Piura


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Peru's flag
South America » Peru » Piura » Piura
October 18th 2009
Published: October 19th 2009
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19.10.2009
10:50



Piura, cerca de la Plaza de Armas, en una cafetería, tomando un café con leche (Lactosetabletten machen's moeglich...)

Meine zeitliche Orientierung laesst langsam nach. Um herauszufinden, welcher Tag aktuell ist, muss ich fragen oder eine Tageszeitung kaufen - letzteres tu ich ohnehin moeglichst taeglich, um mein armseliges Spanisch zu trainieren und um etwas tiefer einzutauchen in die Themen, die gerade aktuell sind in dem Land, in dem ich mich aufhalte.
In Peru sind das neben Randnotizen zum Kampf gegen illegalen Holzeinschlag im Regenwald und Hinweisen auf ein anstehendes El-Niño-Ereignis derzeit vor allem zwei Themen:
Zum einen der Vorschlag des Premierministers Velásquez, Abtreibungen mit medizinischer Indikation oder nach sexueller Gewalt straffrei zu machen (bisher steht darauf ein Freiheitsentzug), worueber innerhalb der Regierung dieses erzkatholischen Landes sehr hitzig debattiert wird.
Zum anderen bejubelt die peruanische Presse gerade die Veroeffentlichung einer Touristenkarte fuer Suedamerika, herausgegeben von dem Geographischen Institut Frankreichs, auf der die Grenze zwischen peruanischen und chilenischen Hoheitsgewaessern entlang der Zeitzonengrenze gezogen wurde - ungeachtet der Tatsache, dass diese Grenze derzeit offiziell weiter noerdlich verlaeuft und derzeit eine Klage Perus in Den Haag anhaengig ist, die genau die Grenzziehung einfordert, die Frankreich nun abgedruckt hat. Peru feiert, Chile fordert eine Korrektur - da haben wohl ein paar franzoesische Kollegen von mir gepennt. Staatsgrenzen in Suedamerika: ein heikles Thema. Mir faellt gerade kein Land ein, das alle seine Grenzen zu den Nachbarn anerkennt.

Ab morgen werden es ecuadorianische Zeitungen sein, die ich mit Hilfe meines diccionarios entziffern werde: Morgen vormittag startet mein Bus nach Loja im ecuadorianischen Hochland.

Ich finde es fast schade, schon wieder aufzubrechen. Loja gefaellt mir, fuer eine Wuestenstadt, deren Lebensgrundlage auf kuenstlicher Bewaesserung beruht, ist die Stadt erstaunlich gruen. Alle paar Schritte stosse ich auf einen weiteren liebevoll gestalteten Platz, es gibt viele attraktive Geschaefte, noble Wohnviertel, ganze Heerscharen von dreiraedrigen Mototaxis, Sonne satt und kaum Touristen. Im Lonely Planet ist Piura beschrieben als staubige und stickig-heisse Stadt, durch die man halt irgendwie durch muss auf dem Weg von oder nach Ecuador, und tatsaechlich steigen die meisten Touristen nur um, ohne sich weiter aufzuhalten. Zu Unrecht, wie ich finde, aber diese Tatsache sorgt dafuer, dass ich entsprechend auffalle: Teenies zeigen mit dem Finger auf mich und rufen: Una Gringa!
, und die meisten Passanten schauen verwirrt an mir hoch - es ist wohl hauptsaechlich meine Groesse, die beeindruckt, die meisten Peruaner sind ein bis zwei Koepfe kleiner als ich. Die Touristenfuehrerin aus Trujillo ging mir etwa bis zum Bauchnabel, und in der Huaca de la Luna waren ein tschechisches hochgewachsenes Paar und ich neben den Ruinen die Attraktion des Tages und wurden von kichernden Einheimischen fotografiert, nachdem sie zum Vergleich ihre Kinder zwischen uns geparkt hatten.
Nur 5%!d(MISSING)er auslaendischen Touristen, die Machu Picchu besuchen, wusste die bauchnabelhohe Tourifuehrerin zu berichten, besuchen auch den Norden Perus. Sehr schade, denn die Gegend hat hier sowohl landschaftlich als auch kulturell viel zu bieten, und die Ruinen, die die Archaeeologen hier ausgraben, sind wesentlich aelteren Datums als die der beruehmten Inka-Stadt.

Mittlerweile fuehle ich mich wohl hier in dem lauten Suedamerika. Es geht hektisch zu in den Strassen und auf den Maerkten. Ich schlendere durch die Stadt, trinke hier einen Kaffee oder lese dort ein paar Seiten meines Buches, sauge die Umgebung in mir auf und habe verglichen zu dem turbulenten Treiben um mich herum das Gefuehl, mich in Zeitlupe zu bewegen.
Der Verkehr tobt auch in Piura, aber eine Verkehrsregel habe ich doch noch ausmachen koennen: wer zu leise hupt, verliert. Ansonsten erschliesst sich mir nach wie vor nicht, wer hier Vorfahrt hat, und ich staune, dass ich bei dieser Verkehrsdichte noch nicht Zeuge eines Unfalls geworden bin. Irgendwie funktionierts, nur wie - das wissen wohl nur die Einheimischen.

Gestern bin ich auf dem Weg zu der Busgesellschaft, bei ich das Ticket nach Loja gekauft habe, unvorbereitet in das ebenso froehliche wie aggressive Chaos eines Marktes geraten. Ganz Piura schien dort versammelt zu sein - das El Dorado fuer Langfinger. Und prompt bemerkte ich ein leises Ruckeln an meinem Rucksack. Ca 200msec - das ist laut der psychologischen Studien, mit denen ich mir in Berlin ein wenig Geld verdiene, meine Reaktionszeit auf Reize, sie reichte aus, um herumzufahren und zu sehen, wie ein Mann mit meiner Kamera in der Hand in der Menge verschwinden wollte. Ich war schneller als er, fasste ihn energisch am Arm und nahm ihm den Fotoapparat kurzerhand wieder ab. Damit hatte er wahrscheinlich nicht gerechnet, vielleicht beeindruckte ihn auch meine blosse Koerpergroesse oder meine Zielstrebigkeit, jedenfalls leistete er keinerlei Widerstand sondern suchte das Weite.
Der ganze Vorfall dauerte vielleicht 30 Sekunden und wirkte sich seltsamerweise gar nicht auf meine gute Stimmung aus: ich bin noch nie zuvor beklaut worden, habe aber fest damit gerechnet, dass das hier irgendwann passiert. Meine Papiere und das Geld trage ich, sofern ich es unbedingt mitnehmen muss, direkt am Koerper und auf diverse Taschen verteilt, so dass im Ernstfall moeglichst nur ein Teil davon verschwindet. Allerdings packe ich meine Kamera nun auch nicht mehr in das Frontfach meines Rucksacks: dummer Anfaengerfehler, da ist es kein Wunder, wenn man als "reiche Gringa" in einem armen Land bestohlen wird. Man lernt halt nicht aus.

Sie sonnigen Mittagsstunden verbrachte ich gestern nach einer unbequemen Fahrt in einem bis zum Bersten vollgestopften colectivo in dem 12km entfernten Catacaos, einem kleineren Ort, das sich ganz dem Kunsthandwerk verschrieben hat. Dort schlenderte ich ueber den Markt, der vollgepropft war mit filigranem Silber- und Goldschmuck, Keramikprodukten und Holzschnitzereien. Fuer wenig Geld koennen vor allem Frauen hier gluecklich werden - shoppen bis zum Umfallen! Wahrscheinlich jette ich in Zukunft ganz dekadent zum Schmuckkaufen nach Peru, lasse aber dann meine Kamera zu Hause...
Ich unterhielt mich laenger mit Lamda, einem Kuenstler und Strassenhaendler, der durch ganz Suedamerika reist und seine Ketten aus Muscheln und Steinen verkauft, einen Sohn mit einer Tschechin in Prag hat und die Gelassenheit eines Menschen ausstrahlt, der schon eine Menge gesehen hat in seinem Leben. Urspruenglich aus Lima stammend hat er kein zu Hause sondern reist nur, wie er erzaehlte, ein intelligenter und kreativer Tramp mit langem Haar, schmutzigen Fingernaegeln und schoenen indianischen Gesichtszuegen. Zum Abschied schrieb er mir seine email-Adresse und die URL seiner Homepage auf: ein Tramp mit eigener Homepage, keine feste Adresse im realen Leben aber in der virtuellen Welt - moderne Zeiten...

Nun habe ich meinen zweiten Kaffee ausgetrunken und werde mich weiter treiben lassen durch die sonnigen Strassen Piuras. Ab morgen muss ich leider wieder meinen Pulli aus den Tiefen meines Backpacks holen: Loja liegt etwa 2000m ueber dem Meeresspiegel in den Anden, Hoechsttemperaturen um die 20°C. Brrr. Besser als in Deutschland - aber wesentlich schlechter als in Piura. Und doch ist ja alles relativ: Als ich gestern abend dem Hostelbesitzer von dem schoenen Wetter hier in der Stadt vorschwaermte, runzelte er die Stirn: "hace frío!" Ich fragte mich, ob er die Gringa vor sich vera... wollte, musste dann aber erfahren, dass 38°C in Piura normal sind.
Gestern und heute waren es ca 28°C.
Qué frío!


P.S. Weitere Fotos auf


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19th October 2009

Quick finger!
Hello Alexandra, Wow, I am impressed! You chased down the pocket thief and got your camera back! So far, I have been lucky and have avoided theft outside one time in Thailand but then it was someone who I was sharing the room with who did it, I found out and got my money back. The guy had been stealing from other people in our group earlier so he was a prime suspect. Also I would like to inform Ms Geography that Sweden does not have any outstanding border conflicts with any of our neighbours! The last one, a valley towards Norway was finally settled in the 1990s. Take care and continue to enjoy your trip! -Lars
19th October 2009

Hi Lars, does Sweden belong to South America? ;o) Germany also doesn't have any border conflicts... but do you know a country in Latin America, that doesn't have any...?
20th October 2009

Klasse Bericht!
Danke, Alex, für den tollen Bericht deiner bisherigen Reise! Ich verfolge deine Erlebnisse mit großer Spannung und freue mich sehr über die schönen Fotos. Lambda sieht stark aus - du aber auch :-)
13th November 2009

:-)
einfach nur: WOW!!!

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