Willkommen im Outback: eine Geschichte Von einer weiteren Great Wall of China, der illegalen Einreise von vier Nektarinen und einem leer gefahrenen Benzintank


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March 25th 2013
Published: March 25th 2013
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Von den Grampians geht es etwa 350 km nach Norden, wo wir in Mildura, einer 30.000 Einwohner-Metropole mitten im Outback übernachten wollen. Auf dem Weg dorthin verändert sich die Vegetation langsam aber sicher von bewaldeten und bewirtschafteten Flächen in rote, spärlich bewachsene Steppe. Die Fahrt auf dem Highway ist relativ eintönig, einzige Abwechslung bieten die sehr ungewöhnlichen Straßenschilder. Eines weist dich darauf hin, dass das Umfahren einer Kuh 500$ Strafe kostet, ein anderes bittet darum, eine truthahnähnliche, stark gefährdete Spezies nicht umzufahren, die in dieser Gegend lebt und wieder andere weisen "Powernap-Areas" aus, in die die übermüdeten Truckfahrer doch bitte einfahren sollen um einen "Microsleep" zu halten. Dann folgt der vorläufige Höhepunkt in der Sammlung kurioser Straßenschilder: ein riesiges Schild mit der Aufschrift " Defend your country, be a fruit fly fighter!!". Erst lachen wir da noch drüber aber als die Schilder immer näher aufeinander folgen, verstehen wir langsam, dass die Gegend um Mildura, eine Zitrusfrucht- und Weinanbaugegend, offenbar ernsthafte Probleme mit Fruchtfliegen hat. Irgendwann folgen dann Schilder, die darauf hinweisen, dass es
Mungo NPMungo NPMungo NP

Great Wall of China...komisch, man sieht die Fliegen garnicht...
600$ Strafe kostet wenn man einen potentiellen "Fruit Fly Host", also jegliches Obst mit in die Bannmeile um Mildura bringt, und das hier die Polizei Obstkontrollen durchführt. Dann folgt eine Obstmülldeponie, also ein Parkplatz mit einer abgeschlossenen Mülltonne, wo man sein Obst entsorgen soll. Wir haben noch vier Nektarinen in unsrer Kühlbox und haben weder Lust, die zu essen, noch sie wegzuwerfen. Also reisen diese vier Nektarinen mit uns nach Mildura ein, was uns allerdings dann den ganzen Abend ein schlechtes Gewissen bereitet. Zu unserer Verteidigung ist anzumerken, dass die Nektarinen in der Fruit Fly Ban Area niemals die Kühltasche verlassen haben, und ausserdem noch in einer extra Tüte einigermaßen luftdicht verpackt waren. In Mildura checken wir auf einem schicken Campingplatz mit Pool, free Wifi und Waschmaschine ein, und nutzen alles ausgiebig, bevor wir bei einer Art Schlachter-Direktverkauf unser Abendessen in Form eines riesigen Rumpsteaks und etlicher Fleischspieße kaufen. Am nächsten Tag starten wir von Mildura in den Mungo National Park, der etwa 120 km entfernt, allerdings nur über eine 65 km lange Dirt Road zu erreichen ist. Eigentlich dürfen wir mit unserem Camper nur befestigte Straßen befahren, also heißt es, auf keinen Fall hängen bleiben oder einen Unfall bauen, sonst drohen 1250$ Strafe
Mungo NPMungo NPMungo NP

Great Wall of China
von Jucy. Die Straße ist in einem teilweise katastrophalen Zustand, und es ruckelt so sehr, dass ständig der Scheibenwischer von alleine angeht, teilweise aber auch so gut befahrbar, dass man bis zu 70 km/h geben kann. Auf der ganzen Strecke kommt uns kein einziges Auto entgegen, aber als wir einmal eine kurze Picknickpause machen und unsere Nektarinen vernichten, damit wir sie auf dem Rückweg nicht noch einmal illegal einführen müssen, rollt von hinten ein ganzer Konvoi an und fragt, ob wir Hilfe brauchen. Die Autos sind alle mit mehreren Ersatzreifen und 4WD ausgestattet und machen offenbar eine organisierte Outbacktour. Wir kommen uns ziemlich schäbig ausgestattet vor mit unserem ungefederten Camper, aber zumindest haben wir einen Ersatzreifen und einen vollen Tank!Das Highlight des Mungo Nationalpark, der zu großen Teilen aus einem trockenen See besteht, die sogenannte "Great Wall of China" ( die zweite für uns auf diesem Trip) ist schon von weitem sichtbar: eine weiße halbmondförmige Düne aus Sand und Kalkstein erhebt sich aus der roten Steppe und zieht sich scheinbar endlos bis zum Horizont. Deswegen sind wir hier. Als wir endlich ziemlich durchgeschüttelt ankommen, ist das Ganze allerdings etwas ernüchternd. Die schönen wellenförmigen Kalksteinformationen, die wir auf Bildern gesehen haben,
Camping am Darling RiverCamping am Darling RiverCamping am Darling River

...sieht idyllisch aus...
sind beeindruckend, aber recht klein und ausserdem nur von zwei Punkten des Parks zu besichtigen. Die Düne an sich darf nur mit einer Guided Tour begangen werden, und das nur von einem Punkt aus, der für uns noch einmal 50 km Fahrt auf einer Dirt Road bedeutet hätte. Ich überlege kurz, bis zum Abend zu bleiben, im Abendrot soll die Düne in wunderschönen Farben glühen. Aber bis dahin sind es noch 5 Stunden in glühender Hitze und einer komplett schattenlosen Umgebung, und von Dirt Roads haben wir wirklich genug. Ausserdem wird man, sobald man das Fahrzeug verlässt regelrecht von kleinen (Sand-)Fliegen angefallen. Sie kriechen in die Ohren, die Nase und besetzen im Dutzend jede freie Hautstelle, krabbeln unter die Sonnenbrille und schwirren dir um den Kopf. Jetzt können wir uns vorstellen, warum man eine Fruchfliegen-Bannmeile braucht. Nach etwa 10 Minuten am Viewpoint und einem kleinen Spaziergang sind wir völlig fertig mit den Nerven und so ist die Guided Tour auf der Düne keine Option mehr und wir fahren zurück in Richtung Mildura. Heute übernachten wir etwa 30 km nördlich von Mildura in einem kleinen Outback -Kaff namens Wentworth, das aus nicht mehr als 4-5 Straßenzügen besteht. Wir gehen gemütlich einkaufen, zum ersten Mal zu Fuß, und streunen etwas durch den Ort, der gegen 18 Uhr abends schon recht tot ist. Dann checken wir auf einem wirklich schönen Campingplatz direkt am Darling-River ein und wollen uns gemütlich mit den Campingstühlen an den Fluß setzen, der träge hinter unserem Stellplatz vorbeifließt. Aber sobald wir sitzen sind sie wieder da, dutzende lästige Fliegen schwirren uns um den Kopf und uns reicht es jetzt wirklich. Wir brauchen nach diesem Tag einen Drink!Im Vorbeilaufen hatten wir den Dorf-Pub gesehen und da geht es jetzt schnurstracks hin. Wir sind die einzigen Nicht-Ureinwohner von Wentworth und mit Abstand die Jüngsten in diesem Etablissement aber die Drinks sind kühl und unfassbar günstig und so sind im Handumdrehen je drei Gin Tonic bzw. Whiskey-Cola verschlungen. Und so langsam kehrt die gute Laune zurück. Der Pub ist eine witzige Mischung aus Wettbüro, Wohnzimmer und Geräteschuppen mit alten Wildererfallen, Baseballkappen und Tafeln mit Bingospielscheinen an den Wänden und wir sind uns sicher, hier eine sehr authentische Australien-Erfahrung zu machen. Am Tresen sitzen etliche Farmer zum "After Work", die meisten jenseits der 50, braungebrannt und in verschwitzten Muskelshirts: echte Outback- Kerle eben! Jeder, der zur Tür rein kommt, wird von der Bedienung mit "How are you Darling" begrüsst und bekommt ohne Bestellung ein Bier vorgesetzt. Es ist genau so , wie man sich einen Pub an einem solchen Ort vorstellt. Als wir aus dem Pub herauskommen ist es noch hell und wir trotten doch noch halbwegs mit dem Tag versöhnt zu unserem Campingplatz zurück.Am nächsten Tag haben wir eine etwas längere Fahrt in die alte Minenstadt Broken Hill vor uns und starten früh. Auf den 260 km von Wentworth nach Broken Hill gibt es nicht viel. Aber am Ortsausgang von Wentworth steht ein Schild, dass uns darauf hinweist, dass die nächste Tankstelle in einem Ort namens Coombah 140 km entfernt ist. Da wir noch einen halben Tank voll haben, fahre ich also munter drauf los. Vielleicht hätte ich hier schon etwas misstrauisch werden sollen, und nicht auf eine Tankstelle bauen sollen, die wie ein Warzenschwein aus einem Disneyfilm klingt, aber ich tat es. Nach 140 km durch halbarides Land, ohne ein einziges Zeichen menschlicher Zivilisation ( bis auf ein paar Briefkästen, die in unregelmäßigen Abständen auf die entfernte Existenz einer Farm hinweisen) also erscheint das erwähnte Coombah auf der Bildfläche. Es ist allerdings kein Ort sondern lediglich ein heruntergekommenes Gebäude am Straßenrand mit Shop, Toilettenhäusschen und einer etwas gammelig aussehenden Zapfsäule. Immernoch optimistisch, die Tanknadel steht inzwischen auf 1/4, steige ich aus um zu tanken. An der Zapfsäule hängt ein großer Zettel: "Service in Shop" - auch nichts ungewöhnliches, also Vorkasse im Shop und dann wird die Zapfsäule freigeschaltet. Als ich jedoch näher an den Shop trete, merke ich, dass neben einem von irgendwoher ziemlich wütend kläffenden Hund und uns niemand hier ist. Die Tür ist verschlossen und ein Blick in den Laden zeigt, dass auch die Regale alle leer sind, und dieser Shop inklusive Zapfsäule wohl schon eine Weile nicht mehr im Geschäft ist. Ob wir mit unserem letzten Tankviertel noch 120 km nach Broken Hill kommen? Das wird ziemlich eng. Auf dem Weg befindet sich auch nach eingehender Suche auf unserer Karte...NICHTS. Versuchen müssen wir es wohl. Also werden Klimaanlage und Radio ausgeschaltet, das Licht ausgemacht, die Seitenspiegel eingefahren und ab jetzt nur noch 80 km/h gefahren. Nach 20 km springt die Reserve an und wir fragen uns ernsthaft, wie groß wohl der Reservetank so eines japanischen Billigautos ist. Je näher wir Broken Hill kommen um so gespannter verfolgen wir die am Straßenrand alle fünf Kilometer aufgestellten Meilenmarker und trinken bei jedem, den wir passieren auf unser tapferes Auto. Ab 30 km vor dem Ziel werden wir etwas nervös aber auch die letzten Meilenmarker fliegen an uns vorbei und tatsächlich -ich hätte es nicht geglaubt- wir kommen mit unserem letzten Tropfen Benzin in Broken Hill an. Es wird uns eine Lehre sein...Broken Hill, umgeben von roter Halbwüste, befindet sich jetzt tatsächlich im tiefsten Outback, falls man sich bei Mildura da noch nicht so sicher war. Bill Bryson hat dazu mal folgendes schlaues gesagt: ,'Für die Australier ist alles auch nur annähernd ländliche der "Busch", ab irgendeinem nicht näher bestimmbaren Punkt wird aus dem Busch dann das "Outback". Fährt man noch zweitausend Meilen weiter kommt man wieder zum Busch und dann zu einer Stadt und dann zum Meer. Das ist Australien'Broken Hill ist wirklich elend weit entfernt von sowohl allen vier Küsten und jeglichem, was man eine Stadt nennen kann und zählt dann somit wohl als Outback. Es war einmal eine wirkliche Boomtown, als Ende des 19. Jahrhundert reiche Silber- Blei- und Zinkadern entdeckt wurden, und bis vor etwa 60 Jahren wohnten in Broken Hill noch 35.000 Leute. Heute zählt es nur noch knapp 20.000 Einwohner und von den ehemals 16 Minen ist nur noch eine übrig geblieben, die der Stadt allerdings immernoch einen vergleichsweise hohen Wohlstand beschert. Der Ortskern ist auch wirklich ganz charmant und wir beschließen nach der ganzen kürzlichen Fahrerei zwei Tage zu bleiben. Wir besuchen die Basis des Royal Flying Doctor Service, der von Broken Hill aus eine Fläche so groß wie Großbrittanien mit ärztlicher Versorgung aus der Luft abdeckt und ein sehr interessantes Museum betreibt. Die ärztliche Versorgung durch den RFDS ist für jedermann kostenlos, obwohl beispielsweise allein durch einen "normalen" Versorgungsflug ohne Notfallbehandlung wie z.b. Bei einer Geburt oder einen Knochenbruch schon mal schnell mehrere tausend Euro Kosten anfallen. Dabei werden die Kosten nur zu 2/3 vom Staat finanziert, der Rest wird durch Spendengelder getragen. Ohne den RFDS hätten viele Farmer, Aboriginees und kleine Siedlungen aber auch verunfallte Outback-Touristen keinerlei Zugang zu medizinischer Versorgung. Echte Helden!! Wir fahren zum Sonnenuntergang ins Outback raus und auf einen kleinen Hügel, von dem man endlos weit in die Ebene blicken kann, verbringen die heißen Nachmittage faul am Pool, und die Abende wie immer am BBQ. Einen kurzen Abstecher machen wir noch in die Geisterstadt Silverton, die 20 km von Broken Hill entfernt liegt und quasi nur aus einem nostalgischen Straßenzug inklusive dem berühmten "Silverton Hotel" besteht. Der Ort ist vorallem dadurch bekannt, dass hier etliche Filme gedreht wurden, allerdings ist mir von diesen Blockbustern lediglich einer annähernd bekannt: Mad Max 2. Alles andere sind irgendwelche australischen Produktionen, aber der Ort und das Hotel samt Bar leben von ihrem Ruf und wir nehmen natürlich auch einen Drink an der Bar bevor wir wieder weiterfahren."Das Outback" war in meiner Vorstellung immer kilometerweite Ebenen mit rotem Sand, karger Vegetation, extremer Hitze, vielen Kängeruhs, Schafen, und vielen Fliegen, wenig Zivilisation, und einem Hauch Abenteuer. Broken Hill und die Umgebung kommt dieser Vorstellung dabei relativ nahe, auch wenn wir natürlich viel zu kurz hier waren, um wirklich etwas zu erleben. Da inzwischen neben unserer kaputten Spüle auch die Fahrertür unseres Campers defekt ist, haben wir nachdem Christian diverse emails mit dem Kundenservice von Jucy gewechselt hat, für den 22.3. ganz früh morgens noch einen Werkstatttermin in Broken Hill bekommen. Die Spüle hat jetzt eine nagelneue Pumpe, die Tür ist mehr schlecht als Recht repariert, aber wir düsen trotzdem los, denn unser längster Fahrtag liegt vor uns: 760 km durch das Nichts, bis nach Dubbo. Allerdings gehen die 8,5 Stunden auf schnurgerader Straße relativ angenehm vorüber, die Sonne ist heute nicht so erbarmungslos, wir sehen einige Emus und Kängeruhs und genießen die Aussicht auf die sich immer wieder ändernde Landschaft und Vegetation. Da hier kaum Verkehr herrscht, nur ab und zu kommt ein "Road Train", ein riesen LKW mit mehreren Anhängern, oder ein Geländewagen, entgegen, lässt es sich hier einfach auch ziemlich entspannt fahren.Unser Ausflug ins Outback war eine zeitweise ziemlich anstrengende Angelegenheit, aber und jetzt zitiere ich nochmal den sehr geschätzten Herrn Bryson: ' man kann nicht sagen, Australien gesehen zu haben, wenn man nicht das Outback gesehen hat' .

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