Advertisement
Published: February 24th 2012
Edit Blog Post
Ich bin früh aufgestanden und stehe vor dem Eingang zum Sri Krishna-Balarama Tempel aus weißem Marmor. Einem der schönsten Tempel in Vrindavan.
Der Krishna-Balarama gehört zu den Haupttempeln (in Vrindavan gibt es insgesamt zwischen vier -und fünftausend, so genau weiß das niemand) und liegt am Ortseingang, gleich an der Hauptstraße vom Highway kommend.
Da mir das Ganze aus einem früheren Tempelaufenthalt in Deutschland vertraut ist, gehe ich dahin. Ein bisschen Yoga für den Geist, meine neu erstandene Gebetskette nehme ich mit.
Die Tempelanlage besteht aus dem vorderen Teil, mit prächtigen weißen Bauten, in dem Bhaktivedanta Swami Prabhupada verehrt und erklärt wird - der letzte Lehrer, der das Singen des Hare-Krishna-Mantra in die Welt trug und die Philosophie des Bhakti-Yoga lehrte. Er war es auch, der diesen prächtigen Tempel 1975 neu erbauen ließ.
Im Westen wurden die "Hare Krishna Jünger" in den Siebzigern be- und später als spinnerige Sekte verkannt. Die Bewegung ist aber in Indien nur eine von vielen Arten, sich den vielen Göttern des Hinduismus zu nähern.
Ich gehe durch ein Tor und über einen Innenhof weiter in einen zweiten Bau, in dem drei meterhohe Schreine mit Gottheiten stehen.
Die Götter In der
Mitte steht der Hauptaltar mit den beiden göttlichen Brüdern Krishna und Balarama. Krishna ist eine menschliche Form des Gottes Vishnu, ebenso gilt sein Bruder als die nächste Inkarnation des gleichen Gottes.
Links davon stehen Sri Sri Gaura Nitai, Inkarnationen des Sri Chaitanya Mahaprabhu und Nityananda Prabhu, die vor etwa 500 Jahren in Westbengalen erschienen. Sri Caitanya gilt als Inkarnation des Gottes Shiva. Im 15. Jahrhundert belebte er die verlorengegangene Erinnerung an Krishna und die Philsophie der "liebevollen Hingabe" (bhakti yoga) wieder.
Auf dem dritten Altar stehen Sri Sri Radha Shyamasundara mit den liebsten und vertrautesten Gopis, Lalita und Vishakha. Radha ist die Geliebte und Vertraute Krishnas, die sich als Kuhhirtin für Krishna manifestierte. Sie ist die inkarnierte Göttin Lakshmi.
Diese Götter werden als direkte Präsenz des Gottes Krishna verstanden, und obwohl er sich hier in einer marmornen Form manifestiert habe, sei er nicht verschieden vom Gott selbst. Das ist recht schwer zu verstehen, aber Glauben ist ja selten rational erklärbar.
Wer vor dieser Gottheit bete, singe und tanze, habe Zugang zum Planeten des Brahma und soll dort vom ewigen Kreislauf aus Geburt und Wiedergeburt erlöst werden. Das gesamte angesammelte, schlechte Karma eines Menschen würde hier im
Tempel verschwinden, da es machtlos in der Gegenwart des Gottes sei.
Na, dann wollen wir mal.
Die Zeremonie Ich warte mit vielen anderen auf den Beginn der Zeremonie. Im Raum sitzen etwa zehn Devotees (eine Art Mönch) mit traditionellen Musikinstrumenten und singen das Maha Mantra. Das klingt hier den ganzen Tag, es verstummt immer nur mittags und ab Mitternacht für kurze Zeit:
hare krisna hare krisna krisna krisna hare hare hare rama hare rama rama rama hare hare
Der Gesang ist erst sehr langsam und eingängig und da ich mal gehört habe, dass all das bisher angesammelte schlechte Karma durch den Gesang in Krishnas Gegenwart verschwindet, stimme ich ein. Dafür bin ich ja auch hier. Das ist etwa wie die Absolution durch Ave Marias beten.
Vielleicht alles Quatsch, aber vielleicht auch wahr. Ich finde das hier gerade sehr wohltuend und mache einfach mit, das Ritual lernt man schnell.
Die Gottheiten bekommen von den Gläubigen Blumen und Obst geschenkt, alles wird vor ihnen ausgebreitet. Der Raum hat so eine eigenartige Mischung aus Verkitschtem und Erhabenem, aus innerem Kopfschütteln und einer ja, ich mag es göttliche Präsenz nennen. Ich fühle mich zum ersten Mal wirklich wohl. Zwar immer noch allein und fern der Heimat und von allem Vertrauten, das geht auch
hier nicht weg.
Natürlich wirke ich zwischen all den "echten" Gläubigen wie ein Fremdkörper. Aber hier darf jeder sein, jeder ist wilkommen, wie klein der Geist auch sein mag. Die irre Stimmung lenkt den Geist massiv ab, und das ist gut.
Die Statuen werden während der Zeremonie verhüllt, auch Götter brauchen scheinbar für einen Moment Privatsphäre. Währenddessen gehen die Gesänge ununterbrochen weiter und heben mit jeder Runde weiter an.
Ich singe ja eigentlich sehr ungern, aber das Mantra bringt mich in eine Art Rausch. Die Gesänge werden ekstatischer, immer lauter, die Gläubigen tanzen jetzt wild herum, so wie sie sich gerade fühlen. Ein bisschen wie Drogenkonsum ohne schädliche Nebenwirkungen.
Zwar mag ich nicht ganz so ausflippen, aber allein das Mantra hebt mich geistig in eine leichtere Verfassung, eigentlich ist es eine treffliche Meditationsübung, und ich halte durchaus für möglich, dass das der Seele hilft. Zumal es hier nach Blumen und Incense und Kokosmilch duftet - paradiesisch im Vergleich zu den Straßen. Und wenns nur den aufgewühlten Geist beruhigt, ist doch alles gut.
Das was ich meine zu erleben, ist allerdings nur ein Bruchteil dessen, was echte Gläubige im gleichen Moment neben mir veranstalten, die drehen
sich wie Derwische, tanzen sich in Trance und nicht wenige sitzen am Ende der Zeremonie ausgepowert auf den Stufen des Tempels. Andere wiederum scheint das gar nicht zu inspirieren, sie meditieren eher in sich hinein. Aber es gibt ja auch sone und solche Christen, passt schon.
Dann wird es ganz kurz still. Vor den immer noch verhüllte Schreinen stehen drei "Priester" (pujaris) in weißen und safranfarbenen Gewändern und lassen mit großen Muscheln laute dunkle Töne erklingen.
Sie nehmen die Vorhänge beiseite und sofort setzen das Mantra wieder ein, wild, schnell und laut gechantet, wie zuvor. Das ist schon irre und jetzt drehen die Gläubigen richtig durch. Ich halte mich etwas an der Seite, aber singe mit und bin damit mit Glück mein schlechtes Karma los.
Bringt natürlich nur was, wenn jetzt nichts neues dazu kommt. Mal sehen, was sich da in Zukunft machen lässt... 😉
Mehr Informationen zum Tempel: http://www.iskconvrindavan.com/temple.html
Advertisement
Tot: 0.097s; Tpl: 0.011s; cc: 12; qc: 50; dbt: 0.0493s; 1; m:domysql w:travelblog (10.17.0.13); sld: 1;
; mem: 1.1mb