Entlang der Straße der Kasbahs


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March 8th 2024
Published: March 8th 2024
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Über Land und einmal durch Marrakeschs verrückten Verkehr hindurch (die Hauptroute ins Atlas Gebirge führt von Essaouira aus tatsächlich leider mitten durch das Stadtzentrum was uns locker eine Stunde Zeit kostet), ein paar Kilometer Serpentinen, über den berühmten Tiz-n-Tichka Pass (2.167 m) und dann wieder runter, durch ein malerisches Flusstal immer entlang des Abgrunds und "schwupps" (= knapp 5 Stunden später), sind wir mitten drin im beeindruckenden schroffen Atlasgebirge, rund 270 km östlich von Marrakesch.
Hier sieht es zum ersten Mal so aus wie Marokkos Berge in meiner Vorstellung aussahen. Während das nördliche Rifgebirge viel grüner und lieblicher war als ich es mir vorgestellt hatte, sieht man hier im so genannten Mittleren Atlas, wilde rostrote Canyons und schwarze karge Mondlandschaften. Und in der Ferne ab und zu sogar die schneebedeckten Gipfel des hohen Atlas weiter südlich.
Zwischendrin ziehen sich immer wieder grüne Bänder von Palmenhainen und Olivenplantagen entlang der Täler auf dem weitläufigen Plateau des Mittleren Atlas. Hier liegt die berühmte "Straße der Kasbahs", denn hier wo es Wasser gab und gibt, siedelten die Marokkaner schon vor Jahrhunderten in beeindruckenden festungsartigen Lehmdörfern, die jeweils mehreren hundert Personen als Lebensraum dienten. Diese Kasbahs, fast alle verlassen und leider auch verfallen, da ihre Bewohner längst in komfortablere modernere Wohnungen umgesiedelt sind, kleben oft spektakulär an den Hängen der grünen Täler. Gemeinsam mit den rotbraunen Felsen und grünen Palmen bilden sie ein beeindruckendes Bild. Mehrere Tausend Kasbahs gibt es zwischen Marrakesch und den Sahara-Ausläufern ganz im Osten des Atlasgebirges. Und einige wurden auch vor dem Verfall gerettet, restauriert und als charmante Hotels wiederbelebt. Einige wenige sind dagegen immernoch bewohnt, wie sich manchmal an Wäscheleinen vor den Fensternischen erkennen lässt. Aus gestampftem Lehm, Erde und Stroh errichtet, müssen sie allerdings nach jedem Regenfall repariert werden.
Die berühmteste, auch von der UNESCO als Weltkulturerbe geadelte, und in vielen Filmen verewigte Kasbah ist Ait-Ben-Haddou, unser nächstes Tagesziel.
Wir essen heute in unserem Riad, weil wir nach der langen Fahrt nicht noch einmal los wollen und gehen dann recht früh ins Bett.
Denn am nächsten Morgen wollen wir vor den Touristenmassen, die Ait-Ben-Haddou als Tagesausflug von Marrakesch aus besuchen, dort sein.
Die wunderbar erhaltene Kasbah zieht sich an einem grünen Flussbett einen steilen Hang hinauf. Ich muss zugeben, dass ich es mir ein wenig ursprünglicher vorgestellt habe, denn gefühlt in jedem zweiten Hauseingang der Kasbah ist ein fliegender Händler untergebracht, der Berberschmuck, Tongefäße, Kitschsouvenirs, Gemälde oder Teppiche und andere Webwaren verkauft. Über etliche schmale Treppen aus Lehm und durch enge Häusertunnel schraubt sich der Weg nach oben. Die Bauten sind teils wunderschön mit Mustern verziert und trotz der, das Bild etwas störenden, Händler ist es ein wirklich beeindruckendes Ensemble. Vom Aussichtspunkt oberhalb der Kasbah auf dem Hügel bietet sich dann ein endloser Blick auf das Plateau, auf das neue Dorf, den Fluss und hinunter in die Kasbah. Auf dem Weg nach unten finden wir noch eine wunderschöne Dachterrasse für einen Tee und sitzen dort ein wenig. Obwohl jetzt langsam die Touristenbusse anfahren und sich immer mehr Gruppen durch die Kasbah den Berg hochschieben ist es hier ruhig und friedlich und da wir die einzigen Gäste sind, setzt sich der nette Mann, dem die kleine Teestube gehört ein bisschen zu uns. Er ist Berber, wie ein Großteil der Bevölkerung hier im Atlasgebirge, und erzählt ein wenig von sich. Und da er dann auch ganz nett anbietet, ein Foto von uns zu machen, frage ich ihn im Anschluss ob ich auch eines von ihm machen darf, was kein Problem ist. Leider sehen wir hier auch mal wieder genug Leute, die den Einheimischen ohne zu fragen die Linse ihrer Kamera ins Gesicht halten und abdrücken, als ob sie im Zoo wären. Sie sehen toll aus in ihren farbenprächtigen Gewändern und mit ihren Turbanen aber das entschuldigt ja nicht so ein distanzloses Verhalten. Unser netter neuer Freund zeigt uns im Anschluss noch sein Haus und die Teppiche die er webt, dann gibt er mir noch sein Instagram, damit ich ihm das Bild schicken kann.
Tatsächlich kostet der Thé à la menthe hier nicht viel mehr als überall sonst, was uns auf Grund der Örtlichkeit eher überrascht. Wir kaufen noch eine Postkarte bei einem der "Aquarellmaler", die hier sehr zahlreich sind aber auch wirklich schöne Bilder herstellen. Sie benutzen Tee in verschiedenen Brühgraden als "Farbe" und wenn sie damit malen sind die Bilder zunächst sehr blass und kaum sichtbar. Dann wird das dicke Papier über einer kleinen Gasflamme kurz erhitzt und wie durch Zauberhand werden die "Teefarben" kräftig und dunkel und die Bilder erwachen zum Leben.
Bevor die Busladungen die Festung einnehmen, sind wir wieder unten und laufen über Sandsäcke und große Steine durch das fast komplett trockene Flussbett wieder zurück in den neuen Ort, wo unser Auto parkt. Da Marlene hier das Frühstück im Hotel fast nie schmeckt (es gibt meistens nur Süßes und dazu Omelett), isst sie leider morgens fast nie etwas und hat dann regelmäßig um die Mittagszeit einen Bärenhunger. Wir kehren also im neuen Ortskern in ein kleines Restaurant ein, und die Kinder essen die teuersten Nudeln mit Tomatensauce des ganzen Urlaubes. Das Restaurant gehört einem Italiener und das schmeckt man auch. Sie sind ihre 10 Euro pro Teller also wert und wir Erwachsenen werden mit einem tollen Blick auf Ait-Ben-Haddou belohnt. Inzwischen schieben sich allerdings zwischen den schönen lehmfarbenen Häusern Heerscharen bunter Punkte bergauf und bergab. Nach einer sehr unerfreulichen zweiten Polizeikontrolle in Ouarzazate, der Provinzhauptstadt, bei der der sehr unfreundliche Polizist behauptet, dass Dennis "nicht lange genug" am Stoppschild gehalten habe, sind wir noch mal 40 Euro los und wirklich stinksauer. Bei der ersten Kontrolle konnte man im Nachhinein noch darüber lachen, aber jetzt sind wir wirklich angefressen von dieser Masche und leider hat auch unser Vorgehen mit den 100 Dirham in der Geldbörse nichts gebracht. Wir müssen dem Mann bis zum nächsten Geldautomat folgen und Geld abheben, vorher gibt er Dennis seinen Führerschein nicht zurück. Später am Tag lernen wir, dass man seine Papiere einfach garnicht aushändigen soll wenn man sich keiner Schuld bewusst ist und
Berber in Ait-Ben-HaddouBerber in Ait-Ben-HaddouBerber in Ait-Ben-Haddou

...mit freundlicher Genehmigung;)
es scheinbar -anders als in Deutschland- keine Berechtigung für die Polizei gibt verdachtsunabhängig Führerschein und Fahrzeugpapiere zu kontrollieren. Gegen Nachmittag erreichen wir unser Riad in Tinghir, am Rande der spektakulärenTodra Schlucht. Das Riad liegt zwar sehr schön mit Blick auf einen kleinen Fluss und ein altes Dorf auf der anderen Hangseite allerdings lässt es leider sonst etwas zu Wünschen übrig. Die Einrichtung ist sehr einfach und abgewohnt, und sauberer dürfte es auch sein. Für eine Nacht werden wir es aber wohl überleben.
Dafür ist der Hotelmitarbeiter Zaki, den wir für eine kleine Tour durch die Schlucht als Guide buchen umso netter und engagierter. Als erstes fahren wir ein paar Kilometer weiter in die Schlucht hinein, wo sich die Felswände einander immer spektakulärer annähern und wandern ein bisschen am Fluss entlang bis zur engsten Stelle der Schlucht. Hier passt gerade so ein Auto durch während sich links und rechts die roten Steilwände in den Himmel recken. Ein Paradies für Kletterer und von denen sieht man auch jede Menge.
Danach fahren wir noch in einen Palmenhain im vorderen Teil der Schlucht, in den wir ohne Zaki wohl niemals einfach so hereinspaziert wären. Zwischen Palmen und Olivenbaumplantagen, zwischen Feldern voll wilder Minze und
PalmenhainPalmenhainPalmenhain

Todraschlucht
Parzellen voll Kohl und Erbsenpflanzen, zwischen blühenden Mandel- und Pfirsichbäumen und bereits voll hängenden Granatapfelbäumen, lotst er uns durch die sandigen Pfade und erklärt uns hier und dort etwas zum jahrhundertealten Bewässerungssystem des Palmenhains oder den Kräutern die hier wachsen. Aus Palmenblättern flicht er für die Kinder kleine Kamele und bastelt ihnen ein Boot, was sie auf den kleinen Kanälen fahren lassen dürfen. Die beiden sind hier sowieso total in ihrem Element, balancieren auf den schmalen Steinmauern und klettern auf umgestürzte Palmen. Dann steigen wir im Abendlicht in eine verlassene Kasbah auf der inzwischen unbewohnten Seite der Schlucht auf und sehen uns die verfallen Gebäude an, die sich die Natur zum Teil wieder zurückerobert hat.
Ein ganz besonderer Ort und ein kleines Abenteuer für die Kinder. Zaki ist es auch, der uns, nachdem wir uns ein bisschen über die Polizeiwillkür bei ihm ausgeheult haben, erklärt, wie wir uns zukünftig verhalten sollen. Er sagt uns, dass wir auf keinen Fall defensiv reagieren sollen wenn wir nichts falsch gemacht haben und die Herausgabe von Führerschein und Fahrzeugpapieren vehement verweigern sollen. Er meint, dann müssten sie uns fahren lassen. Wenn das nicht klappt sollen wir mit unseren beiden alten Quittungen wedeln und suggerieren, dass wir schon zweimal bezahlt haben, auch das würde manchmal helfen. Etwas skeptisch sind wir schon, denn intuitiv fängt man ja in fremden Ländern lieber keinen Stress mit der Polizei an und macht, was verlangt wird. Aber wir haben natürlich auch keine Lust, uns weiter ausnehmen zu lassen, zumal wir wirklich im Vergleich zu den Marrokkanern sehr ordentlich fahren. Die, haben wir das Gefühl, haben alle keinen Führerschein. Es wird am liebsten direkt vor Kurven oder uneinsehbaren Steigungen überholt, in blindem Vertrauen darauf, dass schon keiner kommt. Es wird gerne auch ohne jeglichen erkennbaren Anlass die Gegenspur benutzt, egal ob die eigenen Spur frei ist und man mit Gegenverkehr rechnen muss. Es wird grundsätzlich sehr knapp eingeschert, sich überall noch vorbeigedrängelt und egal ob Fahrrad-, Moped- oder Autofahrer : das Handy ist immer am Ohr oder in der Hand. Kein Wunder dass wir schon ein paar Mal jemanden fast in den Graben haben fahren sehen und heftig hupen mussten, weil jemand plötzlich während wir ihn überholten, ebenfalls über die Mittellinie und extrem nah auf uns zu kam. Wir werden sehen, ob wir nochmal in eine Polizeikontrolle kommen und entsprechend versuchen, uns etwas mehr zu behaupten. Nach einem späten Abendessen fallen
verlassene Kasbahverlassene Kasbahverlassene Kasbah

Todraschlucht
wir heute aber erstmal alle müde ins Bett.


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