Misahuallí (cerca de...)


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South America » Ecuador
November 5th 2009
Published: November 5th 2009
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Fundación Curiquingue


05.11.2009
13:20

Praktikumstag 4

Die erste Woche meines Praktikums ist noch nicht ganz vorbei, doch schon bemerke ich, dass mich die Zeit hier praegen wird:
In Deutschland lebe ich im Luxus. Das ist zwar keine neue Erkenntnis, aber bereits nach dieser kurzen Zeit keine rein theoretische mehr.
Was einem zu Hause alles normal vorkommt, was man alles gedankenlos hinnimmt - die staendige Verfuegbarkeit von sauberem Wasser zum Beispiel, Licht, Strom, Klospuelungen, Kanalisation, Muellabfuhr - die Liste koennte noch seitenweise fortgefuehrt werden.
Zur Zeit herrscht hier eine fuer diese Gegend sehr unuebliche Phase der Trockenheit, und da die Station ihr Wasser allein ueber den Niederschlag bezieht, ist das Wasser knapp, und ich lerne, viel bewusster und sparsamer mit dem kostbaren Gut umzugehen, eine Verhaltensaenderung, die ich in Deutschland hoffentlich zumindest im Ansatz beibehalte.

Als ich letzten Sonntag hier ankam, ahnte ich, dass ich hier an meine Grenzen stossen wuerde. Die Station besteht aus mehreren einfachen Holzhuetten, eine davon ist die Kueche, vier die Unterkuenfte (cabañas) fuer uns Praktikanten und die Koechin. In dem einzigen Betonbau ist die oficina untergebracht, hier gibt es Strom und einen PC, zudem stehen noch zwei Gebaeude leer, in denen eine Lehrausstellung zum Thema Oekologie des Regenwaldes entstehen soll, die in Arbeit ist.
Toiletten und Dusche bestehen aus halboffenen Verschlaegen.
Was mir als ausgesprochenes Draussen-Kind gefaellt ist, dass das Leben fast komplett unter freiem Himmel stattfindet. Essen, Arbeiten, Freizeit, Duschen, Zaehneputzen, Pinkeln: alles „outdoor“ mit Blick in das satte Gruen des feuchttropischen Tiefland-Regenwaldes, der uns auf allen Seiten umgibt. Das mag einem Europaeer zeitweise wildromantisch, zeitweise laestig vorkommen: wildromantisch zum Beispiel das die wasserzehrende Dusche ersparende Bad im klaren und erfrischenden Schwarzwasserfluss nach einem Arbeitstag in schweisstreibendem Klima, laestig dagegen der Toilettengang nach dem fruehen Einbruch der Dunkelheit: bewaffnet mit Taschenlampe und Regenjacke an den Rand der Station stapfen (moeglichst laut, um verirrte Schlangen zu verscheuchen), mit dem Eimer Wasser zum Nachspuelen aus der Regentonne holen, moeglichst ohne in die Strasse der Blattschneiderameisen zu treten, und anschliessend zum Haendewaschen in Richtung Dusche zurueck.
Nach meiner Ankunft am Sonntag fragte ich mich, wie ich mich wohl fuehlen werde hier. Mit zwei anderen frisch eingetroffenen Praktikanten hockten wir etwas ratlos in der am Wochenende leeren Station, niemand, der uns willkommen hiess, keine Menschenseele in der Umgebung, dafuer eine Schlange auf dem Klo, eine Vogelspinne unter dem Dach und ein Konzert unzaehliger unbekannter Insekten um uns herum.
Schliesslich entschlossen wir uns, in das ueber einen halbstuendigen Fussmarsch erreichbare Nachbardorf Misahuallí aufzubrechen, um etwas zu essen und eine schlangenfreie Toilette zu benutzen. Dort trafen wir zufaellig auf den Leiter der Fundación, der sich auf ein Bier zu uns setzte, und als wir zurueckkehrten, war die Schlange verschwunden und die Koechin nebst zweier dienstaelterer Praktikantinnen wieder aufgetaucht.

Waehrend der folgenden Tage lebte ich mich zu meinem eigenen Erstaunen recht schnell ein. Ich koennte mir ein ganzes Leben in den feuchten Tropen nicht vorstellen, und ich gebe zu, dass ich es gern hygienisch, bequem und vergleichsweise komfortabel habe. Aber ich merke auch, dass ich bereit bin, mich auf die begrenzte Zeit von sechs Wochen auf diese Lebensweise einzulassen, auch wenn ich sie zwischendurch bestimmt verfluchen werde. Tatsaechlich fehlt es uns an nichts essentiellem: wir werden mit Trinkwasser und dreimal taeglich mit ausreichend Essen versorgt, haben Blech- oder Palmwedeldaecher ueber dem Kopf, und an Tagen wie diesem, an denen unser Mann vor Ort - Robby - den Internetstick aus Tena mitbringt, sogar eine holprige Verbindung zur virtuellen Welt.
Dschungel mit einfachsten Wohnverhaeltnissen, aber mit Handyempfang und Internet - skurril. Vielleicht ist es mein ausgepraegter Sinn fuer skurrile Situationen, der dafuer sorgt, dass ich mich relativ schnell hier einfinde. Aber das Wissen darum, dass diese Lebensweise fuer die Einheimischen weder skurril noch wildromantisch ist und auch keinen kurzen Ausbruch aus dem Luxus sondern die Normalitaet darstellt, erweckt in mir zugleich eine neue Sensibilitaet fuer das Leben in einem Entwicklungsland und eine Art verschaemter Dankbarkeit, mit voellig anderen, kaum vergleichbaren Moeglichkeiten aufgewachsen zu sein und im Februar mit einem erweiterten Blickwinkel nach Deutschland zurueckkehren zu koennen.


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5th November 2009

Welcome to the jungle
Dear Alexandra, It sounds like you get a full taste of living rough at your station. I hope you will enjoy it and not get too bored, something I fear can be quite common in these situations. I am sorry to hear that the Latino men won't let you alone or talk to you in a civilized way. At least you are not blonde! I had my interview last week. I got the impression it went rather well. Now I am waiting for the response, next week they will tell me if I made it to the second and final round of interviews when they will talk to only two candidates. I try to focus on writing but I must admit it is hard. I would love it if you could send some of that tropical heat to us here. Since I came back from Sweden Berlin has been a constant grey, rainy experience. No sight of the sun and the only change was a short downfall of snow mixed rain, that melted upon impact. In short you are not missing anything here. A letter arrived for you, I am pretty sure it is your Lohnsteuerkarte 2010 (I got the same and as it is yellow it is easy to recognize). I have not opened it but let me know if I should send it somewhere. Grusse, -Lars ps. U2 gave a free concert in front of the Brandenburger Tor today but I did not make it to get tickets...
7th November 2009

danke für deine Berichte
Hi Alex, ist schön, was von dir zu lesen, wie es dir da drüben so ergeht. Das mit den Latinos und ihren Blicken, Sprüchen und Fingern war dir ja vom letzten und vorletzten Mal sicherlich noch in Erinnerung (ich hoffe, du bestellst mittlerweile keine Cola mehr *fg*). Ich hoffe, dir macht dein Praktikum Spass und die Wochenenden sind nicht zu öde. Bei uns sieht es momentan so aus, daß Tina ihr Vet-Studium aufgenommen hat und ziemlich unter der Anfangsbelastung ächzt (Mo-Mi jeweils zehn Stunden Uni ohne bzw mit kurzer Mittagspause, dafür Do und Fr für eine Stunde Vorlesung um acht reinfahren und ein rollierendes Praktikum, das im ungünstigen Fall erst um fünfzehn Uhr anfängt. Ich verbringe nur noch die Wochenenden zu Hause, da die Pendelei zum Job zu heftig (und auch zu teuer) ist und ich mich daher dort eingemietet habe. Daher bin ich auch nur an den WE online und freue mich, wenn es wieder etwas Neues von dir zu lesen gibt. Liebe Grüße, Tom

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