Annapurna-Circuit


Advertisement
Nepal's flag
Asia » Nepal » Himalayas
November 24th 2023
Published: November 24th 2023
Edit Blog Post

26.10.-24.11.

Ein ganzer Monat ist vergangen seit dem letzten Eintrag, es geht uns blendend und wir haben in dieser Zeit viel erlebt:

Wir fahren mit dem Local Bus – diesmal wissentlich und freiwillig – nach Besisahar, dem Ausgangspunkt des Annapurna-Circuit-Trails (ACT). Wieder sind es so was-tu’-ich-bloss-mit-meinen-Beinen-Sitze, die nach ein paar Stunden unweigerlich zu Wadenkrämpfen und Rückenschmerzen führen, wieder sind die Strassenverhältnisse haarsträubend, wieder gibt es diverse unvorhergesehene Halte (einspuriger Verkehr wegen Erdrutschen, ein auf einer Brücke querstehend verkeilter Lastwagen, ein unzufriedener Verkehrspolizist – ein Nötli in die Hand hinter dem Rücken besänftigt ihn schliesslich), wieder benötigen wir deutlich länger als angegeben, diesmal sind es neun Stunden für die rund 120km.

Der ACT ist ein Weitwanderweg, der wie es der Name verrät, in einem grossen Kreis um das Annapurna-Massiv herumführt. Höhepunkt ist der Thorong-La auf 5416m. Es heisst, dass ab 2023 für alle Treks in Nepal ein Guide obligatorisch sei, aber Internet-Recherchen haben ergeben, dass der ACT weiterhin ohne Guide absolviert werden kann. Ein solcher ist auch wirklich nicht nötig, der Trail ist gut markiert, man kann sich kaum verirren, es hat genügend Unterkünfte, und es sind immer auch andere Leute unterwegs, man könnte sich im Notfall gegenseitig helfen.

Wir haben nach der Busfahrt das dringende Bedürfnis uns noch etwas zu bewegen, und so wandern wir noch um halb vier Uhr los und legen vor Sonnenuntergang schon mal die ersten 10km zurück. Die Logistik auf dem ACT ist denkbar einfach: in jedem Dorf gibt es sogenannte Teahouses, einfache Unterkünfte, wo man auch Essen kann. Man wandert einfach so weit man mag und hält bei einem beliebigen Teahouse. Seit vor ein paar Jahren von beiden Seiten des Passes her mit dem Bau einer 4WD-Strasse begonnen wurde, fahren immer mehr Touristen immer längere Strecken mit dem Jeep, um den Trek abzukürzen. So sind die Teahouse-Betreibenden an beiden Enden mittlerweile froh um jeden Gast, häufig stehen sie am Gartenzaun und bitten darum, dass man bei ihnen einkehren möge. Im «Peaceful Lodge» sind heute Abend noch drei weitere Personen da: ein schweigsamer Pole, ein umso gesprächigerer Holländer und eine junge Amerikanerin, der wir erfolglos zu erklären versuchen, dass sie mit ihrem 25kg-Rucksack nicht weit kommen wird und doch noch etwas Ballast hier lassen soll. Wir haben rund 10kg geladen, und schon das fühlt sich im Moment noch schwer an.

Und so wandern wir die nächsten 18 Tage. Wir legen rund 300km zurück, 15'000 Höhenmeter rauf und wieder runter, inklusive ein paar sogenannten Side-Treks in Seitentäler zur Akklimatisierung und weil es einfach so schön ist, und landen schliesslich in Nayapul, dem offiziellen Endpunkt des ACT. Der Trail ist technisch nicht schwierig, wie beim Velofahren in Tibet auch ist es die Höhe, die ihn zur Herausforderung macht. Ab 3000m reicht der Atem einfach nicht mehr so weit, man muss langsam gehen und braucht mehr Erholungszeit. Wir sind jeden Tag zwischen sechs und acht Stunden unterwegs, mit einer Pause etwa alle zwei Stunden. Der Trail führt anfänglich durch Reisfelder und Bananenplantagen, durch kleine Dörfer, die trotz des jahrelangen Touristenstroms erstaunlich ursprünglich geblieben sind. Von Tag zu Tag kommt man höher, bis hinauf ins Hochgebirge. Ab und zu muss man kurze Passagen auf der Strasse zurücklegen, was unangenehm ist, da die vorbeifahrenden Jeeps viel Staub aufwirbeln. Nach ein paar Tagen hat es bereits deutlich mehr Leute unterwegs, in den Teahouses herrscht SAC-Hütten-Stimmung. Meist steht mitten im Raum ein Holzherd, um den sich alle scharen – sonst wird nicht geheizt, in den Zimmern ist es nun bitterkalt. Nebst dem Rauch des Feuers sorgen die zusätzlich überall verbrannten Wachholderzweige für dicke Luft, ein buddhistisches Ritual.

In Manang endet die Strasse, und auf dem Side-Trek zum Tilicho-See hat es plötzlich massenhaft Wandernde. Die meisten sind junge Nepali, schlecht ausgerüstet, unfit und nicht akklimatisiert. Der Weg ist recht exponiert und teilweise steil, immer wieder muss man auf dem schmalen Pfad Platz machen für Packpferde, oder muss sich durch rastende Gruppen erschöpfter Leute schlängeln. So ist man etwas von der fantastischen Aussicht auf die Gipfel des Annapurna III und Gangapurna abgelenkt, die sich hier auftut. Im Tilicho Basecamp finden wir gerade noch Platz in einem 10er-Schlag (bisher gab es immer Doppelzimmer), alles andere ist ausgebucht. Nach dem Znacht werden sogar noch im Aufenthaltsraum Matratzen und Decken ausgelegt, für alle, die kein Bett mehr gefunden haben. Wir erfahren, dass der Tilicho-See sowohl im Hinduismus wie auch im Buddhismus eine besondere Bedeutung hat und es quasi Pflicht ist, ihn einmal zu besuchen. Der Aufstieg zum See auf 4900m am nächsten Morgen gestaltet sich ähnlich, aber die meisten schleppen sich tatsächlich bis ganz oben und werden dafür mit der Aussicht auf den prächtigen Bergsee belohnt. Allerdings windet es dermassen stark, dass man es kaum mehr als ein paar Minuten oben aushält. Beim Abstieg treffen wir tatsächlich auf die Amerikanerin vom ersten Abend, es gehe ihr gut, der Rucksack sei kein Problem, sagt sie. Wir sind froh, als wir danach wieder in den ACT biegen, während die grosse Masse von Pilgernden zurück nach Manang und von da wieder ins Tal kehrt.

Nun folgt der eigentliche Aufstieg zum Thorong-La, verteilt auf drei Tage. Immer wieder kommen uns Leute entgegen, die wegen Höhenkrankheit umkehren müssen, und jeden Tag fliegt zwei, dreimal ein Helikopter hoch, der wohl ebenfalls höhenkranke Trekkende abholt. Uns geht es zum Glück gut, wir haben keinerlei Beschwerden und haben uns nun auch ans Gewicht des Rucksacks gewöhnt. Anstrengend ist es trotzdem, und die Erleichterung, als wir endlich die Passhöhe erreichen, ist enorm.

Hinter dem Pass liegt die Region Mustang, der nördliche Teil davon ist «restricted area» und nur mit teurer Spezialbewilligung und Guide zugänglich. Ein weiterer Side-Trek führt uns jedoch durch ein paar Dörfer im Grenzgebiet. Das traditionelle Leben, die Anpassung der Leute an die harten Lebensumstände beeindrucken uns einmal mehr. Ein altes Ehepaar sitzt auf dem Bänkli vor dem Haus und schält Äpfel. Als wir vorbeigehen und grüssen, bieten sie uns ganz spontan Apfelstücke an.

Wir sind nun meist wieder die einzigen Gäste in den Teahouses, unterwegs begegnet man kaum mehr jemandem. Wir folgen dem Kali Gandaki-Fluss, nach zwei Wochen prächtigen Wetters erwischen wir hier doch noch einen bewölkten Tag mit einigen Regenschauern. Diverse Flussüberquerungen über wackelige Stege bei starkem Seitenwind gestalten sich als Mutprobe. Am nächsten Tag ist es zwar trocken, der Wind ist aber umso stärker und wirbelt viel Sand auf. Es ist die Woche des Lichterfestes Diwali, alle Dorfeingänge, Türbogen und auch Kühe und Hunde sind mit Blumengirlanden geschmückt, die Leute musizieren und tanzen, nach Sonnenuntergang brennen überall Kerzen und Lichterketten.

Gegen Ende des Treks erreichen wir Ghorepani, wo sich verschiedene Trails kreuzen und auch diejenigen Touristen hinkommen, die bloss einen Blick auf die Himalayas erhaschen wollen ohne die mühsame Tschumplerei. Einzige Anstrengung, die es braucht, ist ein kurzer Aufstieg auf den Poon Hill, von wo sich die Annapurna- und Dalaughiri-Massive präsentieren. Wir beherzigen den «Geheimtipp» und sind zum Sonnenaufgang oben – gemeinsam mit rund 300 anderen Touristen. So viele Leute an einem Haufen haben wir seit dem Tilicho Basecamp nicht mehr gesehen! Die Aussicht im Licht der ersten Sonnenstrahlend ist aber auch umwerfend.

In Nayapul treffen wir auf die Hauptstrasse und nehmen den Bus nach Pokhara. Diesmal müssen wir uns nicht um die Beinfreiheit unserer Sitze sorgen – der Bus ist bereits voll als wir zusteigen, wir stehen für die zweistündige Fahrt. Pokhara, zweitgrösste Stadt Nepals und wunderschön an einem See gelegen, bietet alles, was das Herz begehrt nach drei strengen Wochen abseits der modernen Zivilisation. Wir gönnen uns zwei Nächte in einem schönen Hotel, essen mal was anderes als Dal Bhat (Reis mit Linsensauce und Gemüse) und Thukpa (Nudelsuppe) und genehmigen uns das eine oder andere Bier. Wir verbringen einen halben Tag im Immigration Office, um unser Visum zu verlängern, erklimmen den Hügel mit der World Peace Stupa und der fantastischen Aussicht auf die Stadt, den See und die Berge.

Was gibt es Besseres nach dem Wandern als etwas dehnen und entspannen in einem Yoga-Retreat? Schliesslich tut uns die wöchentliche Yogalektion zuhause jeweils gut. Gesagt getan, wir buchen eines der vielen Angebote und treten um 7 Uhr morgens an für die erste Yogastunde. Und kommen sowas von auf die Welt. Das hier ist kein Wohlfühl-Programm, sondern harte Arbeit! Hatha-Yoga, Pranayama (Atemübungen), Ayurveda-Theorie, Yoga-Philosophie, Anatomie, Ashtanga-Yoga, Meditation. Der Tag ist durchgeplant, die Übungen massiv anstrengend, die Lehrer (alles scheinbar knochenlose, junge Männer) streng. Nach drei Tagen tut uns alles weh, wir haben enorm viel gelernt, und sind voll motiviert, uns weiter in Yoga zu vertiefen. Es gibt nur eine Handvoll Retreat-Gäste, die meisten der Teilnehmenden sind für mehrere Wochen hier und absolvieren einen Kurs, um anschliessend Yoga zu unterrichten.

Für die Rückfahrt nach Kathmandu (190km, angeblich 9h) buchen wir diesmal einen Bus der «Tourist-Class», der kostet neun statt sechs Franken und bietet etwas mehr Platz. Er braucht dann doch zwölf Stunden, aber immerhin kriegen wir keine Krämpfe.

Nun gilt es noch unsere Mountainbikes zu verkaufen, ein bisschen Shopping zu erledigen, ein Paket mit den Velo- und Trekkingsachen nachhause zu schicken, etwas Sightseeing um Kathmandu herum zu unternehmen und dann fahren wir in den Nationalpark im Süden und von dort aus zurück nach Indien. Bis dann.


Additional photos below
Photos: 76, Displayed: 28


Advertisement



Tot: 0.128s; Tpl: 0.015s; cc: 9; qc: 57; dbt: 0.0609s; 1; m:domysql w:travelblog (10.17.0.13); sld: 1; ; mem: 1.2mb