Ein Höllenritt durch die Berge


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Published: March 17th 2011
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Darüber werden wir noch lange sprechen. Gott sei Dank weiß man manchmal nicht, was uns erwartet.

Wir befinden uns auf einer 630 km langen Fahrt von Tikal zum Lago de Atitlán in Guatemala. Um schon einmal 60 km Fahrt zu sparen, übernachteten wir in Flores am Lago Petén. Also von Lago zum Lago hieß das Motto.
Der erste Teil der Tour war noch recht angenehm, mal abgesehen von den vielen Tumulos (oder in Mexiko die Topes). Diese unendlich freundlichen Rampen auf der Straße, die einen dazu zwingen, manchmal fast bis zum Stehen runterzubremsen. Und natürlich kommt nicht eine Tope vor einer Ortschaft, sondern die Erbauer lieben es, diese Geschwindigkeitsbremsen in Reihe zu schalten. Das nervt!

Überraschend kam auch die Fähre in Sayaxché, aber das war ein nettes Reisedetail. Wir dachten, wir stehen bestimmt eine halbe Stunde und mehr, bis wir auf das Boot gelangen. Aber die Fährfahrer ließen den PKWs den Vortritt und so konnte die Fahrt über den Fluß beginnen. Interessant war der Antrieb: Zwei „Kabinen“ mit je einem Außenborder waren außerhalb der Fähre angebracht und der „Kapitän“ wechselte je nach Tour. Man glaubt es kaum, was diese Motörchen antreiben können.

Unser erster Eindruck von einem saubereren Guatemala mussten wir zunehmend revidieren. Letzten Endes fanden wir auch keine anderen Verhältnisse wie vielerorts in Mexiko vor. Aber die Bevölkerung scheint noch viel ärmer zu sein. Im Lonely Planet finden wir dann die Aussage, dass 50 % der Menschen im heutigen Guatemala unter der Armutsgrenze leben.

Ärmlich ist auch die Beschilderung. Ich übertreibe nicht, wenn man von einer Schilderbestückung von 1:50 km bis 1:100 km redet. D. h. Hans hält nach einem „passablen“ Passanten Ausschau, Petra sprintet aus dem Fahrzeug und frägt nach der „direccion“.
Ein kurzes Ablaufschema:
Immer nur nach dem nächsten Ort fragen. Weiter entfernte Orte bilden nur Fragezeichen auf dem Gesicht des Redepartners ab. Grundregel Nr. 2: Keine Karte zeigen. Kartenlesen können die wenigsten. Grundregel Nr. 3: Wenn Petra mal wieder einen spanischen Namen falsch ausspricht, dann den Ort aufschreiben. Antwort kommt: Ok, dann versuche ich aus dem Redeschwall das für mich Sinngebende herauszufiltern. Merke wieder mal, dass ich halt doch noch ein bisschen mehr Energie in meine Spanischlektionen hätte stecken sollen. Also max. 25 % verstanden. Zweite Nachfrage nach der Entfernung (zur Eingrenzung): oje, jetzt wird’s schwierig… Stammel, Stammel. Also wiederhole ich zur Vorsicht nochmals das von mir Verstandene, bis ich endlich so ungefähr die Richtung weiß. Und so finden wir uns dann in dem Straßendschungel einigermaßen zurecht. Wichtig ist immer – genügend Diesel im Tank. Wer weiß, vielleicht muss man nach einer Irrfahrt wieder alles zurücktigern….

Nach einer Stärkung im Mac Donald’s (selten aber wahr) in Carbon gingen wir die Fahrt in die Berge an. Die Straße nach San Cristobál Verapaz zu finden, war eine schwierige Geburt. Fahrer und Beifahrer sind unkonzentriert und befinden sich schon munter Richtung Guatemala City, als wir endlich an einer Tankstelle zur Absicherung nachfragen. Dann folgen widersprüchliche Aussagen, schlecht aussehende Abzweigungen mit Schotterpisten und endlich der Durch“schlupf“ neben einem Hotel.

Nun kam eine Strecke, die in unserem kleinen Guatemala-Atlas grün gekennzeichnet war. Und das heißt Schotterstraße. So kam es dann auch. Die Schlaglöcher mehrten sich und der VW-Bus wurde stark strapaziert. Alles im Bus erzitterte und immer wieder bekam das Fahrgestell stärkere Schläge ab. Solange man aber um die kleinen Pools in der Straße herumturnen konnte, war das ja alles kein Problem. Dann kamen aber die Superschwimmbecken. Schön verteilt über die ganze Straßenbreite: drei Stück an der Zahl, abwechselnd hintereinander. Ich dachte schon daran, vielleicht das Ganze erst einmal tiefentechnisch auszuloten. Hans dachte wohl nur an sein doch eigentlich bodenfreies Gefährt. Und bei ihm stand die Ampel auf Grün – also durch die Becken durch. Wir hatten Glück – kein Steinbrocken im Weg, der einen Stopp und vielleicht Probleme verursacht hätte. Die Fahrt konnte weitergehen, diesmal mit Matschgraffitis am Fenster.

Das eigentliche Nadelöhr kam aber erst noch. Der Weg gabelte sich. Links deutete ein Schild auf eine Privatstraße zu einer Ranch hin. Das kann es wohl nicht sein…. Also rechts bleiben - und wir landeten auf einer lokalen Müllhalde. Ein Mann war gerade dabei, den Abfall überlebenstechnisch auf Brauchbares zu durchsuchen. Ok – den können wir fragen. Abajo (alles hinunter), meinte er. Also doch die scheinbare Privatstraße? Da kam auch schon ein Tanklaster, den wir vorhin überholt hatten. Mist, jetzt ist der doch glatt wieder vor uns. Bei Hans ist bald der Siedepunkt erreicht. Der Tanklaster tastet sich langsam die extrem steile Hangpassage hinunter und hält an. Also Gelegenheit nützen und sofort überholen. Plötzlich war mir klar, weshalb der Truckfahrer stoppte. Es kam uns ein langer Sattelschlepper bergaufwärts entgegen. Wir befanden uns schon seitlich vom Tankfahrzeug! Gott sei Dank bremst der Entgegenkommende ab (Sorry, wir haben dir den Schwung genommen) und lässt uns vor dem Laster wieder einscheren. Juhu – geschafft! Freie Fahrt nach vorne.
Nach der Kurve bleibt uns der Atem stehen: Es folgt eine lange Schrägpassage und dann kommt ein Bergabrutsch! Die Straße, wenn man den Weg so nennen will, ging schmerzlos gerade den Berghang hinunter. Selbst große Tanklaster oder Schwerlastschlepper mit Bagger mussten sich durch dieses Nadelöhr durchquälen. Währenddessen kam noch Regen auf. Wenn die Piste nicht schon von langen Regengüssen vollständig durchfeuchtet gewesen wäre. Weltuntergangsszenario. Wir konnten nur froh sein, dass wir erst einmal nur bergab fahren mussten. Transportfahrzeuge kamen uns entgegen. Wir wichen bis in die seitliche Rinne aus und kamen gerade so aneinander vorbei.
Nun querten wir auf einer Ersatzstrecke den von einem Bergrutsch betroffenen Hang. Schlimm sah das aus. Von der früheren Straße war nichts mehr zu sehen. Alles abgerutscht. Mich fröstelte und ich versuchte, ein Foto zu schießen. Klar, verwackelt. Bei dieser Schlaglochfahrerei war kein Foto möglich.
Nun mussten wir weiter über eine Ausweichstrecke hangaufwärts fahren. Im ersten Gang schafften wir es trotz Anlauf gerade so, bis uns eine Kehre zwang, langsam zu machen. Die Piste war total aufgeweicht. Gott sei Dank bestand sie nicht nur aus schlammiger Erde, sondern es war auch Steinschotter als Untergrund vorhanden. Wir wären sonst gnadenlos hängen geblieben.
Die Fahrt war noch nicht zu Ende. Doch wir kamen langsam ins Tal hinunter und hin und wieder hatten wir auch mal ein bisschen Ruhe und schlaglochfreie Meter. Schon wurde es dunkel und wir erreichten den Ort Aldea Baldea. An einer Tankstelle füllten wir unseren Tank und fragten, ob wir über Nacht bleiben können. Ja – wir sollen uns gleich neben sein Haus stellen. Wir freuten uns auf ein paar nervenschonende, ruhige Stunden.

Wenn da nicht dieser Gottesdienst gewesen wäre. Schräg gegenüber, in immerhin 50 m Entfernung, stand dieses Gotteshaus. Zur Orientierung: Wir mussten lernen, dass Gottesdienste in der Hispano-Region völlig anders ablaufen können. Und in Aldea Baldea hatten sie wohl ihre eigene Gottesdienst-Ordnung.
Es ertönte erst einmal ohrenbetäubende mexikanische Musik. Dazu gehört Trompete, vielleicht Gitarre, dann natürlich Schlagzeug und die unentbehrliche Bassgitarre. Damit die Musik so richtig durch Mark und Knochen geht, hat der Bass die Oberhoheit. D. h. bevor nicht alles zittert und bebt, ist nicht die richtige Bassstärke erreicht.
Petra dachte bei dieser Musik an eine Party. Hans ging auf Erkundung und fand in der Kirche die Gläubigen und den Pfarrer, umrahmt von einer Jugendlichen-Krachmach-Truppe vor. Alle gebadet in eine ohrenbetäubende Musik. Zwei Kinder wollten Hans in die Kirche ziehen. Mit Zeichensprache wehrte er ab. Auch jeder Gottesdienst geht mal zu Ende. Aber auch hier herrschen wieder anders Sitten. Ich weiß nur noch, dass ich gegen 23:00 Uhr Gott sei Dank nichts mehr hörte. Aber über drei Stunden lang zitterte unser Bus im Bassstakkato.

Nur noch etwa 25 Minuten Fahrt, dann wird die Straße besser und ist asphaltiert. So sprach unser gastfreundlicher Tankwart. Wir waren aber keine Durchschnitts-Guatemalen. Aber nach 35 Minuten hatten auch wir diese Strapaze überstanden und konnten uns wieder den unzähligen Tumulos auf der Straße widmen. Wie wir später von holländischen Landi-Fahrern hörten, mussten uns bekannte Franzosen mit neuem Wohnmobil wohl sechs Stunden lang durch die Berge auf dieser Strecke abgeschleppt werden. Kann ich verstehen – wer die Strecke kennt…

Noch waren wir nicht am Lago Atitlan. Es war Sonntag und es war Markttag. Aus der Umgebung kamen die Collectivos und die TucTuc und brachten die Menschenmassen in die Stadt. So geschehen in Solola und andernorts. Ich weiß, wie man einen VW-Bus durch eine Kuhherde buchsiert. Immer schön langsam, einfach mittendurch, die Kühe weichen dann schon aus. So ähnlich ist es, wenn man durch eine Marktstraße fahren muss. Rechts und links die Stände, dazwischen alles aufgefüllt mit Menschen. Kommt noch dazu, dass ja noch Autos, LKWs und Busse entgegenkommen. Also schleichende Fahrt voraus. Problem ist – nicht alle weichen einem aus. Da sind die Zweibeiner, die halt dann ständig vor dem Auto laufen. Anschieben ist nicht erlaubt. Dann die entgegenkommenden Fahrzeuge. Hans muss schon mal brüllen, damit sie noch einen Schlenker zum Ausweichen machen. Ansonsten ist allerletztes Rettungsszenario: Seitenspiegel einklappen. Und auch Marktstraßen haben ihr Ende…

Ich habe nicht so den Riesenfahrstress. Hinten sitzend betrachte ich die vorbeiziehenden Bilder. Die Frauen kleiden sich hier völlig anders. Sie tragen lange, wallende Röcke, oben ein Top, über das ein farbenfroher Spitzenüberhang geworfen wird. Vom Auto aus sieht man die Frauen bei der Hausarbeit, Wasserkrüge auf dem Kopf tragend oder auf dem Weg zum Markt.
Alles ist sehr ländlich, selbst auf der kleinsten Ecke wird Mais angebaut und das auch an 45 Grad steilen Hängen. Keine Frage – hier wird von Hand geerntet. Schweine sulen sich im Dreck vor dem Haus. Die Schweine sehen mit ihren Flecken auf den Borsten ganz putzig aus. Wer kein Auto oder Motorrad hat, für den gibt es (außer Collectivos etc) noch das Pferd als Fortbewegungsmittel. Vaqueros auf Pferderücken sieht man immer wieder am Straßenrand.
Nach Solola führt die Straße steil den Berg hinunter Richtung Panajachel. Der See breitet sich vor den Augen aus. Dahinter die drei Vulkane, die sich steil vom Himmel abzeichnen. Wir befinden uns auf 1.600 m Höhe. Es ist angenehm kühl. Unser Campingplatz beim Vision Azul Hotel hat ordentliche Duschen und der Standplatz auf der Wiese mit Blick zum See erfreut das Herz. Hier können wir uns wieder erholen!




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