in der Sperrzone von Tschernobyl


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Europe » Ukraine
August 21st 2021
Published: August 22nd 2021
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Es gibt Touren, mit denen man in diese, ansonsten gesperrte, Zone rein kommt. Im Folgenden nur einige Sachen, die der Führer erzählt hat. Ich habe sie nicht überprüft. Wikipedia hat in jedem Fall eine ziemlich korrekte Darstellung.

Es gibt drei Bereiche, mit unterschiedlicher Strahlungsbelastung. Die 30 km Zone, die inzwischen strahlungsfrei ist, denn das radioaktive Material, das hier niedergegangen ist, hat eine Halbwertzeit von 30 Jahren. Damit ist nach 35 Jahren die Radioaktivität sehr stark reduziert. Und dieser Zone liegt das Dorf Tschernobyl, das heute wieder bewohnt ist. 2000 Einwohner, keine Kinder, das Hotel ist dort. Es gibt dort eine Erinnerungsstätte an die 98 Dörfer, die umgesiedelt wurden. Dortmsteht ein Briefkasten aus su Zeiten, in dem man bis vor 2 Jahren noch Post einwerfen konnte, die dann mit dem eindrucksvollen Poststempel. "Tschernobyl" ankamen. Das geht jetzt nicht mehr, das Postamt in T ist geschlossen. Es gibt noch ein altes jüdisches Haus. Bis zum 2. Weltkrieg hatte T immer einen jüdischen Bevölkerungsanteil, zeitweise bis 80 %. Weil sie zumeist Handel trieben waren ihre Häuser direkt an der Straße, nicht durch einen Vorgarten abgetrennt. So konnten Geschäftskunden gleich in den Laden.

Das Hotel ist in einem ehemaligen Wohnhaus untergebracht, es ist interessant, die Wohnverhältnisse zu sehen. Die Zimmer sind klein, das Gebäude extrem hellhörig. Das Wort room Service wird hier auf die Spitze getrieben: die Bettwäsche liegt zur Selbstbedienung auf dem Bett... Bei der Zimmerverteilung gab es zunächst ein Problemchen, denn alleinreisende Frauen waren nicht vorgesehen. Der Reiseleiter müsste dann ins Zweibettzimmer. Ab 22.00 war Ausgangssperre, wenn man nicht von Wölfen zerfleischt oder von Bären umarmt werden wollte, musste man im Haus bleiben.

Neben der 30 km Zone gibt es noch die 10 km Zone, die stark/sehr stark verstrahlt ist, und daher für immer unbewohnbar ist, und den Reaktor selbst. Der schlummert inzwischen unter dem zweiten Schutzmantel, finanziert vom Ausland. Die halbrunde Konstruktion wurde 300 m weiter weg gebaut und nach Fertigstellung über die Anlage geschoben. Man darf den Sakrophag genau von einer Stelle aus fotografieren, denn in der UA ist es verboten, Atomreaktoren zu fotografieren.

Eine Stadt mit ca. 50000 Einwohnern liegt direkt im Gebiet neben dem Reaktor, also im stark verstrahlten Bereich. Diese Stadt, Prytpiat, war eine sehr privilegierte Stadt, höhere Löhne, bessere Versorgung mit Waren, gute Infrastruktur, ein Kulturpalast, zwei Yachtclubs, Musikschule, usw. Kurz nach dem Unfall wurden die Bewohner evakuiert, zuerst hieß es für eine Woche. Man sollte Geld, Kleidung usw für diese Zeit mitnehmen. Als es dann klar wurde, dass es für immer war, wurde den Menschen erlaubt, kurz zurück zu kommen, um Wichtiges zu holen. Danach waren die Wohnungen immer noch voll mit Möbeln und anderen Sachen, die nicht mitgenommen wurden. Weil das Diebe anlockte, kam die Stadtverwaltung, alles Zeug würde einfach aus dem Fenster geworfen und in einem riesigen Loch abgeladen, dann mit Sand überdeckt. Ein neu gebauter Freizeitpark war nie in Betrieb, die Eröffnung sollte am 1.5.86 stattfinden. Nur Anfang April dieses Jahres gab es einen Probelauf, an diesem Tag konnten die Kinder den ganzen Tag kostenlos alle Fahrgeschäfte nutzen: Schiffschaukel, Riesenrad, Autoscooter. P war in der SU die Stadt mit dem höchsten Kinderanteil, etwa 30%. Mit dem Fußballfeld samt Tribünen war es genauso, die Eröffnung war für den 1.Mai geplant und fand nie statt. Eine der besonderen Attraktionen der Stadt war das Cafe am Dnjepr mit Buntglasfenstern, Getränkeautomaten und hausgemachter Eiscreme. Mit dem Boot kam man auch am schnellsten nach Kiev und noch dazu gab's im Boot eine Klimaanlage. Gleich nach der Katastrophe war in Prytpiat das Zentrum für die Organisation der Maßnahmen am Reaktorblock. Vom Dach des Hotels aus wurden mit einfachsten Mitteln die Helikopterflüge koordiniert, die zum Reaktor und zurück unterwegs waren und sich um Schadensbegrenzung bemühten. Offiziell gab es 30 Todesfälle, der große Rest ist an Blutkrebs usw gestorben. Auch wenn die Zivilbevölkerung evakuiert würde, so lebten bis Ende der 90er Jahre doch noch Menschen im Prytpiat für die die nötige Infrastruktur aufrecht erhalten wurde, Stadtverwaltung, Strom, Wasser und sogar ein Schwimmbad. Erst dann wurden diese Bewohner nach Tschernobyl umgesiedelt, wo heute noch ca 2000 Menschen leben und Prytpiat ist eine Stadtwüstung. Allerdings ist die Natur dabei, die Wohnblocks hinter einem grünen Vorhang zu verstecken, aus den Straßen wachsen Bäume und die Gebäude dürfen nicht mehr betreten werden, weil sie einsturzgefährdet sind.
Insgesamt wurden 98 Dörfer umgesiedelt, nicht alle freuten sich. Ein Dorf entschied sich kollektiv und illegal zur Rückkehr. Das konnte sich der Staat natürlich nicht bieten lassen, alle Personen wurden wieder weggebracht und das Dorf dem Erdboden gleich gemacht, damit diese aufsässigen Burschen auch ganz sicher nicht nochmal kommen. In einem anderen Dorf in der Zone waren bis in die 90er hinein noch so etwa 15 Menschen. Das übersah die Regierung geflissentlich und irgendwann waren auch die weg, im Himmel oder in einer neuen irdischen Bleibe. Von diesem Dorf ist heute noch die Kirche erhalten, wenn auch sie ebenfalls in schlechtem Zustand ist. Zweimal im Jahr gibt es einen Gottesdienst dort und die ehemaligen Dorfbewohner treffen sich. Dörfer aus weniger belasteten Gebieten wurden gemeinsam umgesiedelt, das heißt, das ganze Dorf in einer neuen Gegend. Aber die Einwohner von schwer verstrahlten Dörfern wurden getrennt voneinander untergebracht, verteilt ihn der ganzen Sowjetunion. Da nämlich zu erwarten war, dass bei diesem Personenkreis erhöht strahlenspezifische Krankheiten auftreten und dass die Sterblichkeit erhöht sein würde, wollte man nicht, dass dies jemandem auffiel und Nachforschungen angestellt würden.

Eine der besonders interessanten Siedlungen war eine top Secret Radarstation des Militärs. Als Deckmantel für die Sache behauptete man, dass es sich um den Bau eines Sommerlagers für die Jugend handelte.... Mich würde ja interessieren, welches ausländische Militär sie da täuschen konnten. Es handelte sich um eine gigantische Radarstation, die Raketenstarts auf der anderen Seite der Erde entdecken sollte. Wie so oft in der Sowjetunion war das Ganze horrend teuer und völlig nutzlos weil es nicht funktionierte. Es gab allerdings laufend Störgeräusche beim zivilen Radioempfang in der Umgebung und der zivile Luftverkehr wurde empfindlich gestört. Die Radaranlage selbst ist 150 m hoch und fast einen Kilometer lang. Baumaterial: Titan in verschiedenen Verbindungen. Leider lässt sich das Ganze nicht auf dem Altmetallmarkt zu Geld machen, denn niemand ist erpicht auf Metall aus der Reaktornachbarschaft. In einem Moment von größenwahnsinnigem Optimismus entschloss man sich 2013 eine Touristenattraktion daraus zu machen. Deshalb dürfen wir also dort hin. Es sind auch diverse Gebäude da, eine Feuerwache, eine Fahrschule, ein Kohlekraftwerk, damit die Station im Kriegsfall unabhängig ist, Schulungsräume, die Kommandozentrale, riesige Hallen, in denen die Computer waren (zu dieser Zeit dauerten komplexe Rechenoperationen noch Tage), Kühlanlagen für das gigantische Rechenzentrum etc. Nach 1986 wurden die Rechner in den fernen Osten der SU verbracht, wo es eine zweite solche Anlage gab. Aber das war nur der militärische Teil. Die Offiziere müssten ja auch wohnen (daher gab es große Wohnblocks, die heute wie das Dornröschenschloss fast im Grün verschwinden), sie hatten Familie und Kinder. Also gab es einen Kindergarten und eine Schule. Die Schule hieß Tschernobyl 3, obwohl sie nicht im Stadtgebiet war. Aber man konnte wirklich keinen Abschlusszeugnisse ausstellen von einer Schule in einem Ort, den es überhaupt nicht gab.
An mehreren Stellen in der Zone gibt es Hunde mit Welpen die vollständige zutraulich sind. Sie werden von den Besuchern gefüttert, gestreichelt und herumgetragen. Die gesamte Sperrzone ist der facto ein riesiges Naturschutzgebiet. Wir sahen mehrmals Adler und ein Wildschwein. Von Wolf, Bär, Rentier oder Wildpferden leider keine Spur.


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Computer Überreste


23rd August 2021

Das berühmte Riesenrad…
Das Bild habe ich öfter gesehen, kann mich daran erinnern… die Kirche sieht fast am besten aus, und dein Zimmer ist spartanisch aber doch wenigstens sauber, denke ich? Wo zum Kuckuck ist das letzte Schild her, wo man seine Mutter nicht mitbringen darf, ich habe sooooo gelacht! Und dann wünsche ich mir ein Bild von deinem Roller, bitte… Danke!
23rd August 2021

Letztes Bild
Das letzte Bild war die E-Mail vom Veranstalter. Florence folgt
23rd August 2021

Herrliches email….
Freu mich auf Florence!

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