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Published: November 16th 2011
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Es ist still. Das monotone Fahrgeraeusch wird nur vom gelegentlichen Quietschen eines Stossdaempfers gestoert. Alex aus Singapur auf der Bank neben mir schnarcht leise. Selbst unser Guide mit seinen durchaus witzigen aber sicher bereits schon hundertfach zum Besten gegebenen Spruechen liegt zurueckgelehnt im Beifahresitz und lauscht seiner Musik aus dem iPod (oder doch vieleicht eher ein "Thai"-Pod?). Unsere bunt zusammengewuerfelte Touristengruppe ist nach diesem langen Tag eschoepft. Die Dunkelheit wird nur vom Lichtkegel der Scheinwerfer durchbrochen und die Baeume am Strassenrand huschen schemenhaft dahin. Das kurze Aufblitzen der ansonsten tiefschwarzen Umgebung hat etwas Vergaengliches an sich. Ich habe bis zu diesem Zeitpunkt der Ruhe kaum Zeit gefunden, die letzten 3 1/2 Wochen Revue passieren zu lassen. All die gemachten Erfahrungen waren anstrengend, viel anstrengender als ich es fuer moeglich gehalten habe.
Wir passieren einen weiteren Kontrollpunkt der thailaendischen Armee. Ein verzweifelter Versuch, des Schmuggels aus dem benachbarten Myanmar Herr zu werden.
Warum tue ich das hier eigentlich? Nach was genau suche ich? Nur nach meiner beruflichen Zukunft? Kaum. Mir kommen die Worte meines Coaches in den Sinn: "Fuer welche Werte stehen Sie ein? Was ist Ihnen wichtig im Leben?". Meine Freunde, meine Familie und vor allem Patrizia. Warum habe ich das
Liebste das ich habe, all das Wunderbare in meinem Leben nur in Gottes Namen zurueck lassen koennen? Ich habe doch alles was es braucht um gluecklich zu sein.
Hinter mir mir flucht Jill aus Belgien leise auf flaemisch vor sich hin. Es ist wirklich nicht leicht auf diesen Sitzen etwas Schlaf zu finden.
Ich bin wohl tatsaechlich hier, um mich meiner Werte wieder zu besinnen. Eine Erkenntnis, die fuer viele wohl absolut trivial, fuer mich aber in diesem Moment an Wichtigkeit kaum zu ueberbieten ist. Mir wird klar, dass ich, der absolut rational gesteuerte Kopfmensch wieder mehr auf mein Herz hoeren muss. Ich lebe mein Leben meist in der Sehnsucht nach dem (noch) nicht Erreichten. Zugebenermassen eine gut funktionierende Triebfeder fuer beruflichen Erfolg. Leider gehen dadurch zu viele der wunderbaren Augenblicke der Gegenwart verloren und ich laufe Gefahr am Leben vorbeizumarschieren.
Das regelmaessige Gequietsche der Stossdaempfer lullt mich ein. Der Fahrer sollte die Teile wirklich beim naechsten Service ersetzen lassen.
Mein Coach sagte waehrend einer Sitzung zu mir, dass ich meine Mitmenschen mehr lieben soll. Ich habe das bis jetzt irgendwie nie wirklich verstanden. Jetzt aber wird mir klar, dass seine Mitmenschen zu lieben, doch nur bedeutet, sie mit all
ihren Fehlern respektieren und tolerieren zu koennen. Was bin ich doch hart gegenueber Allem, was nicht meinen Anspruechen und Wertvorstellungen genuegt und entspricht. Es ist wohl kein Zufall, dass die beiden Worte "Lieben" und "Leben" nur durch ein simples, kleines "i" voneinander unterschieden sind. Heisst es nicht irgendwo "wer nicht geliebt hat, hat nicht gelebt?"
Ach ja, da war ja heute noch der Ausflug. Erste Station ist der "White Temple". Da baut doch ein verrueckter thailaendischer Kuenstler irgendwo bei Chiang Rai einen buddhistischen Tempel, voll gespickt mit futuristischen Elementen und purem Kitsch. Unfassbar und doch schoen. Weiter geht es an das goldene Dreieck. Hier, wo sich der Mae Ruak und der Mae Khong (Mekong) vereinen, stossen die Grenzen Thailands, Laos und Myanmars zusammen. Bis in die spaeten 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts war die Gegend Heimat der grossen Opiumfuersten, welche mit dem Anbau und Verkauf von Rohopium und Heroin ihren Kampf in Burma fuer einen eigenen Shan-Staat finanzierten. Heute ist von dieser Wild-Ost Romatik wenig geblieben: Auf birmesischer und laotischer Seite haben chinesische Investoren bizarr anmutende Casinos aus dem Boden gestampft.
Es folgt ein kurzer Stop in Mae Sai, der noerdlichsten Stadt Thailands. In diesem Provinznest an der Grenze
zu Myanmar floriert der Handel mit chinesischen Billigprodukten. Der Grenzuebergang ist vor allem geschaeftiger Marktplatz birmanischer Haendler, um ihre Ware an den Mann zu bringen.
Letzte Station ist ein Dorf der Longneck-Karen. Eines von neun Bergvoelkern in Thailand, welche allesamt aus Tibet / Myanmar oder China eingewandert sind. Dabei haben die aus Cina stammenden Voelker auch das Opium in die Region gebracht. Das Dorf ist nichts weniger als ein Touristen-Zirkus; zur Schau gestellte Maedchen mit den beruehmten Metallringen um den Hals, welche den Nacken der Frauen ueber die Jahre giraffenaehnlich lang werden lassen. Ernuechternd zu sehen, dass es nicht mehr so einfach ist, das uerspruengliche Thailand zu entdecken. Der Tourismus erreicht Jahr fuer Jahr weitere unberuehrte Nischen.
Derweil ist das Leben in Chiang Mai sehr entspannt. Die Antibiotika erweisen ihren Dienst und ich kann endlich wieder etwas Sport treiben. Ich kann meine Endorphine foermlich "Hurra!" schreien hoeren. Nach den ersten drei Naechten im zwar schoenen aber etwas sterilen "3 Sis" - Guesthouse, bin ich ein paar Strassen weiter ins "Log Home" gezogen. Annabelle, die thailaendische Besitzerin, fuehrt ihr kleines Imperium mit militaerischer Schaerfe und thailaendischer Freundlichkeit. Sie laesst keine Moeglichkeit fuer ein kleines Geschaeft aus, hat aber fuer all
ihre Gaeste immer einen guten Tip parat und umsorgt uns muetterlich.
Matthias, ein junger belgischer traveller, empfiehlt mir unbedingt in das abgelegene Hippie-Dorf Pai und das noch weiter entferntere Mae Hong Son zu fahren. Da soll man das urspruengliche Nordthailand noch in vollsten Zuegen geniessen koennen. Eine Reise, welche mit dem Bus gut sechs bis sieben Stunden dauert und nur mit vier bis fuenf Tagen Zeit vernuenftig zu meistern ist. Eigentlich bleibt mir hierzu keine Zeit, da der Aufenthalt im Tempel zehn Tage dauert und ich bald danach in den Sueden fliege. Ich glaube, ich muss den Tempel-Aufenthalt etwas verkuerzen, denn eigentlich moechte ich mir dieses kleine Abenteuer nicht entgehen lassen. Mal schauen, ob Phra wieder einmal mit mir schimpfen wird.
Antibiotische Gruesse
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