Auf der heißen Salzpfanne


Advertisement
Tunisia's flag
Africa » Tunisia » Tozeur
April 12th 2013
Published: June 13th 2013
Edit Blog Post

Total Distance: 0 miles / 0 kmMouse: 0,0

Durch das Chott el Djerid

Für das Erzeugen von Beklemmungsgefühlen empfiehlt sich das Nachfahren der mittleren Etappe im Modus "Satellit" auf höchster Zoomstufe!


Nicht jede Autovermietung hält das was sie verspricht!
Für den heutigen Tag hatten wir einiges geplant. Ein Ritt durch das Chott el Djerid, die größte Salzpfanne der Sahara. Und ein Ritt auf einem Kamel, dem größten lebenden Verkehrsmittel der Sahara. . Das Chott ist letztlich nichts anderes als eine große, in geologischen Zeiträumen auch mal überschwemmte Senke, die nun schon seit vielen Tausend Jahren die salzigen Sedimentauswaschungen der ganzen Umgebung auffängt. In feuchten Wintern kann hier auch mal eine Weile das Wasser stehen. Doch es dauert meist nicht lang, bis die glühende Sonne auch den letzten Tümpel wieder in eine Kruste aus salziger Schlacke verwandelt hat. Und da wollten wir nun durch.

Dazu brauchten wir allerdings ein Auto und jemanden, der freiwillig am tunesischen Straßenverkehr teilnimmt. Es fahren zwar auch Busse und Louages von Tozeur nach Kebili und Douz, unserem Etappenziel mit den stark touristischen Kamelritt-Abfertigungscamps am Rand der „richtigen“ Sandwüste. Doch die kämen nicht im Traum darauf, mitten im Chott anzuhalten, um sich von Hitze, Leere und Fata Morganas den Seelenfrieden rauben zu lassen. Also machten wir uns nach einem etwas einsamen Frühstück im Niffer zu Fuß

Wann ist es unhöflich, nicht zu hupen?
auf die Suche nach einer Autovermietung. Am Flughafen (ja, Tozeur hat einen Flufhafen!) sind wohl ein paar weltweite Unternehmen ansässig. Aber zum einen sind die einheimischen Unternehmen um die Hälfte billiger und zum anderen habe ich noch nie ein Flugzeug über Tozeur gesehen. Mehr noch: Die zwei Boeing 747 Maschinen, die demonstrativ neben dem kleinen Tower stehen, entpuppen sich bei genauem Hinsehen als ausgeschlachtete, rostige Kulissen!


Was fährt man hier so?



In Umgebung der „Zone Touristique“ (dem Hotelviertel, das wir gänzlich aussparten) gibt es mehrere Vermietungen für Quads, Buggys und andere Vehikel. In der ersten hatten wir kein Glück. „Alle Autos sind ausgebucht und unterwegs!“ Hm. Wenn das mal keine Notlüge war, um die eigenen Werbeposter zu rechtfertigen, auf denen alle Arten von Fahrzeugen durch die Wüste peitschten. Bei der zweiten Station hatten wir mehr Glück. Hier gab es genau ein Auto. Und das stand: Am Flughafen! Zunächst wurde aber meine Kreditkarte mehrfach durch irgendwelche Geräte gezogen und mein völlig unleserlicher rosa Führerschein begutachtet. Scheint alles mit rechten Dingen zuzugehen! Danach wurden wir getrennt, denn ich durfte auf dem Rücken eines Quads mit einem Angestellten zum Flughafen fahren. Der Mietwagen entpuppte sich dann als passabler Fiat Punto

Steinharte Salzkruste parallel zum Straßendamm.
in der etwas unpraktischen Farbe schwarz. Nicht gerade das typische Touristenauto. Perfekt! Also zurück zur Mietstation, Julika aufsammeln und ab durch Downtown Tozeur...

...zur erstbesten Tankstelle, denn der Tank war komplett leer. Mit einem frischen Barrel Oillybia stürzten wir uns nun endgültig in das hupende südtunesische Fahrzeuggewirr und versuchten, keine Menschenleben zu fordern. Das funktionierte überraschend gut. Irgendwie fließt letztlich alles durcheinander und aneinander vorbei, begleitet von dezentem Hupen, das eine ähnliche Bedeutung zu haben scheint wie das Navigationssystem der Fledermäuse. Und so passierten wir unbeschadet einen Ort nach dem anderen, Tozeur, El Hamma, Degueche...rechts abbiegen Richtung Chott el Djerid, und plötzlich ist da nichts mehr.




Nichts.




Man fährt die Straße entlang, die Straße geht etwas bergab und eine Minute später ist man in einer anderen Welt. Links bleiche Ebene, rechts bleiche Ebene. Geradeaus die grobkörnige, auf einem erhöhten Damm verlaufende Asphaltstraße, die in der flirrenden Hitze schon nach ein paar hundert Metern nahtlos in Luftspiegelungen übergeht. In der Luft schwebt ein kleiner Lastwagen, der irgendwann mal Gegenverkehr sein wird. Am schwer auszumachenden Horizont spiegelt sich irgendwas, das irgendwo weiter hinten ist. Mit Bildern aus der „Mad Max“ Filmreihe im Kopf senkt sich

Eine Latte Macchiato to go und ein Käseknurpsi bittesehr!
der Fuß unweigerlich auf das Gaspedal. Der Temperaturanzeiger des Motors wurde wohl festgeleimt, denn er bleibt den gesamten Tag auf der Parkposition. Vielleicht besser so.

Die Vorstellung einer Autopanne in dieser glühenden Salzpfanne assoziiert der gepuderte Multifunktions-Europäer, zum dem wir uns letztlich wohl auch irgendwie zählen müssen, unweigerlich mit ausgeblichenen Schädeln und einer Expedition, die Jahre später unsere Kleiderreste analysiert. Derlei Gedanken bereut man allerdings schnell wieder, wenn man etwa die Mitte des Chotts erreicht hat. Dort gibt es neben einer Saline zur Auftrennung und Förderung der Salzvorkommen auch mehrere „Cafes“ und Verkaufsstände am Straßenrand. Trotz zahlreicher dekorativer Kamelskulpturen aus Salzschlacke, extra hierher transportierter Bootswracks und aufgeschütteter Aussichtshügel haben wir uns nicht getraut anzuhalten. In unserer Vorstellung waren die teils halbverfallenen Verschläge aus Holz und Palmenstämmen in dieser trostlosen Einsamkeit entweder verflucht oder von Menschen behaust, die zu allem bereit waren, um diesen Ort verlassen zu können. Eine trügerische Fata Morgana, die einen ins Verderben lockt? Vielleicht existierten diese Hütten schon zu Zeiten der Karawanen, als Mensch und Kamel diese Landschaft zu Fuß durchqueren mussten, um aus der Sandwüste möglichst direkt in das Landesinnere zu gelangen. Damals gab es keine Straße; die wurde samt Damm erst von der französischen

Unter der Kruste wachsen die verschiedensten Salzkristalle.
Kolonialverwaltung ins Leben gerufen. Davor wiesen viele Jahrunderte lang in den Salzsand gesteckte Palmwedel den richtigen Weg. Und wir machen uns Sorgen um den Temperaturanzeiger in unserem obszönen 60PS-Cyborg-Geschoss...


Zurück in die Welt



Wortkarg starrten wir weitere 30 Minuten in die vorbei rasende Unwahrscheinlichkeit und wachten erst am anderen Ende wieder auf. Plötzlich stehen einzelne Palmen in erreichbarer Ferne, Kamele säumen den Straßendamm, die bleich braune Ebene wird zu gelbem Sand und die Straße steigt wieder an. Sogar einzelne Wassertümpel mit entsprechender Vegetation zeigen sich am Verbindungsdamm! Unerwartet aber nicht unerklärlich, so nah am Meeresspiegel. Als Durstlöscher allerdings kaum zu empfehlen. Südlich vom Chott wartet ein letzter grüner Gürtel vor der großen Wüste. Zahlreiche Oasenplantagen reihen sich beinahe nahtlos aneinander. Für die Dattelproduktion werden fossile Grundwasserkörper im großen Stil angebohrt. Der Salzgehalt im Boden stieg über die Jahre bereits messbar an, auch aufgrund undurchdachter Bewässerungstechniken (wie die Analysen einer Fahrradexkursion Erlanger Geographen im Jahr 2005 ergaben). In absehbarer Zeit wird sich die Region vermutlich etwas Neues ausdenken müssen. Das Städchen Douz dagegen hat mit seiner langen Tradition als Tourismus-Magnet längst ein lukrativeres Geschäftsmodell eröffnet. Und von diesem wollten wir uns nun endgültig nach Strich und Faden die

Die Kamele weisen den Weg zurück in die Zivilisation.
Taschen leeren lassen.


Additional photos below
Photos: 9, Displayed: 9


Advertisement



Wie sie sehen, sehen sie nichts.


Ein kleiner schwarzer Punkt im Nirgendwo.


Eine vergnügliche Landpartie - aus Sicht der Grundschüler in Tozeur.


Tot: 0.092s; Tpl: 0.015s; cc: 10; qc: 30; dbt: 0.0372s; 1; m:domysql w:travelblog (10.17.0.13); sld: 1; ; mem: 1.1mb