Schwarze Erde


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Ukraine's flag
Europe » Ukraine
August 28th 2021
Published: August 28th 2021
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Das war noch die bessere Straße
Dieser Tag hat mich fast an meine Grenzen gebracht (und ich glaube, die sind weiter gesteckt als bei manchen anderen Leuten). Pünktlich beim Verlassen des Hotels begann es zu regnen, die ersten 100 km waren Autobahn, in allen Senken stand tief das Wasser. Gewölbte Fahrbahn oder Entwässerung gibt es halt nicht. And den meterhohen Fontänen der Lkw sah man aber deutlich dass es ernst war und ich fuhr sehr vorsichtig. Aquaplaning auf MR stell ich mir schaurig vor. Bei km 100 hielt ich an und zog noch eine Jacke an, mir war so kalt. Dann nicht weiter nach Süden, dort wäre bald Odessa gekommen, sondern nach Osten. Die Straße war die schlechteste, die ich bisher erlebt habe. Oh Schreck!!! Langsam. 50 km können sehr lang dauern. Dann Balta, keinerlei Navi also war Pfadfindertum gefragt. Fand die richtige Straße, aber gleich außerhalb hätte ich dann rechts abbiegen müssen und da war die Straße gesperrt. Ich musste also die zwei Schenkel eines Dreiecks abfahren, statt nur die Grundlinie. War mir eigentlich egal, denn ich fahre immer mit großem Interesse durch die ländliche Ukraine. Die großen Felder mit der fruchtbaren Schwarzerde sind allein schon eindrucksvoll. Die Straße war dann plötzlich FANTASTISCH, ich wollte schon absteigen und ein Foto machen, aber dann fiel mir ein, dass das bei uns nichts so besonderes ist. Tanken im nächsten Ort mit dem gesamten Rest meines ukrainischen Geldes. Dann wieder zurück, den zweiten Schenkel des Dreiecks. Die Straße würde schlecht und dann sehr, sehr schlecht. Ein tiefes Loch neben dem anderen, manchmal tiefe Seen über die gesamte Breite. Wasser weit über die Höhe der Stiefel, Aquatisches Leben breitete sich aus. Aber das Schlimmste kam erst. Etwa 6 km vor der Grenze nach Transnistrien fehlte jeglicher Belag, übrig war nur Baz. Ich habe irgendwann gelesen, dass im Russlandfeldzug die Sommer fast schlimmer waren als die Winter. Flo rutschte haltlos weg, da lagen wir. Beim ersten Schritt auf diesem Zeugs klebten die Schuhe fest, ich rutschte, hingefallen. Flo aufheben, Gewicht 180 kg, rutschiger Boden. Es war so, als würde man einen Fisch fangen wollen. Dann weiter, aber nur wenige Meter, dann passierte das Gleiche. Diesmal konnte ich Flo auch wieder aufstellen, aber sie war mit dem Hinterrad so tief im Klebezeugs drin, dass ich sie nicht bewegen konnte. Pause zum Nachdenken. Fazit: die Lage ist be..... Und fast hoffnungslos. Aber wenn ich nichts tue, dann muss ich da schlafen.

In
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Fruchtbare Schwarzerde, der Segen der südlichen Ukraine
der Ferne eine Kuhherde, vielleicht ist da ein Hirte dabei? Ich lief der Herde nach, kiloweise Schwarzerde an den Schuhen, die Herde verschwand gen Osten. Ich schrie immer wieder, winkte, nichts. Als ich endlich näher kam, sah ich dass da sogar zwei Hirten waren. Endlich drehte sich der eine um und kam mir entgegen, statt immer weiter wegzurennen. Pantomime, er ging mit mir zurück. Dort versuchte er einmal mit mir zusammen Flo aus dem Dreck zu schieben, dann nahm er wortlos seinen Hirtenstab auf und ging weg. Ich war völlig sprachlos. Er hatte ein Handy und ein Netz und hätte jemand anrufen können. Wen hätte ich anrufen können, ich kannte niemand und selbst bei der Polizei sprach nie jemand Englisch. Ich war so verzweifelt, dass ich einfach losschrie. Lange.

Dann wachte Hirn wieder auf. Da vorne verliefen Stromleitungen nach links. Also machte ich mich, wieder beladen mit reichlich Schwarzerde, auf den Weg zu den Leitungsmasten. Straße führte steil bergab und tatsächlich, da waren Häuser, eine typische Hauswùstung, verlassen und verfallen und ganz zugewachsen. Weiter. Ich hörte einen Hund bellen, einen Hahn krähen. Hoffnung. Dann kam rechts eine Einfahrt und da war tatsächlich Leben. Drei Männer schleppten Wellblech zu einem Schuppen, um ihn neu einzudecken. Meine Hoffnung wuchs, drei Männer waren sicherlich genug, um Flo loszumachen. Aber die Männer gingen stoisch an mir vorbei, namen keine Notiz von mir und meiner Theateraufführung. Dann kam eine Frau, offenbar der Boss. Sie hörte mir zwar zu, gab mir aber zu verstehen, dass die Männer unabkömmlich waren und sie auch nicht helfen könne. Ich solle weiter gehen. Ehrlich gesagt kann ich mich nicht erinnern, dass ich jemals so verblüfft war. Zweimal Menschen, die in einer Notsituation einfach sagen, ich nicht, hab keine Lust. Jetzt wäre wieder ein guter Moment gewesen zum Weinen oder Schreien, aber ich hatte keine Kraft dazu. Ich stand gerade bei einem Baum und aß unreife Zwetschgen (später Nachmittag, nichts gegessen seit Frühstück), da kam eine Frau von einem Haus her. Sie sah nett aus und sie war es. Kurze Pantomime, dann gab sie mir zu verstehen, dass ich warten sollte und sie holte ihren Mann. Er sprach 15 1/2 Worte Englisch, was hervorragend war im Vergleich zu meinem Ukrainisch. Ich konnte ihm klarmachen, dass das Moto ok war aber feststeckte. Kurze Überlegung, dann packte er Frau und mich in sein Auto. Mein Twingo mit 21 Jahren ist eine Staatskarosse
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Das Abendessen im Himmel
im Vergleich. Meiner fährt auch. Der hier musste immer wieder am Bauch gekitzelt werden (irgendwo unter der Motorhaube) bis er endlich ansprang. Wir fuhren zum Schlammloch. Unterwegs hielt mein Retter dann noch ein Auto an (Rush hour???), Und so waren dann drei Männer, die Flo aus ihrem Schlammbad hoben und schoben. Es folgte ein Konzil und die Fahrer beider Autos waren sich einig, dass ich hier einfach nicht raus käme, der starke Regen dieses Tages hat alles unpassierbar gemacht für Zweiräder. Ich habe den andern Autofahrer gut verstanden, der mich fassungslos fragte, was ich eigentlich da tue. Ich fragte mich auch. Ergebnis des Konzils, ich übernachte bei Sergej und Shana. Wir fuhren zu ihrem Haus und jetzt begann ein Wunder. Meins dreckige Regenkleidung, Socken etc wanderten in eine Waschmaschine, mir wurde Essen aufgetischt und um 18.30 schickten sie mich ins Bett. Die Bettwäsche war blitzsauber und hatte Bügelfalten, das hat meine nie. Das 'Bett war klumpig, aber ich war weg. Versuchte noch ein SMS an Wolfgang zu schicken, aber es kam nie an. Danke an Shana un Sergej, zwei Menschen.


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28th August 2021

Es gibt Engel…
… und ohne solche Geschichten gäbe es nichts nennenswertes, was dich an solche Reisen erinnern würde… Ich musste über die Klospülung grinsen, das hatten fast alle meine Freunde in Nikel und Murmansk! Lange nicht gesehen! Ich hoffe, du hast deren Adresse oder so und kannst ihnen ein Foto oder zwei schicken.
28th August 2021

Foto
Nein, keine Adresse. Am Schluss ging alles so schnell...

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