Dali


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May 10th 2008
Published: July 20th 2008
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Ich hatte eigentlich nicht vor länger als zwei, drei Tage in Dali zu bleiben. Dass daraus zehn wurden und ich nur sehr ungern weiterreise hätte ich am ersten Tag definitiv nicht vermutet. Ich hatte den Bus (51 Y) von Lijiang nach Dali genommen und es versäumt an der Altstadthaltestelle auszusteigen. Die Neustadt, Dali City (oder Xiaguan, eine große, gesichtslose Stadt), liegt fast 15 km südlich des alten Dali. Also fuhr ich mit dem Fahrrad diese Strecke zurück und suchte mir ein Zimmer in der Altstadt, um feststellen zu müssen, dass die Hotels hier alle ab dem 30.4 für 4 Tage ihre Preise verdoppeln, aufgrund des Maifeiertages. Für die erste Nacht bekam ich aber noch ein sehr schönes, großes und auch sauberes Zimmer mit dem üblichen Komfort für 80Y auf der Huguo Lu (auch Foreigner St genannt). Am nächsten Tag suchte ich mir dann allerdings eine günstigere Unterkunft, und dass ich das Jade Emu GH fand, das nicht nur seine Preise über die Feiertage nicht erhöhte, sondern auch das wohl komfortabelste und freundlichste Hostel war in dem ich je übernachtet hatte, ist der Grund warum sich mein Dali Aufenthalt so in die Länge zog. Denn am ersten Tag hatte ich eher dazu tendiert Dali schnell wieder zu verlassen. Der Ort wirkte auf mich zwar durchaus ganz hübsch, aber im Vergleich mit Lijiang doch recht unspektakulär. Außerdem nervte es mich, dass Dali der erste Ort bisher war, wo einen aufdringliche Verkäufer belästigten und unsymphatische Bai Frauen in traditionellen Gewändern ständig Dope verticken wollten.
Nun, das waren selbstverständlich nur meine ersten Eindrücke und ich habe Dali in der Zwischenzeit natürlich besser kennengelernt und - unabhängig vom Hostel - lieb gewonnen, es ist definitiv ein Ort, an den ich wieder zurückkommen würde.
Ein wenig zur Geschichte Dalis. Viele Jahrhunderte war das von einer Stadtmauer umgebene , auf fast 2000m Höhe gelegene Städtchen die Kapitale des mächtigen Bai Königreiches, in jüngerer Vergangenheit war Dali einer der ersten Backpacker- und Hippie-Hangouts Chinas und das Haupttouristenziel Yünnans. Inzwischen hat Lijiang Dali eindeutig den Rang abgelaufen, vor allem chinesische Touristen scheinen Dali immer mehr die kalte Schulter zu zeigen. Denn im Gegensatz zu den Menschenmassen, die Lijiang täglich belagern war Dali selbst über die Maifeiertage verhältnismäßig ruhig, und danach ging es sogar meist beschaulich zu. Aus touristischer, rein ästhetischer Sicht ist das durchaus nachzuvollziehen, Lijiang ist zweifelsfrei das schönere, pittoreskere der beiden Städtchen. Dali ist seit den Hippie Anfängen sicherlich nicht schöner geworden. Von der beeindruckenden Stadtmauer steht nur noch ein kleiner Teil und auch innerhalb wurden ganze Straßenzüge Opfer der Abrissbirne und ästhetisch wenig schmeichelhafte Bauwerke dominieren in einigen Gegenden das Bild. Das soll nicht heißen, dass viele Teile der Altstadt nicht immer noch sehr hübsch und malerisch wären, und auch die Ausblicke auf die 4000m hohe Bergkette im Westen und den Erhai See im Osten sind bei gutem Wetter spektakulär, aber Dali verfügt eben nicht mehr über ein so harmonisches Gesamtbild wie die Altstädte von Lijiang oder auch Shangri-La. Doch ironischerweise ist es genau dieser Rückgang an Tourgruppen, der Dali für Traveller wieder interessant macht. Denn Dali ist - zumindest für den Moment - etwas was Lijiang definitiv nicht ist, nämlich relaxed. Und das ist der Grund - abgesehen von den überwiegend sehr freundlichen Einheimischen, den billigeren Preisen, und vermutlich auch dem allgegenwärtigen, leicht erhältlichen Dope - weshalb die meisten Langzeit-Traveller, die ich getroffen habe, wesentlich mehr Zeit in Dali verbrachten als in Lijiang. Dali hat auf viele den gleichen Effekt wie Orte in Laos, man kommt an und verfällt - auch ohne Drogen - in eine Art zufriedene Lethargie und bemerkt irgendwann, dass man ja schon eine ganze Woche hier ist.
Es ist jedoch nicht so, dass man in Dali nichts anderes machen kann als abhängen und bis in die Puppen ausgehen. Die Umgebung hier ist einige Tage der Erkundung wert - die Tage hier sind zum Glück lang, so dass man nicht unbedingt vor Mittag aufbrechen muss. Es gibt zwei Trips, die man definitiv machen sollte. Zum einen mit dem Sessellift hinauf in die Berge, und zum anderen mit dem Fahrrad den Erhai See und die Dörfer nördlich von Dali erkunden. Hier gibt es einige richtige Juwelen zu entdecken, was man wiederum bei oberflächlicher Betrachtung eines Kurzaufenthalts oder wenn man nur auf dem Highway mit dem Bus durchfährt nie ahnen würde, denn die Gegend ist leider inzwischen teilweise unästhetisch zersiedelt, ein weiterer Grund warum ich von Dali anfangs nicht viel hielt. Nichts bereitet einen auf die herrlichen Seeblicke und die duftenden Pinienwälder beim Aufstieg mit dem Sessellift vor, ebenso wenig auf den wunderbaren Caffè Latte im Pinehaven Café oberhalb des Zhonghe Tempels; und selbst wenn man schon oben auf dem Berg ist, würde man nicht annehmen, dass es hier so einen herrlichen Spazierweg in das Seitental des Tao Creek gibt, mit spektakulären Ausblicken hinter jeder Biegung. Ebensowenig würde man annehmen, dass es nur wenige hundert Meter abseits des unattraktiven Highways ein altes Dorf wie Xizhou gibt, in dem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint, wo antike Rikschas die engen Gassen navigieren und Ochsen die Felder pflügen. Oder dass man im International Youth Hostel bei der Marina für 50Y auch ohne englische Speisekarte ein fünfgängiges Festmahl für 3 Personen serviert bekommt, meine beste Mahlzeit in China. Ganz zu schweigen von den Ausblicken über die Reisfelder und den Erhai See im warmen Nachmittagslicht auf der Rückfahrt nach Dali.
Selbstverständlich hätte ich das alles vermutlich nicht so genossen, wenn ich im Hostel nicht andere Traveller kennengelernt hätte, die diese Erlebnisse ebenfalls zu schätzen schienen, echte Traveller, keine notcoolen Möchtegernbackpacker, wie man sie in Südostasien so häufig trifft. Leute mit denen man bis spät in die Nacht hinein an der Bar abhängen kann, aber die diese Tätigkeit nicht als raison d'etre ihrer Reise sehen, sondern eine gute Balance zwischen Relaxen und dem Sammeln von tatsächlich länder- und umweltspezifischen Reiseerlebnissen halten. Auch dafür war das Jade Emu perfekt. Abgesehen davon sind Dave und Song die wohl angenehmsten Gastgeber, die man sich vorstellen kann, die Zimmer, selbst die Dorms boten Hotelstandard zu Hostelpreisen, alle en suite mit breiten, bequemen Betten, Sauberkeit wie sie in China sonst wohl nur in Luxushotels zu finden ist, und zahlreichen kostenlosen Extras wie Handtücher, Shampoo, Internet, Pool... und alles in brandneuem Zustand, da das Hostel erst vor gut einem Monat eröffnet wurde. Absolut fair auch, dass ich wann immer der Dorm ausgebucht war, ohne Aufpreis, einfach in ein Double oder Twin Share umquartiert und so fuer 30Y in einem komfortablen Hotelzimmer übernachten konnte.
Zu den Leuten, die ich hier traf gehörten unter anderem Nick, Engländer und selbst ernannter Anarchist, der gerade aus Nordkorea zurückgekommen war, Thomas, ein Schweizer, der bereits 175 Länder bereist hatte, Jess, eine trinkfeste Australierin, die Überland auf dem Weg nach Europa und ein wandelndes Musiklexikon war, und Sarah, eine koffeinabhängige Deutsch-Iranerin mit der ich ausschließlich Englisch sprach und die schon seit anderthalb Jahren unterwegs ist... so etwas nenne ich interessante Gesellschaft.
Wie Lijiang und Shangri-La ist auch Dali kein Gourmetparadies, aber es gibt eine Vielzahl netter Travellercafés und das Preisniveau ist im Allgemeinen niedriger. Bei gutem Wetter ist die Veranda des Cafe de Jack ein guter Ort abzuhängen. Das Essen ist durchschnittlich, aber günstig und die Bergblicke sind schön. Das Lost Angel wurde aufgrund der herzlichen Besitzer mein Stammlokal in Dali, die JiaoZi waren lecker, ebenso die Yoghurt Shakes, und jeder Tisch hat einen Laptop zur freien Verfügung. Das Good Panda, ein einfaches Lokal, das als bestes chinesisches Restaurant der Stadt gilt, überzeugte mich jedoch weniger.
Dalis ultimative Bar für (sehr) lange Nächte ist das Bad Monkey. Gemanagt von langhaarigen Potheads aus England würde man diese charmant abgefuckte, Bohème Kneipe eher in Berlin oder Prag erwarten als in China, aber es ist bequem, gesellig, laut, mit fiesen Absinth Shots wie Head Fuck oder Brain Haemorrhaege und den besten Pizzas der Stadt.





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