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Servus Amigos!
Nach zwei Wochen wirds jetzt mal Zeit fuer ein Lebenszeichen meinerseits.
Die Details der Odysee Muenchen - Limadreckcity erspar ich euch. Fakt ist, dass ich nach anregenden Gespraechen mit Schiggimiggi-Golftouristen auf dem Weg nach Tampa, dann Fachsimpelei ueber die Zucht von Longhornrindern im mittleren Westen, einer sehr kurzen Nacht in Lima, einer weiteren Odysee im Taxi durch das absolut verstopfte und kontaminierte Lima, mehreren verpassten Bussen und einer abschliesenden (sorry, hier gibts kein scharfes S) Nachtfahrt im vollgefurzten Ueberlandbus letztendlich in Huaraz, quasi direkt vor der Cordillera Blanca angekommen bin.
Die ersten Tage habe ich damit verbracht, mein Kontingent an dreckigen Ausdruecken in Quechua aufzufrischen, gut zu essen und mehrere Kaesten Bier mit einem total gestoerten Franzosen (1,60m, grosse Nase - Napoleon) zu vernichten. Abgesehen davon haben die gut 3000 Meter ueber Meereshoehe gleich mal gut reingehauen.
Nachdem Phase eins der Akklimatisation also gut ueberstanden waren sind wir mit ein paar Leuten zu einer Zweitagestour zur wirklich schoenen Laguna Churup aufgebrochen. Sehr seltsam, wenn man in Turnschuhen fast bis auf Hoehe des Mont Blancs hatschen kann. Zuerst durch immer noch total gruene, saftige "Almwiesen" voller Schweine, Kuehe und Indigenakinder, die Caramelitos von den Gringos wollen, dann durch
Moraenen und gigantische Granitboulder. Im Schneesturm bin ich noch moeglichst weit hochgerannt, um noch ein paar Meter gut zu machen. Danach eine eher unruhige Nacht auf immerhin doch 4400 Metern und schon laeuft das wie geschmiert mit der Akklimatisation.
Wie auch immer, per Zettelaushang hab ich echt schnell einen netten Typen kennengelernt, der auch Partner fuer die Berge sucht. Tyler from Alaska. Student der Politik und Gechichte, Philosoph, kommerzieller Heilbuttfischer und wirklich angenehmer Ami.
Die Plaene sind schnell geschmiedet, ein paar Flaschen Bier geleert und schon finden wir uns dabei wieder, Essen & Benzin fuer eine gute Woche und viel zu viel Equipment inklusive Doppelseil, Helme, zwei Eisgeraete pro Mann usw. irgendwie in unseren viel zu kleinen Rucksaecken verstauen zu versuchen.
Nachdem wir noch einige fluechtige Hostal-Bekanntschaften, die noch nie vorher Bergsteigen waren, davon ueberzeugt haben, dass es vielleicht nicht die allercleverste Idee ist, sich einfach an uns dranzuhaengen, um auch mal einen Berg zu besteigen, starten wir Montag morgen schliesslich in einem abgefuckten, klapprigen Taxi Richtung Quebrada Ishinca. 15 Kilometer dauern hier ueber eine Stunde, die Strasse besteht aus Loechern, Dreck und halbwilden Schweinen und im Radio funzt eine Mischung aus Salsa und Stoergeraeusch. Der letzte Rest an Federung
wird gnadenlos verheizt, unser Taxista kassiert gluecklich seine 30 Soles und wir stehen mit sauschweren Rucksaecken irgendwo in der Pampa.
Die Wanderung bis hinter ins Tal ist zwar landschaftlich echt spektakulaer, aber dank unserer by-fair-means-Mentalitaet koennen wir das nicht wirklich geniessen. Die Campesinos wollen uns ihre Maultiere andrehen, wir entscheiden uns aber fuer die masochistische Variante (oooh man, I never hated that fucking backpack as much as now!) und schleifen das Zeug 12 Kilometer und 1000 Hoehenmeter bis zum idyllischen Talschluss, wo wir neben einem Bach unser Zeltchen aufstellen. Die Berge sind riesig und irgendwie wird mir dann doch klar, dass das alles ein bisschen groesser ist, als im Oetztal.
Abends kommt dann noch eine weitere Bekanntschafty, ein Deutscher namens Kaveh, vorbei, mit zwei Damen und ein paar Burros, die das Zeug schleppen. Wir geniessen unsere Instantnudeln (Geschmack Huehnchen)und geben uns den phaenomenalen Sonnenuntergang. Eine der Damen, Silvia from Texas will auch Bergsteigen. Schon mal Steigeisen Benutzt...Nein, in Texas gibts keinen Schnee. Na super.
Am naechsten Morgen um vier starten wir auf jeden Fall zum Urus Este, einem der einfacheren 5000er hier. Das Girl from Texas ist arschlangsam und kommt mit Steigeisen und Eisgeraet nicht so wirklich klar. Wir klettern
versehentlich eine kleine Variante zum Normalweg, was das ganze wesentlich anregender macht und kommen zwar spaet aber ohne Probleme am Gipfel an, wo wir uns ein bisschen sonnen und dann wieder runter rennen, um an unserem Strand im Gletscherwasser ordentlich die Kimme durchzuspuelen. Und dann Instantnudeln. Geschmack Oriental, aber ist eigentlich wurscht, weil schmeckt sowieso alles gleich.
Die naechsten zwei Tage versuchen wir uns am Nevado Ishinca, einem weiteren leichteren Berg, aber ein Haufen Neuschnee, das Girl from Texas und matschige Schneebruecken lassen uns vor dem Gipfel umdrehen, was aber nicht wirklich schlimm ist.
Mehrere Kilo Instantnudeln spaeter verlassen uns die Damen schliesslich am Freitag und es wird Zeit fuer ein bisschen Machogehabe.
Freitag Abend stehen unsere zwei Zelte auf 5200 Meter auf dem Gletscher, vor uns nur gigantische Eisberge. Wir haben Durst und Hunger. Paradoxerweise liegt zwar ueberall Wasser in gefrorener Form rum, aber um es trinken zu koennen muss man es halt auch schmelzen. Bloed. Der Kocher laeuft ununterbrochen, und fuer einen Liter brauchen wir ein halbe Stunde. Das Wasser schmeckt nach der angebrannten Kurbissuppe und die Kuerbissuppe nach angebrannten Instantnudeln. Lecker.
Dann faengt es an zu stuermen. Wir liegen in den Schlafsaecken und checken, dass es erstmal
nix wird mit unserem Ziel, dem Tocclaraju. Wenn wir die Zelte verlassen wuerden, wuerde einfach alles wegfliegen. Dementsprechend verbringen wir den Samstag damit, in feuchten Schlafsaecken auf besseres Wetter zu hoffen, uns zu Tode zu langweilen und uns in einem Radius von maximal 10qm zum Pinkeln zu bewegen oder den Kocher zu hueten.
Dann endlich: Sonntag Nacht.
00:00
Zapfenstreich. Windig, saukalt aber relativ klar. Das Fruehstueck besteht aus lecker Haferschleim mit Trockenfruechten und einem zarten Beigeschmack nach Kurbissuppe.
1:30
Wir starten auf dem Gletscher. Unsere funzeligen Stirnlampen zittern sich zwischen Spalten und Seracs durch, der Schnee ist knietief und wir erreichen bald steileres Gelaende. Das wird bald arschsteil, aber wegen der Spalten gehen wir simultan an einem Seil. Besser nicht fallen. Wir haben alle Klamotten an und der Spindrift (zu Neuhochdeutsch: vom Wind verfrachteter Pulverschnee) setzt sich ueberall fest.
3:30
Wir erreichen den Grat, wo sich die Neigung wieder legt und es gemuetlicher wird. Es gibt gefrorenes Snickers und Wasser mit Kurbissuppengeschmack. Wir gehen weiter und der Tyler speit die guten Kalorien wieder aus.
6:30
Wir erreichen die "Headwall", an der Gipfelpyramide. Die Sonne ist inzwischen auch da, so dass Zehen und Finger wieder auftauen. Wir
klettern ein paar Seillaengen steilen Schnee und Eis, um einen Grat herum. Wie gigantische Schusserbahnen ziehen Schneerinnen ins Nix. Richtig viel Luft unter den Eiern. Hauahauahaua.
8:30
Wir hatschen die letzten paar Meter zum Gipfel. Einfach ein grosser Schneepilz. 6032 Meter ueber jeder gemuetlichen Pizzeria an der Adria. Wir fuehlen uns ziemlich funky wegen der Hoehe, schiessen Fotos von dem grandiosen Panorama und versuchen ein weiteres gefrorenes Snickers runterzuwuergen, ohne sich dabei Zaehne auszubeissen. Anschliessend fangen wir an, den Gipfel abkletternd und abseilend wieder zu verlassen.
10:00
Wir versuchen den leichtesten Weg ueber den Grat abzusteigen. Leider endet jeder Versuch entweder vor Seracs, Eisabbruechen oder riesigen Spalten.
12:15
Tyler taucht das erste Mal in eine Spalte ab. Wir halten ihn zum Glueck problemlos und er prusikt raus. Wir stellen fest, dass wir nicht weiterkommen und wieder zu unseren Aufstiegsspuren zurueck muessen, um vom Gletscher runterzukommen. Schoene Scheisse.
12:20
Tyler fliegt nochmal in die gleiche Spalte. Ich hab zum Glueck schon einen guten Anker gebaut. Er kommt wieder aus der Spalte. "Fuckfuckfuckfuckfuck". Er will biwakieren und bis nachts warten, dass der Schnee wieder besser wird. Wir sind nicht wirklich einverstanden. Als guter Sonderpaedagoge kann ich ihn beruhigen
und wir gehen zu unseren Aufstiegsspuren zurueck. Ueber ein paar Spalten, die wir abwaerts uebersprungen haben kriechen wir rueber.
13:30
Wir finden unsere Spuren zum Glueck ohne Probleme wieder. Es faengt an zu schneien. Wir steigen durch das steile Gelaende ab. Tyler ist nur noch ein Schatten seiner selbst und unsere Akkus leeren sich zusehend. Wir stecken in einer Wolke.
15:00
Wie die Zombies torkeln wir zu unseren Zelten, schmeissen die Rucksaecke in den Schnee und kriechen in die Schlafsaecke.
17:00
Es gibt das letzte Abendessen: Lecker Crema de Champignon und Instant-Kartoffelbrei. Dann machen wir Heiapuh und sind saufroh, in unseren stinkigen Schlafsaecken zu liegen. Es faengt wieder an zu stuermen wie bloed.
Nach 8 Tagen sind wir wieder in Huaraz, haben stundenlang geduscht und sind nur mit Essen und Trinken beschaeftigt. Soviel zur momentanen Lage, ich geh jetzt naemlich was essen.
Ich hoffe euch gehts gut und ihr geniesst den Sommer. Urlaub macht richtig Spass!
Ich meld mich in Baelde.
Servus.
Flo.
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Matthias
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Ich bestell zweimal die gebundene Fassung!
HEy Florian! Sehr geil. Weiter schtreiben! Sowas liest der Matthias gerne! Du musst natürlich wieder die Mördertouren in den Bergen laufen, während meinereiner in Rosenheim drei Monate die Füsse auf die Coach streckt. Eine wichtige Frage beschäftigt mich jedoch: WO habt ihr das Schäufala gegessen? Sieht leggerschmegga aus und ich würd da gern mal mit der Andrea hin! Viele Grüße in die Ferne! Matthias