Unterwegs im Himalaya Teil 1


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April 15th 2014
Published: April 15th 2014
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Tag 1: 3328 Stufen bis zum Ziel

Fast hätte ich doch noch einen Trekkingpartner gefunden. Als ich gestern Abend nur schnell um die Ecke im chinesischen Restaurant etwas kleines Essen wollte und so allein an meinem Tisch sitze, spricht mich mein Tischnachbar Chris aus England an, der ebenfalls alleine isst, ob ich ihm nicht Gesellschaft leisten will. Eigentlich wollte ich wirklich nur schnell und nur eine Kleinigkeit essen aber er scheint nett zu sein und so bestelle ich nach seiner Empfehlung viel zu viel Essen (aber gut!) und wir unterhalten uns prächtig bis wir gegen halb elf aus dem Lokal geworfen werden. Ich habe nicht mal die Hälfte meines Essens geschafft aber der nette Kellner packt es mir für morgen als Snack in Zeitungspapier ein. Chris ist eine ganze Weile in Pokhara und wollte auch irgendwann noch trekken gehen, allerdings muss er heute sein Visum erneuern, was am Montag abläuft, sonst hätte er sich wohl tatsächlich spontan mir angeschlossen.

Also stehe ich Freitag Früh doch allein gegen 08.00 Uhr mit meinem Rucksack vor der Trekkingagentur und treffe dort meinen Guide KhelMit dem Taxi fahren wir etwa 75 Minuten nach Nayapul zum Startpunkt unserer Wanderung wo wir gegen halb 10 ankommen. Es ist schon ziemlich heiß und anfänglich geht die Wanderung über einen Schotterweg und durch einige Dörfer in der prallen Sonne steil den Berg hoch. Ich frage mich, warum wir nicht etwas früher losgegangen sind und verteile insgeheim schon ein kleines Minus für meinen Guide. Wir wandern ca. 2 Stunden durch ein schönes, mit Reisfeldern gespicktes Tal und ab und an durch kleine idyllische Dörfer. Hier trifft man noch sehr viele Leute und alle paar Kilometer befindet sich eine kleinere Ansammlung von Gasthäusern. Irgendwie hatte ich mir das etwas weniger rummelig vorgestellt hier, obwohl auf dem Weg wirklich nicht zu viele Leute unterwegs sind. Vielleicht wird es anders wenn wir etwas höher steigen, und man ist dann ein bisschen mehr in der Natur. Allerdings ist die Annapurna-Region eben auch eine der meistbesuchtesten Trekkingregionen der Welt und die hervorragende Infrastruktur wird überall gelobt. Und es ist auch sehr bequem, sich theoretisch alle paar Kilometer ein frisches abgefülltes Wasser kaufen zu können und nicht den gesamten Wasserbedarf des Tages mitschleppen zu müssen, denn mein Rucksack ist schon schwer genug. Irgendwie ist der meines Guides nur halb so groß wie meiner, was mache ich nur falsch!?

Gegen 12 kehren wir in einer Lodge ein und Khel isst ein Dhal Bat und ich ein Tomatenomelette. Als er dann raus zum Rauchen geht und auch sonst keiner im Gastraum ist, packe ich heimlich meine "Doggybox" aus dem Chinarestaurant gestern aus und esse noch was von meinem Cashew Hühnchen und dem gebratenen Reis. Mein Rucksack muss leichter werden und außerdem tut es dem Hühnchen glaube ich nicht so gut durch die Sonne getragen zu werden. Ich schaffe aber wieder nur die Hälfte davon. Jetzt geht es noch eine Stunde auf und ab durch das Tal und dann queren wir auf zwei Hängebrücken den Fluss und stehen am Fuß einer riesigen Treppe, die in den Himmel zu führen scheint. Ich hatte schon gehört, dass der erste Tag des Poonhill Trek aus etwa 5000 Treppenstufen besteht, hoffe aber dass wir in den letzten drei Stunden schon ein paar davon abgearbeitet haben und jetzt nicht mehr so viele auf einmal zu bewältigen sind. Auf meine Frage antwortet mir Khel allerdings wenig motivierend, dass wir noch mehr als 3000 vor uns haben. Auf gehts.

Ich beginne zu zählen, weil ich mir einbilde dann so abgelenkt zu sein dass mir der Aufstieg leichter fällt, allerdings sind die Stufen wirklich fies. Keine ist wie die andere, manche zu hoch, manche zu flach, manche zu breit um sie mit einem Schritt zu nehmen. Man muss sich also schon ziemlich auf die eigenen Schritte konzentrieren, weswegen ich keine Garantie für meine Zählung abgeben kann, aber ich teile dafür sehr gerne ungefragt und völlig übermotiviert allen Wanderern, die ich auf dem Aufstieg überhole (zugegebenermaßen nicht allzu viele), den aktuellen Stufenstand mit. Alle 750 Stufen erlaube ich uns eine Pause und irgendwie bewältigen wir tatsächlich recht zügig 3328 Stufen und 900 Höhenmeter bis zu unserem einfachen aber gemütlichen kleinen Gasthaus in Ulleri. Da wir gegen 14.45 Uhr die ersten sind, die dort ankommen bekomme ich Zimmer eins und lasse erstmal völlig fertig alles dort fallen. Mein Zimmer besteht aus etwa 6 qm, in die zwei 90cm-Betten gezwängt wurden, einem Stuhl und drei Nägeln in der Wand, die Betten sind entgegen meiner Erwartung total gemütlich und ich habe aus dem Fenster einen wunderbaren Ausblick auf das Tal aus dem ich gekommen bin. In der letzten Stunde hat es allerdings zugezogen und dunkle Wolken und ein fieser Wind versprechen nichts Gutes. Die Sicht ins Tal ist dadurch auch stark eingeschränkt. Ich hoffe, morgen klart es etwas auf, dann können wir vom Hotel aus auch ein paar richtige Berge sehen verspricht Khel.

Die Dusche entpuppt sich leider dank Stromausfall- das kennen wir ja langsam- als Kalte Dusche und als ich danach wieder in mein Zimmer komme windet und donnert es schon so, dass ich richtig friere und die Sonne ist völlig verschwunden. Wir sind jetzt auf fast 2000 Metern ü.d.M. und ich habe ein bisschen Bedenken, dass es unser, irgendwie aus Holz und Steinen zusammengeflicktes, Gasthaus vom Berg weht. Die Tür kann man schon nicht mehr öffnen, ohne dass sie einem der Wind aus der Hand reisst. Aber dann zieht zumindest der Regen an uns vorbei und es reisst nochmal auf und gibt kurz den Blick auf den Annapurna South frei, der wunderschön am Horizont thront.Ich gehe also noch ein paar Bilder machen, hänge noch ein bisschen mit Khel herum, sein englisch reicht allerdings leider nur für eine Basiskonversation, und dann bestellen wir unser Abendessen. Bei mir gibt es Momos (übrigens die schlechtesten und teursten bisher, völlig ungewürzt und die Füllung ist grösstenteils aus Kartoffeln) und für Khel natürlich wieder Dhal Bat. Gegen halb Acht bin ich auch bedient von meinem ersten Trekkingtag und verziehe mich in meine Kammer. Weil ich von meinen Momos so enttäuscht bin, esse ich noch mit einem eigens beim Abendessen entwendeten Löffel mein restliches Cashewhühnchen auf. Dazu muss man wissen, dass das Konzept der Gasthäuser hier ist, dass Essen und Unterkunft zusammen "verkauft" werden. Meine Kammer kostet 250 Ruppies, was nicht mal 2€ sind, wenn ich allerdings nicht im hauseigenen "Restaurant" essen würde, würde sich der Preis vervierfachen! Das ist ein gängiges Konzept und neben den für jedes Gebiet festgelegten Einheitspreisen für die Zimmer auch von der Tourismusbehörde festgelegt. Deswegen muss ich den Löffel morgen auch wieder höchst konspirativ zurückschmuggeln...

Tag 2: Ein Schneesturm im April

Ich habe super geschlafen, auch wenn es in der Nacht bitterkalt war, nur leider blieb am Morgen der erwartete Blick auf den Annapurna South zum Sonnenaufgang aus, denn es ist immernoch bedeckt. Trotzdem sitze ich gegen halb sechs, als es langsam hell wird eine halbe Stunde in meine Decke gehüllt am Fenster und genieße den Ausblick und zumindest ab und zu blitzt ein schneebedeckter Gipfel aus dem Dunst.

Wandertag Nummer zwei beginnt gegen 07.00 Uhr wieder mit einer knappen dreiviertel Stunde Treppensteigen, auf die ich langsam nicht mehr so Lust habe, aber irgendwie müssen ja auch heute die 800 Höhenmeter bis nach Ghorepani (auf 2860 m) überwunden werden.Wir steigen durch Ulleri immer weiter auf, bis wir irgendwann den, wie Khel sagt, "Dschungel" erreichen. Wir wandern fortan von der Sonne geschützt mehrere Stunden auf und ab durch einen Märchenwald voller alter riesiger Bäume, moosbedeckter Steine und kleiner Bachläufe, die sich ab und zu in kleinen Wasserfällen ins Tal hinab stürzen. Hier begegnen uns zwar auch in regelmäßigen Abständen andere Wanderer aber es ist etwas ursprünglicher als gestern. Im Wald ist es frisch und ich friere trotz meiner Funktionsjacke ein wenig. Wir machen kaum größere Pausen und steigen zwar langsam aber stetig auf und ich befürchte schon, dass wir viel zu früh in Ghorepani ankommen werden und es dort wieder nichts zu tun gibt.

Etwa eine Stunde vor Ghorepani kommen wir zum ersten Mal in die berühmten Rhododendron- Wälder hinein. Ich wusste wirklich nicht, dass Rhododendron so groß wie Buchen werden können. Aber hier gibt es tatsächlich ganze Wälder, nur leider habe ich die Rhododendronblüte laut Khel um ziemlich genau eine Woche verpasst. Ein paar vereinzelte Bäume stehen noch in voller Blüte, an allen anderen sind allerdings nur noch die Überreste der Blüten zu erkennen. Noch vor einer Woche muss es hier traumhaft gewesen sein. Irgendwie sitzt mir gestern noch in den Knochen und ich bin dann doch ganz froh, als wir gegen halb 12 schon im "Super View Guesthouse" in Ghorepani ankommen, insbesondere, weil es ganz schön nach Regen aussieht. Von der Super View ist dementsprechend auch nicht viel zu sehen. Aber als wir ankommen wird gerade der Ofen angeworfen, der tatsächlich eine heiße Dusche verspricht, die auch tatsächlich nach etwa 40 Minuten möglich ist.

Gerade als ich mich danach an den Ofen setze, wo schon meine ausgewaschenen Sachen trocknen, und mir einen heißen Tee bestellt habe beginnt es draußen zu blitzen, zu donnern und kurz darauf in Strömen zu regnen. Eine große Reisegruppe unfassbar bunt gekleideter und unfassbar lauter Chinesen hat es gerade noch ins Gasthaus geschafft, das verspricht also auch Abendunterhaltung. Und über das Gewitter freue ich mich auch, hoffentlich klart es danach auf, denn morgen früh wollen wir zum Sonnenaufgang zum Poon Hill wandern, etwa 45 Minuten aufwärts von hier, von dem man die beste Sicht auf die Annapurna Range hat. Und außerdem will ich ja auch noch die Super View aus meinem Zimmer genießen.Ich sitze also mit meinem Tee am Kamin und unterhalte mich ein bisschen mit ein paar Guides und als ich das nächste Mal aus dem Fenster schaue, kann ich meinen Augen kaum trauen: es schneit! Schon klar, wir sind auf 3000 m aber damit hatte ich nun doch Mitte April nicht gerechnet und bin auch definitiv nicht dafür ausgerüstet. Angeblich ist das auch hier oben recht ungewöhnlich für diese Jahreszeit.

Im Gastraum spielen zwei junge nepalesische Guides ein Brettspiel namens "Carromboard" (keine Ahnung ob es das noch unter anderem Namen irgendwo anders auf der Welt gibt), das ähnlich wie Billard funktioniert. Man schnippt mit dem Zeigefinger gegen ein rundes Plättchen und versucht damit entweder die schwarzen oder die weißen Steine in die vier Löcher in der Ecke des Spieltisches zu befördern. Nachdem ich eine Weile zugeschaut habe, darf ich es selbst versuchen und wir spielen zu dritt. Ich bin leider nicht sonderlich begabt aber im Laufe der nächsten Stunde werde ich zumindest ein bisschen besser und verstehe langsam, wie es läuft. Trotzdem verliere ich natürlich haushoch. Wie sich herausstellen soll sind die Chinesen eine super lustige Truppe und obwohl kaum einer von ihnen mehr als ein paar Brocken englisch spricht wird es eine lustige Runde, die sich da um den Ofen schart. Das einzige was mal wieder nervt ist, dass immer wieder welche aus der Gruppe einfach Fotos von mir machen, ohne zu fragen. Nach dem Essen, was ich heute netterweise nicht alleine zu mir nehmen muss und was auch viel besser schmeckt als gestern, hört endlich der Schneeregen auf und es klart soweit auf, dass ich eine Idee davon bekomme, was die Super View ist. Draussen ist es aber immernoch sehr kalt und mir graut ein bisschen vor morgen früh. Vor dem Zubettgehen wird die Stimmung um den Ofen immer besser und wir tanzen sogar ein bisschen zu nepalesischen Liedern wobei sogar die älteren Chinesen auftauen und wild herumspringen. Trotzdem liege ich wieder um halb neun im Bett, denn morgen klingelt der Wecker schon um 04.30 Uhr damit wir pünktlich zum Sonnenaufgang auf dem Poon Hill sind.


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Blick aus meinem Zimmer in UlleriBlick aus meinem Zimmer in Ulleri
Blick aus meinem Zimmer in Ulleri

...von da gaaaanz unten kamen wir heute !
Impressionen von Tag 2Impressionen von Tag 2
Impressionen von Tag 2

Und Khel mal wieder am Handy :-)


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