitten 😊
In Bezug auf meine Diplomarbeit komme ich ganz gut voran, ich hab schon jede Menge Informationen gesammelt, Undercover-Interviews durchgeführt, unzählige informale Gespräche geführt und hab zwei Analyen bereits fast abgeschlossen. Mein neues Diktiergerät funktioniert super, hab auch noch 2 Kontakte auf der Uni von Cochabamba mit Professoren, die auf der Fakultät für Tourismus arbeiten und die werde ich hoffentlich in den nächsten Wochen treffen.
Ja und natürlich falle ich hier auf. Jeder, der eine hellere Hautfarbe hat, outet sich als Tourist und meine
von fast jeder Gasse aus kann man in Cochabamba auf den Cristo de la Concordia blicken...
...das Wahrzeichen von Cochabamba, um 2 Meter hoeher als der weltweit bekannte Cristo Redentor in Rio de Janeiro blonden Haare sowie meine Größe helfen mir auch nicht gerade, dieses Faktum zu vertuschen. Übrigens hab ich mich schon damit abgefunden, dass ich aus Australia komme. Austria kennt hier niemand und es interessiert auch niemanden 😊
Soweit mein Zwischenresümee:
--> ca. 57 Seiten Feldtagebuch Aufzeichnungen von nur 8 Tagen Sanandita (und ich hab das Gefühl noch nicht mal die Hälfte aufgeschrieben zu haben...)
--> 2 Packungen Antibiophilus und trotzdem keine Verschonung vor den bösen Bakterien 😊
--> Cochabamba 15 Grad, Wind, die Frisur hält; Sanandita 25 Grad, Schwüle, die Frisur hält - und das alles ohne Föhn!!!
--> 3 ganze Banane und unzählige Plátanos - hab mich schon gut mit der seltsam gebogenen Frucht angefreundet 😊
--> ca. 26 Stunden Spanisch, es geht aufwärts 😊
Soviel von meinem Leben hier in Cochabamba,
hasta luego, saludos,
Clara
Advertisement
Tot: 0.047s; Tpl: 0.015s; cc: 10; qc: 26; dbt: 0.0227s; 1; m:domysql w:travelblog (10.17.0.13); sld: 1;
; mem: 1.1mb