Chopicalqui und Schluss


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South America » Peru » Ancash » Huaraz
July 17th 2007
Published: July 17th 2007
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Servus Freunde!

Nachdem der Dreckscomputer in diesem Drecksinternetcafe gerade mit meinem kompletten Update abgestuerzt ist starte ich voller Freude den zweiten Versuch.
Wahrscheinlich wird das der letzte Eintrag, da mir nur noch vier Tage in Peru bleiben und ich Sonntag morgen um acht wieder in Muenchen steh, wenn nix schieflaeuft. Wurstegal, einen kurzen Abriss ueber die letzten Tage liefer ich Euch noch mal.
Wie bereits erwaehnt ist letzte Woche in ganz Peru der Generalstreik ausgebrochen, was unsere Plaene, noch zwei oder drei Berge zu machen, ziemlich radikal zunichte gemacht hat. Ganz Huaraz war tot, Geschaefte und Kneipen verrammelt, alle Strassen blockiert und ausser randalierenden Demonstranten keine Sau unterwegs. Der Tyler und ich haben zum Glueck eine Kneipe mit tollkuehner Besatzung gefunden, die uns reingelassen hat und hinter uns gleich wieder das Stahltor verriegelt hat. Dank der vielen Pisco Sours, die uns der Barmeister gemixt hat, wurde der Tag dann doch noch ertraeglich. Bis dann Leute angefangen haben, Steine in die Fenster zu schmeissen, was nicht wirklich lustig war. Die Typen haben sich dann aber zum Glueck doch dagegen entschieden, uns Gringos zu lynchen und sind weitergezogen, um wo anders zu randalieren.
Nach zwei Tagen sollte der ganze Spass vorbei sein, aber wer weiss das schon in Peru...
Am Donnerstag hab ich dann noch eine Mail vom Julver, einem befreundeten Bergfuehrer aus Arequipa bekommen. Er kommt gerade vom Alpamayo, hat ein paar Tage frei und ob ich denn Lust hab, auf einen gescheiten Berg zu steigen? Also haben wir uns fix auf ein paar Bierchen getroffen und Plaene geschmiedet. Das war dann auch das erste Mal, dass ich einen vom Eisschlag voellig zertruemmerten Helm (sic!) gesehen hab. Der Julver und sein Kunde sind am Alpamayo von einer anderen Seilschaft ordentlich unter Beschuss genommen worden, mit dem Ergebnis, dass beide mit kaputten Helmen und Prellungen am Oberkoerper und im Gesicht abgeseilt haben. Klingt nicht wirklich nach viel Spass. Wir haben uns dann auf den Chopicalqui (6354m), den "kleinen" Nachbarn vom Huascaran entschieden, der superschoen und nicht allzu schwer sein soll. Fuer meinen absoluten Traumberg, den Artesonraju (der Paramount-Pictures-Berg) reicht unsere Zeit leider nicht mehr - aber das ist ja auch nur ein Grund, wiederzukommen. Also ein letztes Mal das ganze Glumb fuer vier Tage packen, zeitig in die Heia und frueh um sechs wieder starten.
Der gehirnamputierte Geschwindigkeitsjunkie (Taxifahrer) am Steuer hat die nur halb weggeraeumten Strassenblockaden in Form von Baumstaemmen, Felsbrocken und abgefackelten LKW-Reifen eher als sportliche Herausforderung wahrgenommen, so dass wir ziemlich zuegig aber mit arg strapazierten Nerven in einem Kaff namens Yungay angekommen. Nachdem wir den gefaehrlichsten Teil unseres Ausfluges ueberlebt haben, sind wir von dort aus mit einem Kombi (laut Tyler "a fucking bumpy ride") ins LLanganuco-Tal hintergeeiert und in einer Kurve unter dem Huascaran und Chopicalqui ausgestiegen.
Der unvermeidliche Moraenenhatscher ging dann zwischen echt beeindruckenden Waenden bis auf knapp 5000 Meter zum ersten Lager. Dort gings gesellig und international zu, ganz im Gegensatz zu den Lagern, die ich auf der Reise bisher erlebt hab. Franzosen, Amis, Mexikaner, Englaender, Belgier und Schwaben. Da kommt echt Campingplatzatmosphaere auf, nur dass von den Waenden aussenrum in schoener Regelmaessigkeit Lawinen bis fast ins Tal donnern und einen daran erinnern, dass man doch in ziemlich hochandinen Gelaende unterwegs ist. Zum Woerschtla grillen wirds ausserdem abends auch zu frisch.
Am Tag 2 sind wir dann ueber den ersten Teil des Gletschers gehatscht, mit Spalten in denen man locker mal ein durchschnittliches Einfamilienhaus versenken koennte, bis zum Hochlager in einem Gletscherbecken. Dem Tyler gings scheisse, wahrscheinlich weil die Parasiten in seinem Magen-Darmtrakt sich nicht mit der Hoehe anfreunden konnten. Ausserdem hat die Sonne dermassen runtergeprellt, dass es uns langsam das Hirn in der Ruebe (das nachts ja schon mal schockgefrostet wurde) weichgekocht hat. Im T-Shirt auf fuenfeinhalbtausend Metern. Sehr bizarr!
Der Blick vom Hochlager war der absolute Hammer, mit echten Traumbergen aussenrum und stahlblauem Himmel. Wir haben gut gegessen & getrunken und uns frueh abgelegt, um fit fuer einen Mitternachtsstart zu sein.
Kaum bin ich eingedoest, was in der Hoehe ja sowieso nicht so leicht faellt, weil man immer wieder kleine Anfaelle von Atemnot kriegt, hats an die Zelttuer geklopft. Das mexikanische Paerchen von nebenan. Er spuckt Blut und keucht wie eine angestochene Sau und ihr laeuft das Blut konstant aus der Nase. Super! Da bleibt eigentlich nix ausser absteigen. Dem Tyler gings auch schlecht, also haben der Julver und ich das Zeug von den Nachbarn gepackt, ihre Rucksaecke genommen und die beiden torkelnden Zombies am Seil ueber den Gletscher bis zur Moraene gebracht. Ironischerweise arbeitet er (der Mexikaner) als Instruktor fuer die mexikanische Bergrettung. Hat wohl auch nix gebracht.
Mittlerweile war es dann auch schon so gegen zehn, was hier "mitten in der Nacht" bedeutet (die Sonne geht um sechs unter) und wir sind die 500 Meter ohne Gepaeck wieder hochgesprintet. Total verschwitzt sind wir nach einer Dreiviertelstunde wieder bei den Zelten gewesen, nochmal kurz mit Klamotten in den Schlafsack und schon klingelt der Wecker. Juhuuu! der Tyler gibt zur Auskunft, dass er kotzen muss und dass er auf keinen Fall mitkommt. Die zwei Schwaben im Nachbarzelt wollen auch auf den Gipfel verzichten und bieten an, dass der Tyler am Morgen mit ihnen absteigen kann.
Also fruehstuecken wir einen Topf Cocatee und Kekse und starten bei einem unglaublichen Sternenhimmel. Die ersten zwei Stunden hatschen wir ueber ewige Gletscherhaenge, bis wir irgendwann an der ersten Wand ankommen. Ab hier wird die Kletterei sehr anregend. Steilstufen und kurze Passagen im blanken Eis wechseln sich ab mit luftigen Gratstuecken und ab und zu muss man unter beeindruckenden Seracs durcheiern. Wir klettern mit Stirnlampen und ich fuehl mich gut, obwohl ich die letzten Wochen ja viel zu tief (in Arequipa) verbracht habe. Aber die Akklimatisation scheint gehalten zu haben und alles ist in Butter.
Mit der Sonne erreichen wir den ersten "falschen" Gipfel und legen eine Pause mit Schoki und Tee ein. Vor uns steht die Gipfelpyramide, ein unglaublicher Haufen Schnee in Pilzform, einfach ein riesengrosser Batzen Schlagsahne. Vor uns ist die gefuehrte Franzosentruppe unterwegs, deshalb warten wir noch, bis die Seillaengen zum Gipfel frei sind und steigen dann auch ein. Der Julver zittert sich durch die Schluesselstelle, ein paar Meter senkrechtes Eis um eine Ecke rum mit freiem Blick zwischen den Beinen durch bis zum Talboden. Ich steig das Stueck zum Glueck nur nach, aber das reicht schon, um eine semierotische Beziehung zu meinen Eisgeraeten aufzubauen. Danach klettern wir noch ein paar Seillaengen 50-60 Grad steilen Schnee und kommen auf dem Gipfelplateau, einer gigantischen Schaumrolle an.
Wir sind zwar ziemlich platt, aber saumaessig gluecklich, diesen Gipfel erreicht zu haben, flaezen uns in der Sonne und geniessen den Blick ueber die gesamte Cordillera Blanca. Nach einer halben Stunde machen wir uns an den Abstieg und fangen an, die Gipfelpyramide wieder abzuklettern.
Das steile Stueck muss man abseilen. Woran??? Die beste Loesung laut Julver: Hongo de nieve - Schneepilz. D.h. man hackt mit dem Eisbeil einen mannsgrossen Pilz in den Schnee und legt dann das Seil rum. Hab ich noch nie gemacht und eigentlich hab ich da auch ueberhaupt keine Lust drauf. Egal. Runter muessen wir so oder so. Der Julver laesst mir den Vortritt und ich seil mich tatsaechlich an einem Schneepilz ueber eine 15-Meter ueberhaengende Eisklippe ab. Das Teil haelt erstaunlicherweise, aber nochmal mach ich das nicht mehr in diesem Leben.
Der restliche Abstieg zu den Zelten laeuft super, wir seilen noch ein paar Mal von Estaccas ab (hab ich eigentlich auch keine Lust drauf) und muessen ein paarmal Schlange stehen, bis auch der letzte Franzose ueber die Steilstufen geeiert ist. Ich leg mich erstmal eine halbe Stunde ab, der Julver schmilzt Schnee und wir essen die letzte Packung Salami ohne alles. Aber laut Julver bin "ich hier nicht bei meiner Schwiegermutter", das Wetter schlaegt um und ich bekomme Kopfschmerzen. Deshalb packen wir unsere Sachen und hauen ab in Richtung Tal. Bei Schneegraupeln torkeln wir den Gletscher runter und ca. 20 Stunden nach dem ersten Start kommen wir im Basislager 2000 Meter tiefer an. Der Julver will noch bis zur Strasse weiterlaufen und nach Huaraz trampen, aber da mach ich nicht mit. Zelt aufstellen - Tee kochen - Essen - Schlafen. Die Amis neben uns feiern eine Party in ihrem riesigen Kuechenzelt, waehrend wir unser allerletztes Benzin verheizen und in die stinkigen Schlafsaecke kriechen. Selten hab ich mich so darueber gefreut, schlafen zu duerfen.
Gestern sind wir dann entspannt nach Huaraz zurueckgekommen und haben uns abends einen gepflegten Absturz in saemtlichen Bars der Stadt gegoennt. Als dann ein paar von den peruanischen Guides und eine Horde besoffener Finnen mich ueberzeugen wollten, mit ihnen in den Puff zu fahren, hab ich mich ausgeklinkt und bin zufrieden und saumuede ins Bett gefallen.
Jetzt bleiben mir noch zwei Tage hier in Huaraz - zu wenig um nochmal auf einen Berg zu steigen und zu viel um nur rumzuhaengen. Also werd ich wohl ein bisschen Wandern, Bouldern (hier solls saugute Boulder geben) und vor allem Essen, Trinken und Schlafen, bevor ich die Huehner wieder Richtung Gringolandia satteln werde. Eigentlich muesste ich mich jetzt ja ausreichend erlebnispaedagogisch behandelt haben, um das Referendariat an einem unbekannten Ort in Oberfranken antreten zu koennen. Aber andererseits hab ich jetzt auch richtig Blut geleckt. D.h. das naechste Jahr werd ich wohl maximal in einer vollklimatisierten Kletterhalle am Kaffeeautomaten oder in der Sauna anzutreffen sein, aber irgendwann muss ich nochmal hierherkommen, um die restlichen Traumgipfel abzuhaken.
By the way I like to say dass ich mich trotzdem echt freue, heimzukommen, noch ein bisschen den Sommer in Franken zu geniessen und Euch Pappnasen wiederzusehen.

Ich hoffe, ihr hattet ein bisschen Spass beim Lesen und Bildergucken.
Bis bald.
Flo.


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