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Published: June 25th 2009
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Sanandita 18. - 21. Juni 2009
Jetzt mach ich mich bereits zum dritten Mal auf nach El Chapare um 4 Tage in Sanandita zu verbringen. Diesmal fahr ich aber nicht als Tourist, sondern um Gespräche und Interviews mit den Gemeindemitgliedern zu führen. Wir sind zu dritt, Cynthia will sich mit dem Lehrer der Dorfschule und den Kindern unterhalten um ihr Alkoholpräventionprojekt vorbereiten zu können. Und in letzter Sekunde springt noch Adel, ein Ägypter, der in Australien lebt und für ein Jahr durch Lateinarmerika reist, auf unser Trufi auf. Ich bin ganz froh, dass auch ein Tourist mit ist, so kann ich gleich mit meinen Touristeninterviews anfangen.
Prinzipiell ist die Zeit in Sanandita extrem chillig. Wir „müssen“ nicht an den „Touristenaktivitäen“ (Fischen, Waldtracks, etc.) teilnehmen, können aber mit den anderen gemeinsam zum Fluss gehen um zu baden, oder ich fahr zum Beispiel mit Adel und seiner Familie mit zum Caiman-Schauen (wir finden wieder Babycaimane). Ansonsten häng ich viel in der Cabaña ab, schreib mein Feldtagebuch und helfe Valeria beim Kochen (da wir ja bei keiner Familie sind, haben wir kiloweise Mehl, Zucker, Salz, Öl und Gemüse von Cochabamba hier her geschleppt um gemeinsam mit Valeria und Juanito zu kochen). Juanito ist
der Hauptverantwortliche in dem Tourismusprojekt. Valeria kenn ich mittlerweile schon ganz gut, und ich hab das Gefühl, wir sind immer eine willkommene Abwechslung für sie. Sie redet auch verhältnismäßig offen mit mir, wir plaudern und ich kann sie fast alles über das Projekt fragen.
Trotzdem traue ich mich nicht, sie zu fragen, ob ich unsere Gespräche auf Band aufnehmen darf. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich hab schon ein bisschen ein schlechtes Gewissen, dass ich das Diktiergerät heimlich in meiner Hosentasche verstecke, aber das Diktiergerät am Tisch würde sie so nervös machen, dass sie mir wahrscheinlich gar nichts mehr erzählen würde. So plaudern wir ca. eine dreiviertel Stunde über alles, was sie über das Projekt weiß. Juanito hat sich gleich bereit erklärt, mit mir zu den anderen Familien zu gehen um mit den Leuten, die von Anfang an dabei waren, zu reden. Leider werden diese Pläne durch ein anders Verständnis von Zeit und eine „Fiesta“ gestört.
Als wir am Donnerstagabend in Sanandita ankommen, erfahren wir, dass ein Mädchen in der Gemeinde ihren 3. Geburtstag feiert. Das ist offensichtlich ein besonderes Fest, dem Mädchen werden die Haare ganz kurz geschnitten, es wird beschenkt (mit Geld und Bier - das ist natürlich
für die Männer) und wie es aussieht, wird dann 3 Tage durchgefeiert - bis eben das ganze Bier ausgetrunken ist.
Es ist wieder wie das letzte Mal, die Männer trinken die meiste Zeit durch. Da die neue Touristencabaña sehr nahe am Camino ist, kommen die betrunkenen Männer immer bei uns vorbei und wollen sich mit uns unterhalten. Oder als wir am Samstag um halb 8 am Morgen zu Juanitos und Valerias Hütte kommen, um zu frühstücken, sitzt die halbe Gemeinde rund ums Feuer und ist schon fleißig am Chicha trinken. Sie wollen unbedingt Fotos mit uns machen, als wir dann aber zu frühstücken beginnen, ziehen sie schön langsam ab. Juanito ist auch dementsprechende gut dabei, also verschieben sich unsere Treffpunkte immer weiter nach hinten. Irgendwann schaffen wirs dann doch, uns zu Doña Margarita aufzumachen. Wir besuchen sie in ihrer Hütte und helfen ihr beim Yuka schneiden um eine weitere Chicha zu machen. Irgendwann kommt das Gespräch auf den Tourismus (mein Diktiergerät läuft schon eine halbe Stunde undercover in meiner Hosentasche) doch Doña Margarita versteht nicht so ganz, was ich von ihr will. Ich glab, sie weiß auch recht wenig über das Projekt und sieht die Touristen als Einnahmequelle. Also beantwortet
Juanito die meisten meiner Fragen und ich hab ein zweites, sehr gutes Interview auf Band. Der nächste Gesprächstermin fällt ins Wasser, weil Don Freddy nicht aufzufinden ist und als er dann doch noch kommt, müssen wir weiter um Mittagessen zu kochen 😊 So vergeht die Zeit in Sanandita, trotzdem hab viele wichtige Informationen sammeln können, gute Gespräche geführt und bin für meine Arbeit ein ganzes Stück weiter gekommen.
Auch mit Adel kann ich mich sehr gut unterhalten, er kennt bereits ähnliche Tourismusprojekte und sieht das Ganze sehr kritisch. Besonders weil er diesmal bei einer Familie ist, die zum ersten Mal beim Turismo Dual mitmacht. Er wird dem 17-jährigen Viktor und seiner 15-jährigen Freundin Wilma, die im 2. Monat schwanger ist, zugeteilt. Wilma ist extrem jung und dementsprechend schüchtern, ich hab sie nicht mehr als „sí“ sagen hören. Viktor ist bei der „Fiesta“ live dabei und hat einen dementsprechenden Kater.
Bei unserer Rückfahrt konnte ich ein ausführliches Gespräch mit ihm über seinen Eindruck aufzeichnen. Besonders das Alkohol- sowie das Müllproblem beeinflussen den Tourismus hier negativ. Trotzdem bin ich immer noch der Meinung, dass der Tourismus als Ansatz und als Geldquelle für weitere soziale Projekte positive Auswirkungen hat. Doch da die Dimension
„Zeit“ hier eine ganz andere Bedeutung hat, durch die kulturellen Unterschiede und durch die Organisationsstruktur von DELPIA jedes Projekt und jede Initiative eine extrem lange Anlaufzeit hat, ist es sehr schwer, hier irgend etwas in Gang zu setzen.
Alan arbeitet parallel noch für ein anderes Projekt, die Volontäre, die die Organisation unterstützen sind im Schnitt nur 3 Monate hier - danach werden die Projekte nicht mehr weitergeführt und verlaufen im Sand. Somit herrscht keine Kontinuität - was wahrscheinlich das aller Wichtigste für die Gemeinde wäre.
Soviel von meiner ersten richtigen Feldforschung 😊 Trotz all der Probleme hatten wir eine schöne Zeit. Ich fühl mich wohl in der Comunidad, diesmal hab ich mich mit den Kids angefreundet, sie haben uns immer in der Cabaña besucht, um Karten zu spielen 😊 und auch mit Valeria und Juanito versteh ich mich sehr gut. Die anderen Familien kenn ich noch nicht so gut, sie sind sehr schüchtern und sehen mich natürlich als Tourist. Aber das Schlafen auf den harten Matten macht mir nichts mehr aus, auch daran, dass es kein Wasser und kein Licht gibt hab ich mich schon gewöhnt 😊
Trotzdem mache ich jetzt eine „Forschungspause“ und werde ein Monat durch
Bolivien reisen, um mir auch den Rest, dieses schönen Landes anzusehen. Im August werde ich wieder hier sein, um Sanandita einige weitere Male zu besuchen und um meine Forschung abzuschließen.
Soweit der Plan bis jetzt, next Stop: Santa Cruz - das etwas andere Bolivien 😊
saludos,
Clara
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