Janq'uma


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Published: June 23rd 2007
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Servus Freunde!

Nochmal ein Blog ueber die Berge, dann lass ich Euch in Ruhe mit dem ewig gleichen Gesuelz.
Gestern Abend ist das Team Oberbayern wieder abgeflogen, womit ich wieder auf Solomission bin. An der Stelle noch mal: War superspitzenmaessig mit den Jungs. Ich haett mich echt gefreut, wenn unser Wrack von Taxi auf dem Weg zum Flughafen endgueltig liegengeblieben waere und der Aufenthalt zwangsverlaengert worden waere. Hat nicht geklappt, Schade.
Bevor ich mich jetzt also irgendwohin absetz, wo die Sonne scheint & es keinen Schnee gibt, noch mal ein kurzer Lagebericht.
Nach einer Zwangspause von vier Tagen mit Duennschiss und Fieber in La Paz Chaos City waren wir letzte Woche alle wieder soweit wiederhergestellt, einen letzten Berg anzuvisieren. Diesmal einen "richtig" hohen & moeglichst abgelegenen Zapfen. In Pepes Cafe Bar bei lecker Essen, Trinken und 20 Grad plus sind solche Plaene natuerlich schnell geschmiedet.
Als Ziel haben wir den Janq'uma oder halt einfacher auszusprechen "Ancohuma" auserkoren. 6427 Meter hoch und ziemlich weit weg.
Am naechsten Morgen sind wir erstmal in ein Kaff namens Sorata gefahren, von wo aus man startet. Ein nettes Staedtchen, wesentlich tiefer gelegen als La Paz, schoen warm mit subtropischer Vegetation und grossen Eisbergen oben drueber. Ausser ein paar Kneipen gibts eigentlich nix, aber sehr angenehm. Also schnell ein Hostal gesucht (mit Original Aquarelldruck von Wuerzburg 1850 im Esszimmer?!?) und Vorbereitungen fuer den Abmarsch getroffen. Der Hoehenunterschied zwischen 2600 (Sorata) und 6400 (Gipfel) Metern hat uns schon ein bisschen stutzig gemacht, deshalb haben wir beschlossen, am ersten Tag mit Mulis zu gehen, soweit moeglich. Also Verhandlungen in der "agencia turistica". Der Holzkopf wollte uns natuerlich mehr Mulis, dann Traeger, Guide und eine Lagerwache andrehen. Weil, das "machen alle Touristen so." Ausserdem ist das alles viel zu anstrengend, gefaehrlich, wir werden ausgeraubt, sterben und ueberhaupt, warum machen wir das nicht wie alle anderen? Und warum wollen wir Bitte bis zum Titisani-Pass laufen und nicht vorher zelten wie alle anderen? Am naechsten Tag kann man doch so schoen mit Traegern weitergehen!
Nach eher nervigen Verhandlungen hatten wir dann also zwei Mulis mit Mulero fuer den naechsten Tag. Schnell noch im lokalen Grill gespachtelt, ein paar Bier getrunken und ab ins Bettchen.
Morgens haben wir dann unseren Mulero Mario getroffen. Der Haeuptling aller Rennschluempfe, kaum Zaehne dafuer aber immer einen ordentlichen Batzen Coca im Mund, Autoreifensandalen und topfit. Er hat unser ganzes Geraffel in Saecke aufgeteilt und dann mit Stricken auf die erstaunlich gelassenen Mulis gewuchtet. Auf meine Frage, ob so ein Muli denn 30 - 40 Kilo tragen kann, hat er nur gelacht. "Kein Thema. Das sind echte Macho-Burros mit dicken Eiern. Hohoho." Na gut. Jeder Wendy-Leserin haetts wahrscheinlich den Magen umgedreht, aber sind halt doch Nutztiere und im Zweifelsfall Eselwurst.
Der erste Tag war zwar lang, aber dank Turnschuhen, Shorts und kaum Gepaeck zu tragen doch sehr entspannt. Bei Bullenhitze startet man zwischen Maisfeldern, Eukalyptuswald, Palmen und Obstbaeumen in einer richtig gruenen Landschaft und kommt 1800 Hoehenmeter spaeter am Titisani-Pass an, wo die Mulis nicht mehr weiter koennen. Dort haben wir mit dem Mario nochmal was gegessen und ihn dann verabschiedet. Ueber 10 Bolivianos (= 1 Euro) Trinkgeld hat er sich gefreut wie ein Schnitzel, dabei hat er den ganzen Tag fuer uns geschuftet wie ein Bloeder, abgehauene Mulis wieder eingefangen, durch unwegsames Gelaende gescheucht und dazu noch einen Rucksack getragen. Verkehrte Welt irgendwie. Aber sonst arbeitet er wohl in einer Bergmine, was im Vergleich dazu die Arbeit als Mulero wahrscheinlich als Sonntagsspaziergang erscheinen laesst.
Der Lagerplatz war landschaftlich superschoen und schlaftechnisch eher nicht so, weil man im Stehen gelegen ist mit ordentlich Steinen zwischen den Rippen. Wasser holen muss man 200 Hoehenmeter tiefer am Bach. Ich hab mich dabei erstmal in den Felsen verstiegen, eine unfreiwillige Freikletterpartie eingelegt und die Latrine von irgendwelchen Bergbewohnern gefunden (quasi reingeklettert) - lecker! Aber egal.
Am zweiten Morgen sind die 30-Kilo-Monster dann vom Maultierruecken auf die unsrigen gewechselt und die Turnschuhe wurden gegen Plastikstiefel getauscht. Juhu! In dem Moment hab ich gewusst, dass sich jede Joggingrunde ueber die Wuerzburger Frankenwarte oder den Erlanger Ratsberg gelohnt hat. Zwei Tage nur bergauf schleppen, durch Geroell, Bloecke, glattgeschliffene Platten und Moraenenschutt. Unser Plan, an einem Tag bis zum Hochlager aufzusteigen war dann auch schnell erledigt. Erst haben wir noch eine Nacht an der wirklich idyllischen Laguna Glaciar (mit unglaublichem Panorama zum Illampu, einem echten Traumberg - also doch nochmal wiederkommen) gezeltet, um uns dann einen weiteren Tag durch unendliche Moraenen bis zum Gletscherrand hochzupruegeln. Mit Spass hat das irgendwie nicht mehr viel zu tun, aber selber schuld.
Am Nachmittag von Tag drei hat auf jeden Fall der Martl irgendwann mal gefragt, wie weit wir den ganzen Scheiss denn Bitteschoen noch hochschleppen wollen, was auch gut war, weil wir dann gleich da geblieben sind, wo wir waren. Campingurlaub auf dem Gletscher auf 5600 Metern. Waehrend die anderen zwei noch den Weg Richtung Gipfel durch den Eisbruch ausgecheckt haben, haben der Christoph und ich die Zelte aufgebaut und versucht, unsere total verstopften Kocher mit bolivianischem "Kocherbenzin" (da sind wir mal richtig beschissen worden) zum Laufen zu kriegen. Lecker Abendessen inklusive Mousse au Chocolat aus der Alutuete und schon war wieder das Licht aus. Sonnenuntergang ueber den Wolken & dem Tittikakkasee. Wunderschoen & arschkalt.
Danach kam die Nacht der Eskimowitze. Und zwar genau dann, wenn die Blase so voll ist, dass man einfach aus dem Schlafsack und dem Zelt muss, um ewige Minuten auf den Gletscher zu pinkeln und dabei halb zu erfrieren. Besonders schoen, wenn Zeltwand und Schlafsack sowieso schon gefroren sind und man sich durch verschiedene Eisschichten nach draussen schaelen darf.
Die grosse Weckung war um vier, aber dem Christoph war speiuebel, so dass wir noch eine gute Stunde zu viert im Zweimannzelt gewartet & gefruehstueckt haben. Was voll okay war, weil sowieso keiner in der Schweinekaelte starten wollte (nochmal Danke fuers Alibi an den Christoph!).
So um halb sechs mussten wir dann aber halt doch los. Der Christoph mit Magenkraempfen & Nasenbluten, aber irgendwie gings doch. Durch einen imposanten Eisbruch mit Spalten-Weitsprung-Wettbewerb und dann erstmal ewigem Gletscherhatschen bis zum Anfang des Nordwestgrates. Der war dann in der Morgensonne auch echt schoen. Team Oberbayern ist alles nur mit Skistoecken gegangen. In den Steilstufen hab ich als Team Mittelfranken mich aber definitiv fuer die Kaefertechnik entschieden, weil Tiefblick, steiler Schnee und kein Seil und da nagel ich mich lieber schoen stabil fest. Dafuer muss ich jetzt mit dem Titel "kleiner Adventure-Kaefer" leben, was aber besser ist, als ein abgestuerzter Nicht-Kaefer.
Ueber den Grat, einen grossen Schneebalkon und nochmal eine Spalte echt weit oben sind wir dann auf einem riesigen Schnee-Hubbel angekommen, den man sich dann nur noch hochgraben muss. Irgendwann sagt der Hoehenmesser, dass man da sein muesste, auf dem Gipfel. Wie ein paar Fussballfelder aus Schnee.
Nach der obligatorischen Brotzeit im Windschatten wollten wir uns dann eigentlich im Sinne einer Janq'uma-Ueberschreitung an den Suedgrat, den "Normalweg" machen, um da wieder zum Gletscher abzusteigen. Bloederweise war der "Normalweg" ein ueberwaechteter, steiler Grat aus Pulverschnee. Nach einigem Hin und Her ("da seil ma runter") sind wir dann doch nochmal die Extrameter zum Gipfelplateau hochgeeiert, um dann bei krassem, Wind ueber unsere Aufstiegsroute wieder abzusteigen.
Nachmittags gabs nur noch Suppe & Tee und dann wieder 13 Stunden Zwangsaufenthalt im Zelt.
Da haben wir dann glaubich angefangen, Lebensqualitaet als "mir ist nicht kalt & ich muss gerade nicht laufen" zu definieren und Luxus als "Geil, ein halber, vergammelter, plattgedrueckter Schokoriegel von vorgestern, den ich gerade in meiner Tasche gefunden hab" oder auch "Yeah, wir haben noch feuchtes Klopapier dabei, ist zwar kompakt durchgefroren, aber wurscht", zu definieren.
Danach gabs eigentlich nur noch Abstieg. Zwei Tagesetappen an einem durchgerannt, die Sollbruchstellen im Laufgestell fangen an zu knirschen, und dann puenktlich am 6. Morgen kommt Rennschlumpf Mario mit seinen Mulis zum Zeltplatz hochgewuselt und alles wird gut.
Mittwoch Abend sitzen wir in der Kneipe, essen Riesenportionen Fleisch & Reis und trinken Bier. In dem Moment haelt ein Jeep an der Plaza. "Guck ma Flo, da steigt ein Weissbrot aus." Ich dreh mich um und der gute alte Tyler from Alaska steht mit seiner Freundin da und schaut mich an wie ein Gespenst.
Der Abend wird noch sehr feuchtfroehlich, wir ueberzeuegen das oertliche Wirtschafts-Syndikat (5 Eingaenge - aber eigentlich eine Kneipe) uns doch Bitte Longdrinks zu mixen und der Tyler faellt als erster vom Stuhl.
Hier nochmal ein kleines Beispiel bolivianischer Geschaeftstuechtigkeit:
Ich will Cuba libre - der Kellner meint gibts nicht (wie es eigentlich gar nix von der Karte gibt, ausser Bier und kurze Schnaepse). "Aber Cola hast Du?" - "Ja." - "Rum auch?" - "Ja." - "Und Rum-Cola?" - "Nein." - "Warum denn eigentlich nicht." - "Muss ich den Chef fragen." - Chef kommt irgendwann unmotiviert angeschlappt und alles wird gut.
Total verkatert fahren wir am Donnerstag mit einem Combi zurueck nach La Paz, inklusive Erdrutsch, der die Strasse blockiert und anregenden Gespraechen mit den Mitfahrern ("Wieviel Geld bekommt ihr eigentlich in Deutschland pro Monat vom Staat geschenkt?").
Jetzt bin ich auf jeden Fall wieder allein, noch in La Paz und mir brennen die Finger von der Zweifinger-Tipptechnik. Wenn ich noch Bilder hochlad wird das hier wahrscheinlich ca. drei Stunden dauern, deshalb hoer ich jetzt hier auf.

Seid gegruesst & viel Spass im Freibad!
Flo.




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