Abwaegungen


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Argentina's flag
South America » Argentina » Buenos Aires » Buenos Aires
February 5th 2007
Published: February 5th 2007
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Hallo!

Nach langer Abwesenheit werde ich mich mal wieder dem Blog widmen.Es ist einfach unglaublich,dass jetzt der letzte Monat angebrochen ist und ich sehe dem mit gemischten Gefuehlen entgegen.Ich bin einerseits froh,wieder nach hause zu kommen,in die ¨deutsche Ordnung¨.Ich wusste nicht,dass ich ¨so deutsch¨bin,aber mir geht hier wirklich einiges ab.Ich werde viele Dinge wieder neu schaetzen,wenn ich zurueck in Deutschland bin.Andererseits haette ich gern noch so viel mehr Dinge in Argentinien und vielleicht auch Rest Suedamerika gesehn.Sogar Buenos Aires kenne ich nicht wirklich richtig,wenn ich mich auch wesentlich besser hier zurecht finde als noch am Anfang als fuer mich alles ein einziges Chaos war.Ein paarmal habe ich versucht,mir vorzustellen,wie es waere,hier zu bleiben und hier zu leben.Ich habe auch schon Deutsche getroffen,die hierher ausgewandert sind.Aber auf Dauer waere es fuer mich zumindest nichts.Dass man z.B. nicht die Strasse langgehen kann ohne staendig auf den Boden zu gucken,weil man Gefahr laeuft,ueber eine kaputte Fliese zu stolpern oder in Hundekacke zu treten.Oder dass man als Kunde nicht unbedingt immer Koenig ist und es mit der argentinischen freundlichkeit nicht UNBEDINGT immer weit her ist. Zwar sind die Argentinier nicht so ¨laut¨,wie man mir im Voraus gesagt hatte,aber manchmal wuenscht man sich nachts schon,dass ne Polizeistreife vorbei kaeme und ein paar laermende Burschen auf die Nachtruhe aufmerksam machte.Ein anderes Beispiel waere da noch Silvester:Als wir eine Strasse langliefen und uns ein Paerchen entgegen kam:Sie blutete am Kopf und er stiess sie immer wieder mit dem kopf voran auf die Strasse und man hatte keine Chance mal an ne Polizei zu kommen!
Viele Argentinier wollen hier auch gar nicht leben (¨Wenn du mir ein Ticket nach Europa gibst,geh ich¨) und es ist seltsam,dann denken zu koennen¨ ïch kann gehn,aber du musst halt bleiben.¨
Andererseits gibt es aber hier mehrheitlich die Leute,die noch nicht einmal die Chance hatten,in ihrem eigenen Land zu reisen und die einfach vor Ort ihr Leben leben und Fuenfe grade sein lassen.
Gerade auch bei den Konzerten(Rock,Pop,Reagee usw.),die die Regierung von Buenos Aires gratis diesen Sommer erstmals veranstaltet,hat man dann wieder so halbwegs ein Gefuehl von Einheit des Publikums.(Klar ,ist wohl auch einer der Hintergedanken der Regierung dabei).Da ich mich fuer meine Magisterarbeit mit argentinischem Rock beschaeftige,ist es fuer mich sehr interessant,wie soziale Kritik in Liedtexte verpackt ist,was angesprochen wird(z.B.Analphabetenrate)und wie sich das Rockmusikpublikum seit den Militaerdiktaturen veraendert hat.Ach,man koennte da ewig weiter philosophieren!
Fuer mich ist einfach erstaunlich zu beobachten,wie da so eine¨Paralellwelt¨ zu meiner ¨kleinen deutschen Welt¨existiert.(Jaaa,jetzt koennte man anfangen, zu fragen,was deutsch ist...denkt nicht,dass haette ich mich hier nicht schon tausendmal gefragt).
Es ist z.B.unglaublich,was es hier fuer eine Musikszene gibt,von der der rest der Welt keine Ahnung hat.Und das ist SO schade!Es ist dann aber auch urig,am Rande eines Massenkonzertes zu stehn,zu sehn,wie alle ausflippen und man selbst hat die da vorne auf der Buehne NIE gesehn geschweige denn gehoert!
Habe inzwischen schon mit 2 Leuten abgemacht,dass wir uns kuenftig ueber die Laendergrenzen hinweg Musik austauschen werden,um mal was Anderes zu hoeren.

Fuer mich ist interessant,immer wieder auszunivellieren,ob Buenos Aires nun eher europaeisch oder suedamerikanisch gepraegt ist(Jaaa,ich weiss,was heisst das schon,aber es ist eben doch ein unterschied).Mal denke ich,abgesehn von ein paar Details ist es doch ziemlich europaeisch/modern/ oder wie auch immer.Es gibt einfach eine gewisse Infrastruktur und auch kaum einen Mangel an Dingen die man potentiell kaufen koennte etc..Andererseits funktioniert diese Infrastruktur aber auch nicht immer.Was nutzt z.B.,dass Argentinien das Anti-Rauch-Gesetz eher als Deutschland vollbringt,wenn am Ende doch alle Raucher ab spaetestens 2h morgens in den Diskos rauchen???Und es ist auch ziemlich seltsam,wenn es in einer Mega-Bank z.B.keinen Infoschalter gibt und dann ein Herr(vielleicht noch alte Elite)Dich,weil Du Europaer bist,mit einem Fluestern zu den Kollegen privilegiert an einen Schalter bringt,wo 50 Leute anstehn...Das sind so Momente,wo man merkt,dass das alles doch ein bisschen anders laeuft und man wuenscht sich doch sowas wie political correctness,respect oder sowas.

Man kommt dann echt ins Wanken:Soll ich jetzt ablehnen und mich hinten anstellen?Aber die Bank macht gleich zu(was ich vorher nicht wusste).Oder wenn ich einen Vorfall auf der Strasse sehe und meine argentinische Begleiterin die Rufnummer der Polizei nicht weiss,sag ich dann ¨Na also,das musst du doch wissen!¨?
Wenn das Taxi,in das ich steige keinen Gurt hat,steige ich dann wieder aus?Sage ich ¨Fahr bitte langsamer¨wenn er faehrt wie ne gesengte Sau(wie viele hier)?

Ich habe nun schon ein paarmal von Argentiniern zu hoeren bekommen: ¨Wir sind eben ein Dritte-Welt-Land.Wir bringen nichts zu stande.In Europa ,ja,da laeuft das anders!¨
Im Ernst!Mir tut das weh,wenn ich Argentinier so reden hoere.Da schwingt schon so ein bestimmter Grad an Hoffnungslosigkeit mit.Als waere die einzige Loesung,auszuwandern.
Eine verbreitete Theorie ist auch,¨wir bringen nichts zu stande,weil wir von den Voelkern in Europa abstammen,die dort auch lange nichts zu stande gebracht haben: Spanien und Italien.¨ Ja,da muss man dann erstmal tief durchatmen und dann folgt ne lange Debatte ueber Stereotypen,Eigeninitiative etc.

Eine Dame ,die ich fluechtig in der U-Bahn-Station kennen gelernt hatte,sagte mir auch im Laufschritt(die U-Bahn war nicht gekommen)und ohne dass ich irgendwas zu Argentinien gesagt hatte:¨Du hast bestimmt schon gemerkt,dass hier alles so...unterentwickelt ist...Weisst Du,ich habe 6 Kinder: Einen Anwalt,einen Journalisten,einen Mediziner,einen in der Oekonomie,Einer,der mit der x(bekannte Journalistin)zusammen ist und die andere Tochter studiert Psychologie.Wir sind nicht SO.MEINE Familie hat was erreicht!¨
In der Situation hab ich erstmal gedacht:¨Ich hab doch nichts anderes gesagt als dass ich aus Deutschland bin...¨

Ich weiss nicht,ob andere Touristen hier auch diese Gespraeche miterlebt haben.Ich habe manchmal das Gefuehl,dass viele einfach die netten Seiten des Lebens hier geniessen, sich an den Anblick von Obdachlosen und bettelnden Kindern gewoehnen(sieht man ja auch nicht ueberall hier) und dann feiern/reisen gehn....
Was soll man auch sonst machen?

Ciao,
Meli













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