Gut, dass ich kein Schaf bin....


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Oceania » New Zealand » South Island
February 21st 2000
Published: November 4th 2006
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Und noch ein "Alter":
"hi folks,
lang ists her, ich weiss. bitte keine beschwerden! es wird jetzt zwar schwierig, mit stress zu argumentieren, aber auch reisen ist angstrengend...nach den vielen lebst-du-noch-anfragen dachte ich allerdings, es wird wirklich zeit, mal wieder was nettes zu berichten. seit der letzten mail bin ich wohl einige km gerollt und mir gehts immer noch blendend, abgesehen von einem "runners knee", das ich mir wohl von der ungluecklichen kombination von radfahren und hiken geholt habe. Nach einigen wochen radl-pause (o-ton doc: "avoid the hills", haha...) ist mein knie mittlerweile aber schon wieder fast heil. dafuer habe ich mich aufs wandern konzentriert, und das erste paar wanderschuhe durchgelaufen. der sommer ist inzwischen auch eingekehrt, und sogar im fjordland und an der westkueste schien fuer mich die sonne (durchschnittl. 7-8 METER regen im jahr)!! also, alles bestens!

ein paar tage nach dem letzten mail bin ich in christchurch angekommen - im stroemenden regen (kann schon ein bisschen bloed sein, auf'm bike...). obwohl n.z.'s staedte bei weitem nicht mit deutschen oder europaeischen zu vergleichen sind, habe ich es geschafft, dort eine ganze woche tot zu schlagen (kann auch am regen gelegen haben...). den ersten sonnigen tag habe ich sofort genutzt, um weiter nach sueden zu kommen. hatte offenbar schon "schlecht-wetter-paranoia", so dass ich angesichts des wahnsinns-rueckenwinds und sonnenscheins (fuer den naechsten tag war wieder regen gemeldet) das erste mal die magische 100 durchbrochen habe. und dann war ich endlich in den suedalpen (nicht dass ich scharf auf uphills bin, aber schee is scho, gell). Bei schlechten prognosen ist der wahrheitsgehalt der wetterberichte in n.z. immer recht hoch, also regen! habe mich kurz entschlossen bei einem farmer eingenisstet und ihm eine woche lang beim "cratching" geholfen. gut, dass ich kein schaf bin....

cratching ist eine zusammenfassung fuer alle arbeiten, die schafe und laemmer vor krankheiten schuetzen und/oder deren gesundheit foerdern. heisst im klartext: den laemmern musste ich jeweils eine injektion mit vit b fuer schnelleres wachstum (= mehr kohle) spritzen (uebrigens, der groesste teil der laemmer landet auf deutschen tellern...) und ein anti-wurm-mittel mit einer art pump-gun oral einfloessen. anschliessend wurden die hinterteile von klein und gross kahlgeschoren, damit sich nichts in der wolle verfaengt, das irgendwelche krankheiten verursachen kann. injektionen spritzen und die pump-gun in laemmermaeuler stecken war keine grosse leistung. vorher die voellig durchgeknallten viecher zu packen und aus dem stall zu ziehen war schon etwas schweisstreibender. (das ist auch der teil der arbeit, der scherern das leben so schwer macht). der trick ist, die ausgewachsenen, fetten und tierisch schweren schafe auf den boden zu werfen, die vorderlaeufe zu packen und rueckwaerds aus dem stall raus zu schleifen. dazu pirscht man sich von hinten an das auserwaehlte schaf ran, packt es am vorderen ende der schnauze und biegt langsam den kopf in richtung hinterteil. dadurch verliert es das gleichgewicht und faellt um. hoert sich einfach an, oder? aber nicht vergessen, dass die viecher zappeln wie am spiess. und das schlimmste, alle, ALLE, schafe und laemmer im woolshed bloeken wie verrueckt...

der beste teil meiner arbeit war das "shiften" der schafe von den paddocks ins woolshed. 5 hunde halten 600 schafe mit leichtigkeit in schach. bruce (der farmer) auf einem 4-while-bike und ich auf einem weiteren waren nur dazu da, alles zu ueberwachen und schafe mit gebrochenen beinen oder so von der weide aufzulesen und in den hunde-haenger zu werfen. sonst hiess es mit full-speed ueber die paddocks zu heizen.

spaetens im woolshed sind die schafe so crazy, dass sie vor panik permanent gegeneinander, aufeinander oder gegen die wand springen. So kommt es hin und wieder vor, dass schafe in besagtem haenger landen.

am ersten schoenen tag nach dieser interessanten erfahrung hiess es also mal wieder "nix wie weg"! Auf in die berge! 2-tage-hiking auf dem Mt-Somers-track hiess sonne, gute sicht, perfekte berglandschaft, herrliche blicke. Auf dem pass immer noch schnee von der letzten kaltfront, obwohl nur knapp ueber 1000 m hoehe. (die antarctis ist nah...). das einzig nervige: es waren 1000 und 1 creek zu queren. nach den langen regenfaellen glichen die creeks eher reissenden fluessen als irgendetwas anderem, also hiess es (zumindest am ersten tag), boots aus, sandalen an, denn das wandern in nassen schuhen wollte ich mir fuer den zweiten tag aufheben. am zweiten tag war mir das crossing in sandalen angesichts der stroemung und der wassermasse in den creeks nicht mehr ganz geheuer, also mit voller montur durch. was teilweise dazu fuehrte, dass nicht nur meine boots einem see gleichkamen, sondern der rest meiner klamotten auch pitschnass war. (naja, als erfahrener tramper hat man ja immer kleidung zum wechseln dabei....)

die kleine party zu viert abends in der pinnacle hut war die strapazen wert. fuer 2 tage braucht man zwar nicht viel futter (obwohl, als radler braucht man mehr als schwangere frauen!), aber mein rucksack kann mir eigendlich gar nicht leicht genug sein. die 3 kiwi-girls, die ich abends auf der huette traf, sahen das nicht ganz so eng. 4 liter wein haben sie hochgeschleppt, wohl wissend, dass bestimmt jemand da sein wird, der den 4. liter auch noch trinkt. jawoll!

die naechsten radeltage brachten mich den bergen immer naeher. bald kam der erste "richtige" pass; morgens war ich tatsaechlich etwas nervoes, aber wie sich rausstellte, war der pass mit leichtigkeit gemeistert. Wesentlich schlimmer war das, was danach kam: WIND, wind, wind....auf der weiten hochebene, dem mackenzie-becken, ohne strauch und baum hatte der wind freie bahn, sich zu einem ausgewachsenen sturm auf zu blasen. schlimmer als jeder berg...

aber mein tagesziel lake tekapo entschaedigte mich fuer alles! der see liegt in mitten der kargbewachsenen hochebene, braun-gelbes tussock-grass soweit das auge reicht, im hintergrund die schneebedeckten gipfel der suedalpen. der see wird von gletscherwasser gespeist, was dazu fuehrt, dass im seewasser reichlich "rockflouer" enthalten ist. das blau des wassers wird damit zu einem hell leuchtenden tuerkis-blau, das unglaublichste blau was ich je gesehen habe. und es leuchtet und leuchtet und leuchtet...

von hier aus ging es weiter nach mt. cook village, zusammen mit mike aus alaska, der mir 10 tage gesellschaft geleistet hat. der nachste track in mt. cook national park fuehrte uns zur mueller-hut, sozusagen obligatorisch fuer mich. gott sei dank, denn die huette entpuppte sich als einer der besten spots auf der ganzen reise. 1000 hoehenmeter mehr oder weniger vertikal nach oben, hiess 3.5 stunden uphill, bei brennender sonne (endlich) und 27 grad (4 liter wasser pro person bis wir oben waren), was auf alle faelle dazu beitrug, dass die mehrheit der touris auf diesen ausflug verzichtet hat. Wir waren nur zu fuenft und hatten unsere ruhe. das wetter war perfekt, wir konnten das hochalpine bergpanorama in voller pracht geniessen. von ca. 1700 m hoehe hatten wir sagenhafte blicke auf mt cook (hoechster berg n.z.'s), mt sefton, mt tasman (die zu den hoechsten im land zaehlen) und auf mehrere gletscher um uns herum. von der wahrscheinlich mehrere 10 meter dicken eisschicht von dem ueberhaengenden mt.sefton glacier direkt "gegenueber" brechen immer wieder kleinere und groessere eisstuecke ab und fallen viele 100 meter in die tiefe. unten angekommen loesen sie riesige lawinen aus. es donnert und kracht wie in einem heftigen gewitter. haette dieses spektakel tagelang beobachten koennen. wir haben mehrere stunden bewegenslos auf einem felsvorsprung gesessen und geguckt und gestaunt...am naechsten morgen sind wir um 5.00 h raus, es war saukalt (4 grad), aber es hat sich gelohnt. kein woelkchen am himmel, die bergspitzen verfaerbten sich langsam zart rosa, der himmel dahinter wechselte seine farbe von hellblau, fast gelb zu zart lila. es hat noch eine ewigkeit gedauert, bis sich die sonne ihren weg bis zur huette gebahnt hatte (selten so gefroren)..

von mt cook ging es wieder zurueck an die kueste, o-ton tagebuch: "omarama- oamaru, 122 km. was fuer ein ride! die ersten 60 km waren fantastisch. Nur ein pass, sonst alles downhill. gutes wetter, sonne, 25 grad und rueckenwind. und das ganze gekroent von einer umwerfenden landschaft. anfangs noch hohe berge, kark bewachsen mit tussock-grass. durch das ganze tal schlengelt sich ein stausee, genauso blau wie lake tekapo. guten schnitt bis duntroon, dann ploetzlich: kein wind mehr. ein paar minuten spaeter: gegenwind und zwar in unverminderter staerke! woher in gottes namen??? ich habe keine ahnung. und noch 40 km zu fahren..."

puenklich zum millenium habe ich die 2000 km-marke vollgemacht. gefeiert habe ich natuerlich ordentlich, wie sich das gehoert fuer einen jahrtausendwechsel. der tag danach bescherte mir den jahrtausendkater...ausgleichende gerechtigkeit! aber genug jetzt von den schoenen sachen. damit ihr nicht doch auf die idee kommt, alles stehn und liegen zu lassen, um mit dem rad nach down under abzuhauen, habe ich beschlossen, euch doch mal die wahrheit zu schreiben. Es gibt auch schlechte tage in diesem schoenen leben. o-ton tagebuch: "30.02.00 Mavora Lakes - Te Anau, 69.69 km heute morgen kein regen mehr. 13 grad im zelt, trotzdem gut geschlafen. seltsame stimmung, auch draussen. kein laut, kein wind, spiegelglatter see, ein paar luecken zwischen den wolken, wolkenfetzen haengen zwischen den bergen. friedlich, fast ein bisschen unheimlich. alles ist immer noch nass, zelt, klamotten, schuhe, sattel, lenker, handschuhe, gut dass mein schlafsack trocken geblieben ist. niemand hier ausser mir und einem fliegenfischerpaarchen mit ihrem zelt ca 1 km von hier. scheiss ride, nach 1 std faengt es wieder an zu regnen. knie tut wieder weh, meine schulter ist total verspannt, mein ar(...), kann kaum noch sitzen. und der regen, bin mal wieder pitschnass...nach 2.5 std. asphaltierten highway erreicht. gott sei dank kein schotter mehr, dafuer gegenwind, saukalt. gluecklicherweise rauschten yunco und inge auf dem highway an mir vorbei, stoppten und nahmen mir mein gepaeck ab, so dass ich ohne gepaeck weiterradeln konnte. "

nach 2 tagen einsamkeit habe ich bei rose-anne und tony dafuer ein perfektes kleines zuhause gefunden. die beiden leben in einem kleinen oertchen mit sage und schreibe 15 einwohnern, eingerahmt von wunderschoenem regenwald und zwei traumhaften lagunen an n.z.'s westkueste. einsam ist es hier zwar auch, aber die wenigen bewohner sind umso freundlicher (nach 2 tagen kannte ich das ganze dorf). rose-anne ist fantastisch, so herzlich und freundlich, witzig und kuemmert sich um uns, als seien wir ihre eigenen kinder. abends am strand treffen wir carol. sie lebt seit 2 monaten in den duenen an der okarito-lagoon im zelt. sie zeigt uns ihr "zuhause". ein winziges zelt, ein paar waescheleinen drum herum, eine feuerstelle und ein regendach zwischen den baeumen. ihr klo ist der busch! zum duschen geht sie ab und zu die 500 m rueber zum camping platz. wenn es richtig stuermt (was hier recht haeufig vorkommt), sucht sie schon mal schutz in einem shelter auf halbem weg zum highway, ca. 6 km von hier, sagt sie. wenn sie einkaufen muss, geht sie zu fuss zum highway (13 km), von wo aus sie meistens einen lift zum naechsten ort bekommt. frueher hat sie auf der anderen seite der lagune in selbstgebauten cabins gelebt, aber seit das meer die cabins weggespuelt hat, ist das zelt ihr zuhause. sie macht einem gluecklichen eindruck, trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob sie es wirklich ist. es ist nett mit ihr zu plaudern, dennoch, etwas suspekt ist sie mir schon...

es ist erstaunlich, mit welcher einfachheit viele leute hier zufrieden sind. auch rose-anne und toni leben in einem wohnwagen, ihr wohnzimmer ist das "club-room", das gleichzeitig als dorfkneipe dient. (die beiden haben allerdings keine lizenz, deshalb gilt: you can't buy a bier, you can rent a glas though...)

rose-anne wusch all unsere dreckwaesche, ohne dass wir irgendwas gesagt hatten, in ihrem gemuesegarten duerfen wir uns bedienen als sei es unser eigener und immer ist sie um unser wohlergehen besorgt. es ist tatsaechlich wie ein zuhause in der weitern ferne.

schweren herzens nahmen wir einige tage spaeter als geplant abschied von diesem kleinen paradies. von dort aus ging es wieder richtung norden mit einem kleinen abstecher ins landesinnere, arthurs pass. berge, endlich mal wieder...(eigendlich gibt es hier kaum einen fleck ohne berge!). der zufall hat mich auf eine route gefuehrt, die mal wieder ein volltreffer war. wie immer, macht man plaene eigendlich nur, um sie wieder umzuwerfen...

o-ton tagebuch: "habe kurz entschossen die avalanche-peak-route gewaehlt, ein weiser entschluss wie sich herausstellt. schweisstreibende 1100 hoehenmeter, aber jeder meter hat mich gluecklicher gemacht. mal wieder schwein gehabt mit dem wetter, kann das bergpanorama in voller pracht geniessen. Schon vor dem gipfel herrliche aussicht, aber dann der 360 grad-blick ganz oben ist einfach wahnsinn. dann faengt es an, etwas tricky zu werden. treffe ein amerikanisches paar mit dem gleichen ziel und folge ihnen einfach, um den richtigen weg zu finden. wie sich rausstellt, gibt es doch ein paar markierungen und die route ist etwas ausgetreten. trotzdem kann ich die detailkarte gut gebrauchen. Bis zum abstieg gehts ueber den kamm, permanent gute sicht. soweit bestens. Wir finden die richtige stelle fuer den downhill auf anhieb. das erste stueck war noch fun, wie auf ski konnte ich das geroellfeld runter gleiten. Dann wurden die steine jedoch groesser und groesser, ich rutschte immer noch und die felsen mit mir...setze mich einige male unfreiwillig hin, langsam wird es mir ungheuer. versuche es mit anderen methoden, rueckwaerts, seitwaerts, zigzag...mit einer mischung aus allem klappt es einigermassen. der rest ist locker dachte ich. pustekuchen! keine markierung, also immer am fluss entlang. ueber steiniges flussbett, durch busch, immer abwechselnd. bis es im busch nicht mehr weitergeht, also zurueck marsch marsch und einen neuen versuch starten.." weiss nicht mehr, wie oft ich wohl im kreis gelaufen bin auf der suche nach dem richtigen weg..

nun geht meine neuseeland-zeit tatsaechlich dem ende zu, habe entschieden in christchurch noch ein paar sachen zu organisieren, und in ein paar tagen geht es wieder zurueck nach auckland und weiter nach australien. Bin gespannt... so, ihr seht, neuseeland habe ich ueberlebt, den rest werde ich auch noch meistern. macht euch keine sorgen! vermisse und druecke euch!

viele liebe gruesse
tina"


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