Highway to Hell


Advertisement
China's flag
Asia » China » Sichuan » Sichuan-Tibet Highway
October 24th 2009
Published: October 24th 2009
Edit Blog Post

Nachdem ich auch in der zweiten Nacht auf 4000 m Höhe mit höllischen Kopfschmerzen aufwachte, zweifelte ich nicht mehr an meiner Entscheidung, den Rückzug anzutreten. Ich hatte am vorherigen Tag mein Ticket gekauft. Da hierbei die Verständigung hauptsächlich mit Händen und Füßen lief, war ich mir nicht sicher, ob die "700", die mir der Verkäufer auf dem Taschenrechner gezeigt hatte, wirklich für Abfahrtszeit 7 Uhr morgens stand. Sicherheitshalber war ich schon um 6 Uhr am Busbahnhof und konnte einen der klarsten Sternenhimmel betrachten, den ich je sehen durfte.

Als der Bus schließlich um Punkt 7 seinen Motor startete war ich froh, dass er nur zu zwei Dritteln gefüllt war und ich zwei Sitze für mich hatte. Leider war das ein Trugschluss, denn nachdem der Bus nochmal eine Runde durch den Ort fuhr, stiegen an einer anderen Stelle das restliche Drittel zu und ich musste auf den schlimmsten Platz im ganzen Bus wechseln: Ganz hinten in der Mitte.

Als Polly Evans in ihrem Buch "Wer niemals Reis mit Stäbchen aß" beschrieb, welche Auswirkungen eine Fahrt in einem alten chinesischen Reisebus auf das Flugverhalten des menschlichen Körpers hat, hielt ich das zunächst für eine Übertreibung. Aber es war tatsächlich so. Bei jedem Schlagloch, und deren gab es viele, musste ich darauf achten, nicht mit dem Kopf gegen die Decke zu stoßen. Häufig waren die Stöße so heftig, dass mein ganzer Körper aus dem Sitz gehoben wurde und ich in der Luft hing. Die anderen Passagiere, die davon auch nicht unbetroffen waren, schien das eher zu amüsieren. Als wir aber an einem besonders steilen Abhang entlang fuhren und einer der buddhistischen Mönche in der Reihe vor mir seinen Gebetskranz herausholte und anfing zu beten, fing ich dann doch an, mir Sorgen zu machen.

Nach etwa fünf Stunden Fahrt, mehr als der Hälfte der Zeit, wovon ich irrtümlicherweise ausging, machten wir eine Mittagspause bei einer Gaststätte mitten im Nirgendwo. Das Essen sah nicht gerade vertrauenerweckend aus und so entschloss ich mich, erst nach der Ankunft in Kangding zu Mittag zu essen. Es würde ja sicherlich nicht später als 15 Uhr werden. Das würde locker reichen, um eine Fahrkarte nach Chengdu zu kaufen, eine Bleibe für eine Nacht zu suchen und etwas zu essen.

Nach etwa einer halben Stunde waren die restlichen Passagiere mit Essen und anderen Geschäften fertig und es konnte weitergehen. Der Fahrer startete den Motor, ich las noch schnell das Kapitel von Moby Dick zu Ende, das ich während der Pause angefangen hatte, da fuhr der Bus um eine Ecke und hielt wieder an. Der Fahrer brabbelte etwas auf chinesisch ins Mikrofon und die meisten Fahrgäste stiegen wieder aus. Der Mann neben mir versuchte mir klar zu machen, wie lange wir bleiben würden. Er zeigte mir mit der Hand das chinesische Zeichen für 6 und ich vermutete, dass es um 60 Minuten ging. Ich schaute mich um. Draußen war eine große Wiese. Mehrere Busse standen dort und es gab Verkaufsstände und eine Toilette.

Übrigens ist mir in diesem Zusammenhang aufgefallen, dass die nobelsten Drei-Sterne-Toiletten in Shanghai und Peking (die zeichnen die hier wirklich damit aus, ich konnte bisher nur noch nicht die Kriterien ermitteln) vollkommen kostenlos waren, während die stinkenden Löcher in Bruchbuden am Straßenrand regelmäßig Geld kosteten, wenngleich nur einen verschwindend geringen Betrag von ca. 5 ct. Die Famlien hier sind wohl auf jede kleine Zusatzeinnahme angewiesen.

Als nach einer Stunde der Fahrer keinerlei Anstalten machte, den Motor wieder in Gang zu setzen, wurde ich langsam ungeduldigt. Auch nach anderthalb Stunden, saß er nur mit den Füßen auf der Ablage auf dem Fahrersitz und paffte. Die anderen Fahrgäste schienen hiermit keine Probleme zu haben. Nach zwei Stunden waren die meisten Fahrgäste wieder im Bus, nur die drei Mönche fehlten noch. Der Fahrer brüllte irgendetwas durch den Mittelgang. Ich vermutete, dass er auch endlich weiter wollte, aber noch auf die Mönche warten musste. Vielleicht waren sie ja zwischenzeitlich ins Nirwana eingegangen?

Endlich näherte sich der älteste Mönch geruhsam seinem Platz. Der Fahrer ließ den Motor an als kurz darauf der zweite kam. Nachdem der dritte Mönch ebenfalls den Bus bestiegen hatte, schaltete der Fahrer den Motor wieder aus. Ich hatte mich nun entschlossen, vorzugehen und ihn zu fragen, ob er hier zu übernachten gedenke. Mit ein paar Modifikationen der Sätze in meinem Sprachreiseführer sollte das doch zu machen sein.

Ich richtete mich auf und bemerkte jetzt erst, dass auch keiner der anderen Busse, Minibusse und PKWs Anstalten machte, sich von der Wiese zu entfernen. Irgend etwas war weiter vorne los. Es standen Männer in Uniform herum und etwas rotweißes, das eine Schranke sein könnte, war zu sehen. Plötzlich hörte man vorne ein Motorengeräusch. Ein kleineres Fahrzeug setzte sich in Bewegung und löste damit eine Kettenreaktion aus.

Nach fast drei Stunden fuhren wir an mehreren Polizisten oder Soldaten vorbei, von denen einer verdächtig grinste, durch eine geöffnete Schranke. Die Straße war jetzt auch in einem besseren Zustand und der Fahrer trat mächtig aufs Gaspedal, um die verlorene Zeit wieder einzuholen. In 2 Stunden konnten wir in Kangding sein.

Nach einer halben Stunde hielten wir plötzlich m Straßenrand. Der Bus hatte eine Panne. Als wir endlich weiter fuhren, stand die Sonne schon tief am Himmel. Nachdem wir seit der Mittagspause bereits auf einer Talstraße gefahren waren, ging es jetzt wieder steil bergauf und wir kamen in einen dichten Nebel. Es ist mir ein Rätsel wie der Fahrer unter diesen Bedingungen überhaupt die Straße im Auge behalten konnte. Natürlich fuhren wir dadurch noch langsamer als bisher. Als wir endlich aus dem Nebel herauskamen, war die Sonne bereits untergegangen. Es war mittlerweile nach 19 Uhr. Der Verkehr wurde dichter und die Straße bedingt durch Bauarbeiten wieder deutlich schlechter.

Plötzlich kam alles zum Stillstand. Auch das ewige Gehupe der nachfolgenden Fahrzeuge half nichts mehr. Der Fahrer schaltete wieder den Motor ab und legte die Füße nach oben. Auch die anderen Fahrgäste wurden langsam unruhig. Das Kleinkind in der ersten Reihe, das bisher bewundernswert ruhig geblieben war, fing nun an laut zu schreien. Der Mann, der zwei Sitze neben mir saß, war anscheinend sein Großvater und versuchte, den Kleinen mit seinen Handy-Klingeltönen zu beruhigen. Der ältere Mönch summte ein deutlich erkennbares "Ommmm" vor sich hin und ich wählte in meinem MP3-Player ein paar aggressivere Titel aus, da mir leider kein Counterstrike zur Verfügung stand.

Es sollte noch bis nach 21:30 dauern,bis wir endlich im Busbahnhof in Kangding ankamen. Natürlich waren die meisten Restaurants und Geschäfte da schon zu. Trotz der dem Stau entsprechenden Schlange vor den Ticketschaltern sicherte ich mir noch eine Fahrkarte für den nächsten Tag nach Chengdu. Diese Fahrt sollte im Gegensatz zu der vorherigen eine der angenehmsten auf der ganzen Reise werden.

Advertisement



24th October 2009

Ohje, das war ja wirklich eine Busfahrt des Grauens. Schön, dass du dennoch heile an deinem Ziel angekommen bist. Ich hoffe, dass sich deine Symptome für die Höhenkrankheit in Luft aufgelöst haben, sobald du wieder unten warst.
25th October 2009

Die Symptome haben sich schon auf 2000 m gebessert. Mittlerweile bin ich auf 500 m runter und sie sind komplett weg. Ich habe zum ersten Mal seit Tagen wirklich gut geschlafen.
27th October 2009

Ui, lese ich jetzt erst :schäm: Aber Klasse, dass es jetzt weg ist und du wieder fit. Dann kanns ja weitergehen :trippel: Ich schau mir gleich mal die Fotos an, bin schon gespannt. :)

Tot: 0.07s; Tpl: 0.011s; cc: 11; qc: 30; dbt: 0.0409s; 1; m:domysql w:travelblog (10.17.0.13); sld: 1; ; mem: 1.1mb