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Published: January 7th 2010
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Das zweite Ziel der Tour waren die Tunnel von cu Chi, ein ausgedehntes Tunnelsystem, das den Partisanen der Vietcong als Lebensraum und Basis für Guerilla-Angriffe auf amerikanische Streitkräfte und ihre südvietnamesischen Verbündeten diente.
Unser Führer hieß Hai (ja, wie der Fisch) und er entschuldigte sich bereits zu Beginn der Tour für sein schlechtes Englisch. Er hatte selbst im Amerikanischen Krieg, wie der Vietnamkrieg hier genannt wird, auf Seiten der Amerikaner gekämpft. Danach hatte er zwanzig Jahre lang kein Englisch mehr gesprochen. Nach dem Krieg war es nicht einfach für ihn, einen Job zu finden und auch heute noch verdient er laut eigener Aussage mit 5 $ am Tag weniger als andere Guides, die 8 $ verdienen würden. Wie sich aber herausstellte, war sein Englisch durchaus verständlich und seine Erläuterungen von einem trockenen Humor geprägt. Wir waren lediglich enttäuscht darüber, dass wir nicht die von ihm versprochenen Gorillas zu sehen bekamen. Wie sich herausstellte hatte er Guerillas gemeint.
Als unser Bus am Eingang zum Besuchergelände ankamen, erhielten wir zunächst jeder einen bunten Sticker. Laut Hai war das nötig, um uns aus der großen Besuchermenge wieder zu erkennen. Für ihn würden nämlich alle westlichen Touristen gleich aus sehen. Nachdem das Eintrittsgeld
bezahlt war, wurde uns ein uniformierter Ranger zur Seite gestellt, der nie auch nur ein Wort sprach. Er führte uns über einen abgezäunten Pfad durch den Wald zu einer kleinen mit Laub bedeckten Lichtung. Alles stellte sich im Kreis um den Ranger und Hai. Dieser scharrte ein wenig mit dem Fuß das Laub beiseite und eine Falltür wurde sichtbar, die nicht größer als ein Nachttisch zu sein schien. Der sehr schlanke Ranger stieg in den Eingang hinein, um zu demonstrieren, wie eng die Tunnel damals waren. Der heute Touristen zugängliche Teil wurde nämlich für westliche Größen erweitert. Daher diente dieser Eingang auch nur Demonstrationszwecken.
Anschließend ging es zu einigen Ausstellungsstücken. Zum einen wurde gezeigt wie die Vietcong, vertreten durch Schaufensterpuppen, lebten. Einige wurden beim Schreiben gezeigt, beim Waffen putzen oder auch bei Alltagstätigkeiten. päter wurde anhand von teilweise mechanischen Puppen gezeigt, wie die Partisanen ihre eigenen Waffen herstellten. Außerdem stand unter einem Zeltdach ein Panzer der südvietnamesischen Truppen gezeigt. Hai erklärte nicht ohne Stolz, dass dieser aus seiner Division stammt.
Die folgende Station teilte die Gruppe. Wir kamen zu einem Verkaufsbereich, dem ein Schießstand angegliedert war. Schon von weitem hatte man die Schüsse gehört. In der Tat konnte
man hier mit echten Waffen aus der Zeit des Vietnamkrieges auf künstliche Ziele schießen. Pro Kugel kostete der Spaß rund einen Euro, wobei man mindestens zehn Kugeln kaufen musste. Während eine nicht geringe Anzahl der Gruppenmitglieder sich die Sache nicht entgehen lassen wollte, wendete sich der größere Teil der Gruppe angewidert ab. Nicht nur das Geld, für das man zwei bis drei Tage Essen gehen könnte, war dafür der Grund, sondern auch, dass ich es persönlich irgendwie pervers fand. Ich (und einige andere) hätten lieber etas mehr über die Hintergründe erfahren.
Nach etwa einer Viertel Stunde ging es dann aber endlich weiter und wir durften den erweiterten Tunnelbereich betreten. "Erweitert" hört sich vielleicht nach recht großzügigen Räumen an, jedoch täuscht dieser Eindruck. Wer noch nie Probleme mit Klaustrophobie hatte, wird hier lernen, was das heißt. Nachdem wir in den doch noch vergleichsweise größeren Eingangsbereich einstiegen, wurde es immer enger und gleichzeitig auch stickiger. Trotz mehrerer später hinzugefügter Ausgänge zur Belüftung und für Notfälle stand die Hitze geradezu. Gleichzeitig mussten wir immer gebückter durch die Löcher kriechen. Zum Schluss war es so eng, dass an nicht einmal mehr richtig auf allen Vieren krabbeln konnte und ich hatte Angst, beim Einatmen
stecken zu bleiben. (Ich muss nochmal daran erinnern, dass ich seit Beginn der Reise abgenommen habe!) Ich war nicht der einzige, der völlig verschwitzt und nach Sauerstoff schnappend die Tunnel an einem der Seitenausgänge verließ, auch wenn es sich hinterher herausstellte, dass es der letzte vor dem Hauptausgang war.
Nach dem Tunnelgang wurden wir noch in einen halb unterirdischen Zeltbereich geleitet, wo uns ein kurz nach Kriegsende entstandener Propagandafilm vorgeführt wurde. Kurze Zusammenfassung: Die bösen Amerikaner haben das friedliche von Bauern bewohnte Cu Chi bombardiert, woraufhin die Überlebenden unter die Erde flüchteten und von dort aus einen Partisanenkrieg führten. Mehrere von ihnen wurden zu Kriegshelden erklärt, weil sie Amerikaner getötet hatten, darunter auch ein 15-jähriges Mädchen, das besonders hervorgehoben wurde, weil sie trotz dass ihre Familie getötet wurde (oder weil?), besonders eifrig am Kampf teilnahm. Nach dem Film stiegen wir wieder in den Bus und fuhren zurück nach Saigon.
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motte
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*luftschnapp*
Hallo, ich lese immer mal wieder nach, wo es dich mittlerweile hinverschlagen hat. In Gedanken bin ich schon ein paar mal hinterher gesausst, einfach weil Du einen ganz alten Traum von mir gerade lebst. Diese Tunnel finde ich beängstigend und ich kann mir vorstellen, dass es viel über die Mentalität der Vietnamesen und die Umstände damals aussagt, dass so viele solche Lebensbedingungen hingenommen haben. Ich käme warscheinlich keine 10 m weit darin. Alles Gute weiter auf Deiner Reise Mit liebem Gruß eine stille Mitleserin aus dem off