Unverhofft kommt oft...


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Published: August 17th 2009
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1: Taxifahrt von San Gabriel nach Villa Tunari 50 secs

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Cochabamba - San Benito - Sanandita - … und irgendwann wieder Cochabamba

Ich entscheide ziemlich spontan, gleich nach meiner Rückkehr aus Argentinien wieder in die Comunidad zu reisen. Am Sonntagmorgen mach ich mich mit einem Franzosen, Vincente und 2 Polen, Kate und Athur, die 10 Tage bleiben wollen, auf nach Sanandita.

Die Reise ist diesmal ein bisschen ein unsicheres Projekt, da es seit 2 oder 3 Wochen keinen Kontakt mit Juanito in Sanandita gegeben hat und niemand in der Comunidad weiß, dass wir einreisen wollen. Alan meint, es ist kein Problem, da wir am Sonntag hinfahren, da ist Markt in San Gabriel und wir werden sicher irgendjemanden aus Sanandita dort treffen.
Als wir nach 6 Stunden im Bus in San Gabriel ankommen stellt sich heraus, dass blöderweise genau an diesem Tag niemand aus Sanandita zum Markt gefahren ist. Ich versuche, die Touristen bei Laune zu halten, Delphine (die zum Glück genau wegen diesem Problem mitgekommen ist) versucht mit der Nachbargemeinde San Benito, die auch gerade mit dem Tourismusprojekt begonnen haben, eine Lösung zu finden. Nach 2,5 h warten beschließen wir dann, vorerst nach San Benito zu reisen, dort in der Touristencabaña zu schlafen und am nächsten Tag mit unserem ganzen Gepäck eine Stunde nach Sanandita zu wandern. Wir können das Tourismusprojekt leider nicht in San Benito machen, da die Gemeinde am folgenden Tag den 14. (oder 19. - mit Zahlen haben sie es ja nicht so…) Geburtstag der Comunidad feiern - und wie ich es bereits von Sanandita kenne, wird dann verdammt viel getrunken - kein schöner Anblick für Touristen. Die machen ohnehin schon spitze Bemerkungen, als sie sehen, wie viele Dosen Bier die Gemeindemitglieder in ihre wackeligen Kanus hieven.

San Benito hatte bis jetzt einmal Besuch von Touristen - da sie gerade erst anfangen sind sie noch ziemlich gut organisiert - die Cabaña ist doppelt so groß wie die in Sanandita und sie haben sogar ein eigenes Klohäuschen mit Plumpsklo gebaut - ich bin schwer fasziniert angesichts dieses Luxus.
Wir werden von der Familie von Doña Theresa betreut, sie ist die Hauptverantwortliche im Tourismusprojekt von San Benito. Sie ist 32, hat bereits 6 Kinder und scheint alles sehr gut im Griff zu haben. Ihr Mann Don Estelio ist recht ruhig, hat ein kürzeres Bein und humpelt so vor sich hin, ist aber sehr nett, kann sich noch an meinen Namen erinnern, obwohl ich ihn erst einmal gesehen habe und nennt mich immer Clarita. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass er vor 2 oder 3 Wochen im Suff seine Frau so verprügelt hat, dass sie nach San Gabriel ins Krankenhaus zum Nähen musste…aber man sieht immer noch ein bisschen etwas von der Wunde an ihrer Lippe…

Die Beiden laden uns ein, am Abend bei einer kleinen Fiesta teilzunehmen, die sie anlässlich des Geburtstages der Comunidad veranstalten. Es ist echt unglaublich, wie unkompliziert die Leute hier sind. Wir sitzen in einer Cabaña, rund um ein Lagerfeuer, Doña Theresas jüngstes Kind (1,5 Jahre) schläft seelenruhig am Boden, die etwas älteren Kinder spielen mit Murmeln und springen über das Lagerfeuer und die Erwachsenen zünden Knaller an. Irgendwann bringt jemand einen Kübel mit Chicha und die Fiesta beginnt. Jeder bekommt einen Becher mit Chicha in die Hand gedrückt, anschließend muss man den gesamten Inhalt auf den Boden schütten…rund ums Lagerfeuer und eine Opfergabe herum (es ist hier oft so, beim Essen und Trinken, dass der erste Bissen oder erste Schluck auf den Boden geschüttet wird um ihn der Pachamama zu opfern - aber so extrem hab ichs noch nie gesehn) und wünscht sich alles Mögliche - Gesundheit, Friede, gute Fußballspieler, etc. Wir verschütten mindestens den halben Kübel - aber besser, die Pachamama fasst einen ordentlichen Rausch aus, als die Leute hier. Anschließend wird die Opfergabe verbrannt und wir sitzen rund ums Lagerfeuer um weiter Chicha zu verschütten, diesmal trinken wir aber auch ein bisschen. Ich unterhalte mich mit Don Estilo, irgendwie hab ich ein ganz seltsames Gefühl, mit ihm hier Chicha zu trinken…aber er ist echt nett, fragt mich viel und erzählt mir viel von ihrer Kultur und ihrer Motivation bezüglich des Tourismus.

Am nächsten Morgen machen wir uns auf nach Sanandita. 2 Männer aus San Benito begleiten uns, alleine hätten wir den Weg nicht gefunden. In Sanandita sind alle ziemlich überrascht, dass wir plötzlich so mir nichts dir nichts da stehn. Wir warten erstmal ewig, bis Juanito vom Fischen zurück kommt, dann warten wir wieder, bis er eine Familie für die Polen gefunden hat und irgendwann um 3 Uhr nachmittags gehen ich mit den Polen und Don Luzio (unser Guide für die nächsten Tage) fischen und Vincente macht das Hardcore-Dschungel-Programm mit Juanito und Valeria - er will 2 Nächte durch den Wald streifen und dort auch schlafen…er ist wirklich witzig, ein französischer Mechaniker, der außer Si, No und Gracias kein Wort Spanisch spricht und fast kein Englisch, aber er ist top motiviert!

Die Polen (die in Kanada leben) haben bis jetzt schon ziemlich viel gejammert, ich kann mir nicht vorstellen, dass sie es echt 10 Tage hier aushalten. Aber sie sind ja ausgerüstet - haben alle möglichen Medikamente mit, einen Wasserfilter, Camping-Geschirr, eine Campingdusche, aufblasbare Matratzen zum Schlafen, Powerbars und das Beste - getrocknetes Essen, sie meinen, sie könnten sich mit Chili con Carne und Spagetti de Alfredo über Wasser halten. Außerdem haben sie fast schon die ganze Welt bereist, kennen jedes Land, die schlimmsten Transportmittel, die aggressivsten Moskitos, die größten und gefährlichsten Bäre und was weiß ich alles.

Ich muss ganz ehrlich sagen, ich hab so was von genug von diesem Backpackervolk, dass glaubt, die ganze Welt zu kennen, dementsprechend durch nichts mehr zu begeistern ist, nie zuhört sondern immer nur Monologe führt. Bis jetzt hab ich immer gedacht, Alleinreisende seien anstrengend, aber ich nehm alles zurück, Pärchen sind das Schlimmste!!! Ich kann diese sinnlosen Vergleiche mit anderen Ländern nicht mehr hören. "In Peruuuhuuuu, aber in Kanadaaa, blablabla..." Bolivien ist nicht Peru und nicht Kanada und nicht Deutschland oder Polen, Bolivien ist Bolivien und Dinge laufen hier nun mal so ab wie Dinge in Bolivien ablaufen, Punkt. Nur weil Völker in Peru oder Ghana oder wo weiß ich, gewisse Dinge auf eine andere Art und Weise regeln, heißt das noch lange nicht, dass das genau so auch in Bolivien funktioniert. Es nervt mich so unglaublich, wenn jemand meint, für alles so einfache Lösungen zu haben. Würde man sich ernsthaft mit diesem Projekt auseinandersetzen, würde man vielleicht auch die komplexe Problematik begreifen…

Die beiden Polen rauben mir mit ihrer negativen Stimmung so viel Kraft, bereits am ersten Abend könnt ich auszucken. Zudem sind sie noch extrem unfreundlich wenn wir bei der Familie von Don Luzio und Doña Margarita sind. Sie sagen nicht Bitte und Danke, nicht mal ordentlich Hallo und auf Wiedersehen und füttern das Essen, dass sie nicht mögen einfach dem Hund. Ich hab mich echt noch nie so fremd geschämt wie in diesen 3 Tagen.
Das Essen schmeckt ihnen nicht, sie ekeln sich vor allem, sind schockiert über die hygienischen Bedingungen, wenn ich dabei bin, reden sie kein Wort Spanisch mit der Familie und als Don Luzio fragt, ob sie im Fluss baden gehen wollen schreit Kate: No! Und fügt dann auf Englisch hinzu, dass sie ihre Füße sicher sich nicht in dieses dreckige Wasser halten wird.

Das schlimmste für mich ist, dass sie mit vielen ihrer Kritikpunkte recht haben, aber die Art und Weise, wie sie das Leben der Yuracarés hier verurteilen ist mir wirklich zuwider. Die beiden schaffen es nicht mal wirklich, sich 3 Tage in Sanandita zurecht zu finden und wagen es, über das Leben von Menschen zu urteilen, die ihr ganzes Leben hier ohne Elektrizität und fließendes Wasser auskommen.

Jedenfalls haben die beiden keine Lust, bei den Aktivitäten mitzumachen und beschließen, nach 3 Tagen wieder mit mir und Vincente nach Hause zu fahren.
In der letzten Nacht ist Athur mit Don Luzio unterwegs um Kaimane zu sichten (sie sehen 8 Kaimane, ein paar ganz aus der Nähe und schießen ein Jochi!) und Kate schläft zum Glück schon. Ich sitze alleine am Lagerfeuer, über mir spannt sich ein Sternenhimmel, wie ich ihn bis jetzt erst in Sanandita gesehen habe - die Sterne leuchten so klar und hell und es scheinen so unglaublich viele zu sein, ich höre Lucky Man von The Verve und weiß wieder, warum ich eigentlich so gerne hier bin…

Am nächsten Morgen machen wir uns zur Abfahrt bereit und warten nur noch darauf, dass Juanito, Valeria und Vincente aus dem Wald zurückkommen. Vincente scheint schon ziemlich geschafft und müde, erzählt aber von tollen Erlebnissen, sie haben gefischt, viele Affen gesehen und an einem Morgen haben sie neben ihrer Schlafstelle die Spuren eines Pumas entdeckt. Trotz der Euphorie scheint er nicht ganz fit, er hat, wie fast jeder Tourist, der hier her kommt, Probleme mit dem Magen.
Als er nach 30 Minuten nicht vom „Baño“ zurückkommt, machen wir uns Sorgen. Irgendwand kommt er aber doch... - dieses Bild wird ich nie vergessen:

Es ist wohl im wahrsten Sinne des Wortes alles in die Hose gegangen. Er hat nur sein Hemd an, seine schmutzige Hose in der Hand und unten herum irgendwie ein ziemlich großes grünes Blatt befestigt…

Der Ärmste hat sich bereits in der letzten Nacht im Wald übergeben und hat jetzt anscheinend den schlimmsten Durchfall, den man sich vorstellen kann…ich kann mir ehrlich gesagt nichts schlimmeres vorstellen - so weit weg von der Zivilisation, ohne Bad, ohne sauberes Wasser…der kleine Franzose sieht wirklich zum Erbarmen aus…
Die Polen stopfen ihn gleich mit Antibiotikum voll und geben ihm ihr gefiltertes Wasser zum Waschen.
Klohäußchen in San Benito...Klohäußchen in San Benito...Klohäußchen in San Benito...

...das ist Luxus pur im Vergleich zu Sanandita...
Die nächsten 2 Stunden ist er wirklich extrem arm, ich mach mir große Sorgen und will nur so schnell wie möglich nach Cochabamba um dort zu einem Arzt zu gehen - wie er die 10 Stunden in diversen Taxis und Trufis und im Kanu überstehen soll, kann ich mir gar nicht vorstellen…

Aber die Medikamente der Polen wirken anscheinende ganz gut, denn als wir nach einer Stunde Kanu Fahrt am Puerto Bolo ankommen und dort leider kein Taxi vorfinden, müssen wir 1 Stunde zu Fuß in den nächsten Ort wandern und Vincente kann sich schon wieder für Ameisenstraßen begeistern.
Ich muss ganz ehrlich sagen, sein positives Gemüt hat mir sehr geholfen, die pseudolustigen Kommentare der Polen sind mir schon so auf die Nerven gegangen, die schlechte Organisation von DELPIA und die ständig selben Probleme in Sanandita sowieso. Als wir dann echt noch über eine Stunde in der ärgsten Hitze, verfolgt von blutrünstigen Moskitos, mit unserem ganzen Gepäck wandern müssen, hab ich eine Riesenwut auf die ganze Welt und reagier mich insofern ab, als dass ich die 3 Touristen hinter mir lasse und ziemlich flott nach San Cristobal marschiere.
Auf diesem Weg entschließe ich, dass dieser Besuch mein letzter in der Comunidad war, ich hab genug von diesem unorganisierten Haufen und ehrlich gesagt hab ich wirklich keine Lust mehr, mit Leuten, die ich nicht ausstehen kann, tagelang irgendwo in der Wildnis abzuhängen und mir ihr Weltbild indoktrinieren zu lassen.
Zum Glück finde ich dann gleich jemand, der uns zu elft im Taxi nach San Gabriel bringt und von dort aus funktioniert eigentlich alles ganz gut - um halb 12 sind wir in Cochabamba und als ich die Türe meines Zimmers hinter mir schließe, habe ich große Lust, irgend ein Glas gegen die Wand zu werfen.

Am nächsten Morgen sieht aber alles wieder ganz anders aus, ich kann mich ausschlafen, red mit Alan über die Probleme der Kommunikation und befinde, dass diese Erfahrung im Großen und Ganzen für meine Diplomarbeit ziemlich hilfreich war. Am nächsten Morgen treffe ich Vincente zum Frühstück - ihm geht’s zum Glück wieder gut und er gibt mir ein lustiges Interview für meine Arbeit.

Soviel zu meinem letzten Forschungsaufenthalt in Sanandita - ich werde jetzt noch einige Interviews in Cochabamba durchführen und ansonsten meine wenigen letzten Tage hier genießen, bolivianische Pediküre, Maniküre und Massage ausprobieren.

Bis bald,

eure Clara



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die Polen...hier tun sie so, als ob sie gute Laune hätten...die Polen...hier tun sie so, als ob sie gute Laune hätten...
die Polen...hier tun sie so, als ob sie gute Laune hätten...

(Kate erinnert mich irgendwie an irgendeine Figur aus Herr der Ringe...)
Crazy Chicken...Crazy Chicken...
Crazy Chicken...

...nicht nur die Hunde, sondern auch die Hühner haben hier seltsame Krankheiten...
Vincente - schläft völlig fertig nach seinem Dschungeltrip...Vincente - schläft völlig fertig nach seinem Dschungeltrip...
Vincente - schläft völlig fertig nach seinem Dschungeltrip...

...hier hab ich noch nicht gewusst, wie schlechts ihm geht...
auf der Rueckfahrt...auf der Rueckfahrt...
auf der Rueckfahrt...

...ich glaube man sieht, wie meine Stimmung war... Hinter mir plagt sich Don Luzio ab...


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