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Published: August 16th 2015
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Nach eigenartiger, schriftlicher Kommunikation mit unserem Gastgeber über die Hausregeln (Erleuchtung: kaum Müllkübel wegen Kakerlakenängsten) und einer gehörigen Portion Schlaf (11 Stunden!) fahren wir zum Tomioka Hachimangu Schrein in Osttokyo (wir finden auch mühsamst den Bezirk nicht raus), wo eine Wasserschlacht und Prozession stattfinden soll, uns kommen die im weißen Kurzgewand kämpfenden Menschen jedoch entgegen zur Ubahn - kein gutes Zeichen? Dort ist es wie auf einem Zeltfest, Stände, Musik (traditionelle, kawaiiSchlager, Trommler und eine Kapelle) und nonverbale Kommunikation auf höchstem Niveau: wir freunden uns mit zwei älteren Damen aus Yokohama an, die kaum Englisch können, aber wir teilen uns die heiß begehrten Sitzplätze im Schatten und tauschen Süßigkeiten aus. Wir lächeln, bis uns die Wangenmuskeln weh tun und freuen uns einen Ast ab, als wir Ahornsüßigkeiten gegen mit Bohnenpaste gefüllte Mochi und Kaffee-Karamell Zuckerl tauschen. Es ist wie damals im Kindergarten: keine Vorurteile, kaum Sprache, große Gesten und ein Bindungsgefühl, das es nur in Extremsituationen geben kann (japanisches Zeltfest ohne Dolmetscher ist für Europäer ein gewisses Survivaltraining).
Weil wir gestern das Thema Religion angesprochen haben: Mehrfach wurde uns gesagt, dass der japanische Glaube von Opportunismus geprägt ist und man sich das Beste jeder Religion rauspickt, wenn es einem gerade passt
oder die Jahreszeit es anbietet, so hat man christliches Weihnachten, Silvester im Shintoschrein und kurz darauf feiert man das buddhistische Neujahr, damit man ja alles mitnimmt. Im Alltag spielt Religion ca. eine so große Rolle wie für Österreicher, also wenige Prozent leben Traditionen und die meisten machen sie mit, wenn sie zufällig in heiligen Stätten sind. Ob man bei O-bon gegen Dämonen und für seine lieben Verstorbenen oder für Erfolg im Beruf oder Gesundheit betet, meistens gibt's dabei einen Gong, einen Spruchzettel oder eine Wunschlotterie (für deren Regeln wir zu verkopft oder zu dumm sind), es wird sich zuvor geduldig angestellt und danach heftigst verbeugt. Schuhe ausziehen, Hände und Mund waschen, Segen als Deko mit nach Hause nehmen und an Körperteilen von Statuen reiben, damit einem selbst dieser Körperteil nicht mehr Probleme bereitet (ihr wisst, woran ich denke - Nein, das ist unterm Obi versteckt). Viele der heiligen Stätten sind ausgewiesen als "von der XY Sekte erbaut", wobei das meist so große Gemeinschaften sind, dass sie bei uns schon anerkannt wäre.
Nach langem Warten machen wir uns auf den Weg, jedoch dann... OBACHT, Menschenauflauf und Aufregung: kilometerlang ist die Hauptstraße gesperrt, weil jetzt der finale Einzug stattfindet. Verschiedene Gruppen
(Teams) tragen die thronartige Megamonstranz mit der Miniatur eines Gottes darin, sie muss unheimlich schwer sein, oder man verarscht das Publikum gewaltig. 60-80 Menschen in weißen Gewändern tragen das Monstrum unter Zurufen und Anfeuerungsklatschen des Publikums und ihrer Kollegen durch die Straße, werden zwischendurch abgelöst voneinander (ich hoffe, das Video lässt sich irgendwie hochladen) und nassgespritzt (das Wasserschlachtelement aus den Medien). Es ist riesig, es ist mitreißend und wir sind mittendrin, wie auch immer das zuging. Wir folgen dem Ding, werden kaum nass und fragen nach 30 Minuten nach, was denn passiert, wenn sie am Zielort fertig gebetet haben. Man trage dann nur die kleine Gottessttaue in den Schrein, das machen Shinto Priesterinnen. Wir wollen die Gebetsstunde nicht abwarten und schlendern durch die Fressmeile (ja, Zeltfestatmosphäre) zur Bahn, um uns im Vergnügungsviertel Shibuya auszutoben.
Shibuya kann.
Wir haben es gesehen (buuuuunt), gerochen (süß und stickig), geschmeckt (Essen, das wir am Automaten bestellt und bezahlt haben und dann serviert bekommen haben, außerdem sehr delikat), gespürt (heeeeiß) und gehört (D wollte in eine Spielhalle und möchte über das Gesehene lieber schweigen, die Geräusche müssen jedoch bei 180 Dezibel Gebimmel und Läuten gelegen haben).
Bekannt ist das Viertel Shibuya ja für seine Maidcafes,
Spielhallen, irre Mode und seine Jugendkulturen, Plural angebracht. Gesehen haben wir das alles, es ist wie ein Laufsteg der Kuriositäten mit Shops und Restaurants rundherum. Zwischendurch haben wir uns im Rotlichtviertel verlaufen, wo für Sonntag Abend tokyomäßig viel los war, was uns auch beruhigt, gestern Abend dachten wir aufgrund der leeren Straßen nämlich, die fleißigen Japaner gönnten sich am Wochenende keinen Spaß (die haben sich zu Hause wohl alle die Rede des Kaisers angesehen). Anständig wie sie sind, haben sich viele Herren vor dem love hotel einen Spind gesucht (davon gibt es viele) und ihr Hemd gewechselt, was uns doch relativ verwundert hat, obwohl es das wohl nicht mehr sollte. D fallen auch die Pornohefte überall auf, die auf Kinderaugenhöhe, am liebsten vor Hauptsehenswürdigkeiten wie Hachiko dem Hund (man google die herzerweichende Story dahinter), verkauft werden.
Etwas, das wir in Österreich vermissen werden: man bekommt immer Wasser zum Essen und es ist nicht notwendig was anderes zu bestellen. Es wird auch ohne Nachfrage nachgefüllt.
Nach dieser Aufregung am Tag des Herren waschen wir Wäsche und planen den Ausflug für morgen (nichts Verstrahltes, keine Sorge), nebenbei entbrennt aber eine Diskussion auf Facebook, die an einem Punkt so in Lachanfälle ausartet, dass
es B vom Bett haut und fast die Betthupferl-Ahornblattsüßigleiten wieder raufkommen... bis unser Gastgeber anklopft und wir uns bei einem Gutenachtpläuschchen versöhnen.
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