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Published: October 9th 2009
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Für die Golden Week haben wir geplant nach Shanghai zu fahren. Hört sich leicht an, ist es aber nicht, besonders nicht in der Golden Week. Da reisen nämlich alle Chinesen. Nachdem wir keine Zugtickets mehr bekommen haben, wollten wir mit dem Bus fahren. Dummerweise sind die Leute hier nicht besonders serviceorientiert und haben uns bei jedem Versuch Fahrkarten zu kaufen einen anderen Termin gesagt, an dem wir die Karten kaufen können. Als ich das 4. Mal dann zum Busbahnhof gefahren bin um die blöden Karten zu kaufen, sagte mir die gute Frau, ich könne sie am nächsten Tag kaufen, also unserem Abreisetag. Da bin ich dann etwas ausgerastet^^, da mir dieselbe Frau schon 4 mal was anderes erzählt hat. Ausraster helfen hier nur leider nicht, sie versteht bzw will mich ja doch nicht verstehen. Komischerweise war es kein Problem für einen Chinesen uns die Tickets 10 Minuten später zu kaufen… Aha. Nun gut, wir sind ja angekommen.
Und Shanghai ist - ultramodern, riesig, faszinierend, gigantisch, bunt, erleuchtet, grell, überfüllt, westlich mit chinesischem Einfluss, chinesisch mit westlichem Einfluss, gegensätzlich, schnell, atemberaubend, erschreckend, schön, grün, ruhig, laut, voller Hochhäuser und Baustellen, rasant…
Unbeschreiblich!
Unser Hostel befand sich in Hongkou, einem Stadteil
nördlich von Pudong, 3km bis zur Nanjing Lu, einem sehr chinesischem Stadtteil mit typischen chinesischen Häusern, Obstmärkten und vieler kleiner Garküchen. Relativ dreckig, für chinesische Verhältnisse aber normal.
Das Hostel an sich war ganz nett, den internationalen Jugendherbergen in China kann man aber im allgemeinen vertrauen. Gut, das Bad hätte besser sein können, aber zumindest war es sauber.
Im Hostel trafen wir auf Leute aus der ganzen Welt, einige die hier in China studieren oder eben auch ihr Gap Year hier verbringen. Praktischerweise kannten die schon einige sehr gute Clubs in der Stadt, so dass zumindest schonmal der Abend verplant war…Party in Shanghai!
Pudong, das Manhattan Shanghais, wirkt wie eine Spielzeugstadt. Man kommt aus der Metro und läuft erstmal durch eine „normale“ chinesische Straße und dann plötzlich steht man zwischen diesen riesigen Wolkenkratzern. Es ist atemberaubend- der Blick aus schwindelerregender Höhe, vom Oriental Pearl Tower- unglaublich! Pudong bei Nacht: grell erleuchtet, wie der Rest der Stadt auch.
In Shanghai findet man die Wolkenkratzer mit Glasfassade, mit außergewöhnlicher Architektur, die Gebäude, die man eher in Paris erwartet und nicht in China, die kleinen chinesischen Gassen, Baracken, die chinesische Altstadt, die sukzessiv abgerissen wird und dazwischen wunderschöne Gärten und Seen. Vielfältig
und gegensätzlich.
Toll ist zum Beispiel das Künstlerviertel mit seinen unzähligen Gallerien und kleinen Läden, ein Viertel mit Charme, die Architektur eher weniger chinesisch.
Im Viertel der französischen Konzession findet man die Gründungsstätte der KPCh, heute ein Museum, in dem einem klar wird, wie stolz die Chinesen auf ihr System sind, oder sagen wir auf das was sie von ihm wissen.
Ansonsten ist dieses Viertel voll mit westlichem Lifestyle und wunderschönen Gebäuden.
Die Chinesen die hier wohnen, die sehen schon sehr westlich aus. Die gehen am Nachmittag schnell zu Starbucks anstatt ins Teehaus, lesen englische Bücher und gehören eher zur wohlhabenden Bevölkerung.
Die Altstadt, in der es noch die alten traditionellen Gebäude gibt, ist sehr touristisch. Millionen kleiner Souvenirshops, die alle dasselbe verkaufen. Aber wenn man sich erstmal seinen Weg bis zur Neun-Biegungen Brücke gekämpft hat, ist es eine tolle Atmosphäre.
Eine Stadt in der man sich nicht sicher ist ob sie eher westlich mit chinesischem Einfluss oder doch noch eher Chinesisch mit westlichem Einfluss ist.
So, um es mal kurz zu sagen Shanghai gefällt mir! Auf dem Weg nach Nanjing (dort haben wir noch 2 Tage verbracht) habe ich mal darüber nachgedacht warum mir diese Stadt eigentlich gefällt.
Und was mir eigentlich konkret an China gefällt.
Und wenn ich ehrlich bin, dann gefällt mir Shanghai weil es so westlich und modern ist. Ich verspüre ehrlich gesagt keine große Begeisterung, wenn ich durch die kleinen dreckigen chinesischen Straßen laufe. Wenn ich sehe wie einige Menschen hier leben (und das gibt es auch in Shanghai) dann pack ich mir an den Kopf, wenn mir Leute erzählen, wie toll das doch da ist, dann schlage ich die Hände überm Kopf zusammen. Was bitte ist so toll daran in einem schimmligen Haus in einer dreckigen Straße zu leben und eine beschissene medizinische Versorgung zu haben?
Natürlich ist es spannend durch eben diese Straßen zu laufen, aber schön? Nein, bestimmt nicht.
Und das gilt für China insgesamt: Die Gegensätze hier, ja die sind faszinierend und zugleich erschreckend. Was ich also mag ist diese Erfahrung zu machen. Natürlich es gibt teilweise wunderschöne Landschaften, aber was nützt mir die Landschaft, wenn man hier nicht vernünftig leben kann. Ich kann auch nicht sagen, dass mir die Leute oder deren Mentalität gefällt. Nein.
Klar es gibt wirklich sympathische Menschen, darum geht es nicht. Es ist so schwer zu begreifen, dass dieses Volk glaubt, das glücklichste auf der
Welt zu sein. Dass sie so naiv sind und der Kommunismus immer noch so fest in den Köpfen verankert ist.
(Das erinnert mich übrigens sehr an Aldous Huxley’s „Brave new World“)
Letzte Woche habe ich in der FAZ online einen Artikel anlässlich des 60 jährigem Bestehen der VR China gelesen. In dem ging es kurz gefasst darum, dass es erstaunlich sei wie die KPCh den wirtschaftlichen Aufschwung gemeistert hat, dass es nun aber an der Zeit für ein demokratisches China sei.
Das streite ich ja keineswegs ab, da hat der Autor ja ganz recht, aber in diesen Artikeln, von denen es ja Unmengen gibt, hört sich das immer so einfach an. Aber dafür wird sich kaum ein Chinese einsetzen. Wer sich voller Stolz im Museum der Gründungsstätte der KPCh fotografieren lässt, wer sagt er mache Sport um für den Staat fit zu sein, wer einfach nichts hinterfragt, wer glaubt Asien=China, … da gibt es tausend weitere Beispiele, der Kann mit Demokratie mit einem Rechtsstaat nicht viel anfangen, denn er ist ja der glücklichste Mensch auf der Welt.
Eine weitere Sache, die mich den Kopf schütteln lassen, ist dann z.B. die Tatsache, dass einfach Fakten ausgelassen werden:
In Nanjing haben
wir die Gedenkstätte des Nanjing Massaker besucht, dass sehr eindrucksvoll, sehr emotional zeigt, was die Japaner in China angerichtet haben. Ein an sich wirklich gut gemachtes Museum, mal abgesehen von der Tatsache, dass vergessen wurde, was am Ende des 2. Weltkrieges wirklich passiert ist. Im Museum hieß es auf einmal : „1945 China siegt über Japan.“
Mh, da fehlt doch was? Bombe? USA? Nagasaki, Hiroshima?
Also um es nochmal deutlich zu sagen: Ich bereue es auf gar keinen Fall hierhergekommen zu sein. Alleine diese Erfahrung zu machen hier zu leben (die mir sowas von deutlich vor Augen führt, warum ich bei den JuLis bzw der FDP bin), alleine deswegen hat es sich schon gelohnt.
Und neben all dem Negativen was ich nun geschrieben habe, ist es schön zu sehen, dass es durchaus Leute hier gibt, die über den Tellerrand hinausschauen. Man findet sie! Zum Beispiel in Shanghai.
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