Advertisement
Published: November 18th 2012
Edit Blog Post
Oh Familie und Freunde!
Nun weiß ich ja, dass ihr wisst, dass ich schon seit einer Woche mein Dasein in China friste.
Trotzdem mag ich, gut Deutsch, die Reihenfolge nicht brechen und euch ein paar Sachen über Jordanien erzählen.
Der Plan lautete ursprünglich die kompletten drei Wochen in Wadi Rum bei einer Beduinenfamilie zu verbringen. Ein bisschen mit den Touristen im Wüstencamp aushelfen, ein bisschen Englischunterricht für die Kids geben. Klingt einfach. Klingt schön.
Es war beides oft, aber bei weitem nicht immer. Am Ende bin ich nach zwei Wochen gegangen. Aber dazu später.
Ankommen in Wadi Rum war großartig. Aus dem angeblichen Direktbus an einer Highway-Gabelung rausgeschmissen, kam ich im Touristencenter mal wieder als Tramper an. Meine Nase an der Autoscheibe war platt; ich war es auch.
Wadi Rum ist ein riesengroßer Sandkasten, in dem vor unheimlich langer Zeit einmal ein ziemlich großes Baby seine Förmchen platziert haben muss. Hier ein Fels, da ein Fels. Dazwischen weht ein Wind, der mehr und mehr weißen Sand von den Felsen aufs allgemeine Wüstenrot bläst. Irgendwann stehen hier dann nur noch Dünen. Rot-weiß. Und warten auf ein neues Riesenbaby, das dem Ganzen wieder Form verleihen kann.
An meinem ersten Tag fahre ich mit Tourguide Hamed durch die Wüste. Mohammed, meinen Kontaktmann und Gastgeber, kenne ich noch nicht. Der sei in Amman, seinen Vater im Krankenhaus besuchen. Das erste Abendmahl nehmen wir in einem der Nachbarcamps ein. Davon gibts in Wadi rum zur Genüge. Die Nacht selbst wird im Sunset-Camp geschlafen. Der erste Eindruck ist negativ. Kein Bett gemacht. Die Decken sind staubig. Und Hamed enttäuscht, dass ich mich nicht zu ihm ins Doppelbett kuscheln will. Wohnen tut hier niemand. Nur wenn sich Touristen für eine Nacht zwischen ihren Jeep- und Kamelsafaris einbuchen, sind auch ein paar Beduinen hier. Nicht wirklich, was ich erwartet hatte. Die sanitären Anlagen sind verdreckt. Ich will hier nicht bleiben.
Am nächsten Morgen also, sage ich Hamed, dass ich ins Dorf will, um Mohammed kennenzulernen. Ich will hören, was genau von mir erwartet wird und vor allem die Sauberkeit im Camp zur Sprache bringen.
Mohammed liegt ausgestreckt auf dem Teppich in einem seiner Wohnhäuser. Er hat zwei Frauen. Einen zweistelligen Betrag an Kindern. Das Wohnzimmer sieht annehmbar aus. Vielleicht kann ich ja im Dorf schlafen. Kein Problem. Das Camp ist dreckig? - Er schickt jemanden hoch, der sauber macht. Gut.
Er wirkt nett. Wir trinken einen Fingerhut Tee mit einem Schöpflöffel Zucker. Dann soll mir Hamed mein Zimmer zeigen. Das ist hinter dem Haus seiner zweiten Frau, gleich nebenan. Kann sein, dass es ein wenig sauber gemacht werden muss. Er hat dort seit einem Monat nicht mehr reingeschaut.
Hamed führt mich ums Haus. "Hier kannst du schlafen." Ich schau ins Zimmer. Ich schau Hamed an. Ich warte, dass er anfängt zu lachen, mir sagt: "War nur ein Spaß, ich zeig dir, wo du wirklich wohnen wirst." Doch er meint es ernst. Worte können mein Entsetzen kaum beschreiben. Die Bilder sprechen für sich. "Was hast du? Du bist jetzt auch eine Beduinin" - Hamed findet anscheinend nichts auszusetzen an dem Dreckloch.
"Ich kann das nicht!" - eile zurück zu Mohammed. "So wird das hier nichts! Das da hinten ist ein Saustall! Nie und nimmer nicht werd ich hier bleiben." Mohammed versteht nicht und begleitet mich diesmal selbst. Dass auch seine Augen vor Entsetzen aus dem Kopf zu quellen scheinen, beruhigt mich ein bisschen. Natürlich werde ich hier nicht schlafen. "Komm mit ins Haus meiner zweiten Frau. Da kannst du bleiben." Danke! Viel viel besser!
Die zweite Frau heißt
Chitam. Hat bisher nur zwei Kinder. Saba (2) und Djiab (2 Monate). Ich hätte sie gerne fotografiert, aber arabische Frauen scheuen sich vor Bildern. Ihr Englisch war sehr begrenzt. Thank you! Help! Eat! Mehr kam nicht. Aber schön hat sie immer gelacht.
Saba war mein Goldstück. Gab es keine Touristen im Camp, war ich im Dorf. Habe im Haushalt geholfen. Saba beschäftigt. Der fand Carolin zu lang. Mein neuer Name: "Si-Se! Si-Se! Si-Se!" Ich glaube nicht, dass man oft mit ihm spielt. Kinder sind meist auf sich allein gestellt. Chitam war mit dem Baby beschäftigt. Mohammed mit Solitair-spielen am PC. Saba und ich haben Ball gespielt ("Duba Duba Duba"). Im Fernsehzimmer (in arabischen Häusern findet man keine Bücher, aber in fast jedem Raum ein TV-Gerät), in dem auch geschlafen wurde (Matratzenlager am Boden) gab es einen großen Schrank, in dem die Decken aufbewahrt wurden. In dem hat sich Saba gern versteckt, "Byebye", Tür zu und dann laut gequiescht, damit ich die Türe wieder aufmache. Einmal hat er sich selbst helfen wollen und dagegen getreten. Dabei ist eines der Schaniere aus seiner Halterung gesprungen. Kein großes Thema. Schrauben festziehen, fertig! Chitam hat das anders gesehen. Ein Schlag auf die linke,
ein Schlag auf die rechte Hand. Dann eine Ohrfeige links und rechts. Und letztlich das Kind mit dem Fuß in den Rücken zu Boden gestoßen. Das war an meinem letzten Abend. Saba hat nicht geweint. Nur für volle 20 Minuten mucksmäuschenstill sein Gesicht in den Armen vergraben und ab und zu zu mir hochgeschaut. Eine halbe Stunde später hing er wieder bei seiner Mutter im Arm, Küsschen und Liebkosungen wurden ausgetauscht.
Seine Kinder zu schlagen ist normal, erklärt mir Mohammed. Da war mir klar, dass ich gehen muss.
Auch Asma (10), Tochter mit der ersten Frau, ist einmal vor meinen Augen geschlagen worden. Sie ein sehr aufmerksamkeitsbedürftiges Kind. Hat sich gerne mal auf den Boden geworfen und leidend gestellt. Hausaufgaben fand sie nicht so toll. Hat öfters ihren Stift verlegt. Darum waren wir einen neuen kaufen im Shop. Als wir zurückkamen hat die Mutter schon gewartet. Und geschrien. Watsche links, Watsche rechts. Dann ist das Kind am Pferdeschwanz ins Haus geschleift worden. Hausaufgaben hatte sie am nächsten Morgen keine fertig.
Es ist schwer jetzt über fröhliches zu schreiben. Ich hatte auch gute Zeiten. Im Camp mit den Touristen. Schlafend unter freiem Himmel. Im Jeep auf Wüstentour mit
einem der Guides und einer Familie aus Holland. Wandernd im Wunderschön. Auch im Dorf mit den Kindern. Ahmad war 14 und hat bei mir Schreibunterricht auf der PC-Tastatur bekommen. Den Töchtern hab ich Englisch beigebracht. Es versucht zumindest. Merriam fand Englisch doof und hat mich ab dem zweiten Tag daher immer zurecht gewiesen mit einem "NO! ARABIC!"
Die Beduinen sind nette Kerlchen und die größten Charmeure, lassen sich jedoch gut zurecht weisen und werden in der Regel nicht unangenehm aufdringlich.
Von der Gewalt habe ich erst in meinen letzten zwei Tagen Wind bekommen. Sonst wäre ich schon eher gegangen. Generell war vieles etwas unorganisiert. Mohammed selbst habe ich nie in seinem Camp gesehen. Das Geschäft wurde mehr oder weniger von seinem Sohn Shaker beisammen gehalten. Viel Zeit ging verloren mit Warten. "Jaja, du musst ins Camp. Stell dich vor den Shop, da holt man dich gleich ab." - nach zwei Stunden klopft dann endlich jemand an die Tür.
Vieles wirkt wild und romantisch auf den ersten Blick. Die Traum-Kulisse trügt. Manchmal, aber nicht immer. Hamed ist nicht glücklich. Er würde gerne woanders leben, was anderes arbeiten. Aber jemand wie er, habe in der Welt da draußen einfach
keine Chance. Ein paar der Jungs dort aber lieben ihren Job. Würden die Wüste nicht missen wollen. Chitam zeigt mir bevor ich gehe, dass sie noch etwas mehr Englisch beherrst. "Saba and me!....I love you!" Ich kann ihr nichts wirklich vorhalten. Es gibt vieles, von dem sie nichts weiß. Was ist recht, was ist unrecht. Wahrscheinlich ist auch sie als Kind geschlagen worden. Für sie ist das nur normal.
Kulturschock tut auch manchmal weh!
Advertisement
Tot: 0.118s; Tpl: 0.043s; cc: 10; qc: 48; dbt: 0.0487s; 1; m:domysql w:travelblog (10.17.0.13); sld: 1;
; mem: 1.1mb
Bobby
non-member comment
Good luck
Viele Grüsse von allen im Riverside. Wir denken oft an Dich. Wir hoffen, in China ist die Welt wieder in Ordnung und das Internet funktioniert. Auf Deinen nächsten Blog, Dieter